Punktlandung nach 1700 Metern im Untergrund
Hier taucht das Bohrgestänge in den Untergrund kurz vor dem Emsdeich. Erst 1,7 Kilometer weiter, auf der anderen Flussseite, kommt es wieder ans Tageslicht.
Emden Zum Schluss waren es nur 6,5 Zentimeter. So weit neben dem errechneten Punkt ist der Erdbohrer in Pogum aus dem Erdreich getreten. Für die Fachleute ist es trotzdem eine Punktlandung. Denn vorher haben sie ein dickes Bohrgestänge 1700 Meter lang durch die Erde navigiert – unter der Ems entlang.
Ortstermin gestern früh. Im Emder Stadtteil Petkum, kurz vor dem Deich, liegt die Baustelle. Schotterwege und eine riesige Fläche sind aufgeschüttet. Ein Erdbohrer steht aufgebockt an ihrem Rand, ein Rohr läuft schräg auf die Erde zu, verschwindet zum Schluss in ihr. Zurzeit ist Bohr-Pause, es ist zu kalt.
14 Kabel müssen unter den Fluss
14 dicke Hochspannungskabel verlegt das Dortmunder Unternehmen Amprion von den Offshore-Windkraftfeldern durch Ostfriesland, durchs Emsland bis nach Lingen. Ein weiterer Strang führt bis Düsseldorf und dann weiter bis nach Bayern. Zwischendurch entstehen immer wieder Konverterstationen.
Das komplexe Projekt lässt sich ganz konkret in einen Satz fassen: „Die beiden Offshore-Felder DolWin4 und BorWin 4 liefern durch die neuen Leitungen genau die Strommenge nach Lingen, die das ehemalige Kernkraftwerk erzeugt hat: 1,8 Gigawatt“, erklärt Dr. Marius Schröer, der den Kabeltiefbau verantwortet. Da der Strom von See kommt, wo praktisch immer Wind weht, macht ihn überdies sehr zuverlässig. Ab 2028 soll der Strom fließen.
Stetig durchpflügen Amprion und seine lokalen Tiefbaupartner das Erdreich Kilometer um Kilometer bis nach NRW. Die Ems ist dabei ein Hindernis, jedoch keins, was das Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Denn das Bohrverfahren kann man an jeder Straße besichtigen. Wenn neue Glasfaserleitungen Straßen unterqueren, werden sie ähnlich unterirdisch gebohrt.
Bei der Ems ist nur alles etwas größer.
Der Bohrer taucht im Deichvorland in den Boden, unterquert den empfindlichen Deich in einer Tiefe von 28 Metern. Unter der Ems liegen die Trassen nur 21 Meter unter der Sohle. Dann geht es wieder abwärts für den Deich und zum Schluss wieder ans Tageslicht. Sind die Löcher gebohrt, werden sie auf 70 Zentimeter geweitet und dann werden Rohre eingezogen. In ihnen liegen später die Kabel. Für ein Loch benötigen die Arbeiter rund 20 Tage. Der Abraum wird abgefahren, recycelt und dann wiederverwendet. Es ist nur Sand.
Die Ems fließt tatsächlich in einem Sandbett, das allerdings hoch verdichtet ist. Steine gibt es kaum da unten, höchstens mal Holzstücke, erläutert Ulrich Stephan, der für das Wiesmoorer Unternehmen Bohlen & Doyen Bau die Bohrarbeiten leitet. Und sollten doch noch Hindernisse auftauchen, könne man einen Umweg bohren, sagt er.
Ein Kompass im Bohrkopf
Dass das Rohr überhaupt zentimetergenau seinen Weg findet, dafür sorgt ein Kreiselkompass im Bohrkopf. Wie auch die einfachen Kompasse orientiert er sich am Magnetfeld der Erde und meldet dem „Driller“ – also dem Mitarbeiter, der die Bohrmaschine bedient – ständig die genaue Position.
Sieben Jahre lang hat es gedauert, alle Genehmigungen für die ganze Leitungstrasse zu bekommen. Eine akzeptable Zeit für ein Projekt dieser Größe, sagt Amprion.