Probleme mit der Müllentsorgung bleiben ungelöst

Von Christian Schmidt

Die Senioren ärgern sich: Seit nicht mehr alle Mülltonnen im Landkreis abgeholt werden, wird gestritten. Eine friedliche Lösung ist nicht in Sicht.

Norden Über diese Erfolgsmeldung konnten sich Holger Korn und Theus Bracht gar nicht freuen: Die Abfallwirtschaftsbetriebe des Landkreises Aurich sparten im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Euro ein. Hinrich Tjarden (CDU) lobte die Müllwerker bei der Ausschusssitzung Mitte November entsprechend: „Hier wurde vernünftig gearbeitet.“ Korn und Bracht können diese Aussage nicht fassen. Die Vertreter des Seniorenbeirats Norden kämpfen seit Monaten dafür, dass in der Stadt alle Straßen angefahren werden. Dies ist seit dem Winter 2022/23 nämlich nicht mehr der Fall, 900 Straßen werden im Landkreis Aurich ausgelassen. Der KURIER berichtete.

Hintergrund ist eine Richtlinie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Danach sollen Müllfahrzeuge nicht mehr rückwärts fahren, zumindest nicht ohne entsprechende Sicherheitsmaßnahmen.

Die Müllwagen können in den betroffenen Straßen im Landkreis nicht wenden oder die Straßen sind generell zu eng. Daher müssen Anwohner ihre Mülltonnen zu Sammelpunkten bringen. Im Maximalfall ist dieser 200 Meter entfernt. Mit vollen Tonnen eine lange Strecke, nicht nur, aber gerade für Senioren und Menschen mit Beeinträchtigung.

Bracht erinnert an die UN-Behindertenrechtskonvention von 2009, laut der alle Menschen überall integriert sein sollen. „Für mich wird von der Abfallwirtschaft dagegen gehandelt“, empört sich Bracht.

Eine grobe Rechnung

Korn versteht das Verhalten auch nicht. Er berichtet, mit Hans-Hermann Dörnath, dem Chef der Abfallwirtschaftsbetriebe, vor Monaten gesprochen zu haben. Dieser erklärte das Problem der zu großen Müllwagen. Die Alternative wäre ein kleineres Fahrzeug, das rund 400000 Euro kosten würde. Davon 250000 für die Anschaffung, 60000 für den Unterhalt. Die übrigen 90000 wären Personalkosten.

Korn hat sich aufgrund dieser ihm erläuterten Kosten eine Rechnung erstellt: Laut ihm hat der Landkreis Aurich 50000 Haushalte, wenn man von einem Vier-personen-Haushalt ausgeht. Wenn jeder Haushalt im Jahr acht Euro mehr bezahlen würde, 70 Cent im Monat, könnte sich die Abfallwirtschaft die kleinen Müllwagen leisten.

Korn gibt zudem zu bedenken, dass seine ausgerechneten 70 Cent zu hoch gegriffen seien, da nach der Anschaffung des Fahrzeugs mit 25000 Euro weniger zu kalkulieren wäre.

Solche Zahlenspiele überzeugen Abfallchef Dörnath aber nicht. Das Problem würde auch mit einem kleinen Müllwagen nicht gelöst werden. Auch der könne nicht alle Straßen anfahren, weil er immer noch nicht wenden könne. Ein Rückwärtsfahrverbot verhindere die Bespielung der betroffenen Straßen. Rückwärtsfahren sei mit einem Einweiser in Notfällen zwar erlaubt, für den Regelbetrieb dürfe er nicht eingeplant werden.

Das alles sagt Dörnath dem KURIER. Nicht aber Korn. Der berichtet, er habe damals Dörnath um eine Kostenaufstellung gebeten. Die wäre nie gekommen. Er echauffiert sich über die „Arroganz“ und „Ignoranz“ der Abfallwirtschaft. Warum fände kein Austausch statt?

Hans-Hermann Dörnath sieht das anders. In seinen Augen sei es oft kommuniziert worden, dass die kleinen Wagen nicht angeschafft werden. Dies wurde auch bereits vor einem Jahr kommuniziert, mit dem Hinweis, dass die Kosten zu hoch seien. Seine Kollegen der Wirtschaftsbetriebe ergänzen: „Behälterleerungen mit Kleinfahrzeugen sind aufgrund der verhältnismäßig hohen Kosten von etwa 200000 Euro im Jahr (inklusive Fahrer) und der dabei im Verhältnis zu Standardsammelfahrzeugen bis zu circa neunmal geringeren Leerungsquote, etwa drei bis fünfmal teurer als Behälterleerungen mit einem herkömmlichen Abfallsammelfahrzeug.“Die Betriebe spielten zwei Lösungen durch, die pro Nutzer zu Mehrkosten von 300 beziehungsweise 395 Euro pro Jahr führten. „Beide Alternativen wurden aus Kostengründen verworfen, da nicht davon auszugehen ist, dass eine Vielzahl von Haushalten solche entgeltpflichtigen Leistungen in Anspruch nehmen würde“, sagen die Verantwortlichen.

Verhärtete Fronten

Diese Erklärungen werden die Wogen nicht glätten. Die Fronten sind verhärtet. „Das Menschliche fehlt dem Landkreis komplett“, meint Korn. Dörnhart widerspricht: „Wir haben keinen Spaß daran, die Leute zu ärgern“.

„Die Abfallwirtschaft akzeptiert uns nicht als Gesprächspartner“, meint wiederum Bracht, der nach Absage des kleinen Müllwagens ein anderes Modell ins Spiel bringt: Die Müllgebühren werden, wie berichtet, im kommenden Jahr nicht erhöht. Aber warum werden sie bei den Haushalten, die nicht angefahren werden, nicht gesenkt? Immerhin kommen die entsprechenden Anwohner nicht in den „Genuss“ des kompletten Services.

Ob eine solche Alternative diskutiert wird, wissen Bracht und Korn nicht. Eine Kommunikation fände nicht mehr statt. Und das, obwohl der Seniorenbeirat in Ausschüssen sitzt. Daher sind sie auch von der Aussage von CDU-Mann Tjarden so enttäuscht. Hinterfrage die Politik nicht die Anliegen, die die Bürger vorbringen?

Doch, meint Tjaden. Alles sei besprochen worden, sagt er. Das gesparte Geld bedeute ja nicht, dass man das Geld dann in der Tasche hätte, um Luxusreisen zu buchen. Stattdessen würde klug investiert, um steigende Kosten aufzufangen.

„Ich bin sehr zufrieden mit Herrn Döhnert“, wiederholt Tjaden. Er denke wirtschaftlich, mache sich mit seinem Team Mühe und würde sauber recherchieren. Vor-Ort-Termine hätten die Problemstellen aufgezeigt.

Korn und Bracht sind dennoch nicht bereit, die Angelegenheit ruhen zu lassen. Im Februar treffen sich die ostfriesischen Senioren- und Behindertenbeirate in Norden. Dann soll das Thema besprochen werden. Was sie bewegen, ist völlig unklar.