Solide in Ostfriesland

Von Stefan Bergmann

Im Nordwesten Deutschlands und damit auch in Ostfriesland lässt es sich gut leben. Die Region zählt zur „soliden Mitte“ Deutschlands. Das hat die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Studie mit dem Titel „Ungleiches Deutschland“ ermittelt. Doch eine Stadt sticht heraus.

Ausgehend vom Gesetzesauftrag „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in Deutschland zu schaffen, hat die Stiftung die Städte und Kreise untersucht und in fünf Kategorien eingeteilt: Von „dynamischen Städten“ über „wohlhabendes Umland“, „solide Mitte“ bis hin zu „altindustriell geprägten Städten mit strukturellen Herausforderungen“. In dieser Kategorie befinden sich Bremerhaven, Wilhelmshaven und – Emden.

Hohe Armutsrisiken, sehr hohe Schuldenlast des kommunalen Haushalts, geringere Lebenserwartung und soziale Problemlagen – dies alles sorge für einen Negativkreislauf, aus dem sich solche Städte kaum selbst befreien können, sagen die Ersteller der Studie.

Tranformationsrisiko

Emden scheint ein Paradebeispiel zu sein. Hinzu kommt ein großes „Transformationsrisiko“. So nennt die Studie die Abhängigkeit von einem Unternehmen einer Schlüsselindustrie (in Emden: Automobilindustrie), die sich jedoch in einem Transformationsprozess befinde (Wandel zur E-Mobilität).

Gelingt dieser Wandel, ist alles gut. Misslingt er, leidet die Region besonders stark darunter. In ähnlicher Position wie Emden: Wolfsburg, Ingolstadt (Audi), Stuttgart (Porsche und Mercedes).

Doch ein anderes Ergebnis der Studie lässt aufhorchen. Zwar ist in der Gegenwart vieles schlechter als in Restdeutschland – doch die Zukunftsaussichten für Emden seien trotzdem gut, haben die Wissenschaftler herausgefunden. Emden stelle einen Innovationspol dar – weil es „stark überdurchschnittliche Werte bei der Erzeugung erneuerbarer Energien“ hat. Die Botschaft an die Stadt ist somit klar: Auf einen erfolgreichen Wandel bei VW hoffen und ihn unterststützen – aber gleichzeitig mit aller Kraft die regenerativen Energien fördern. In der Tat ist Emden dort gut im Spiel: Der Flugplatz hat sich zum Luft-Drehkreuz für die Versorgung von Offshore-Feldern entwickelt, es gibt ambitionierte Wasserstoff-Projekte, Emden ist eine der zentralen Übergabestationen für Windstrom vom Meer; unzählige Windräder drehen sich auf Stadtgebiet.

Ostfriesland im Mittelfeld

Das übrige Ostfriesland – und damit auch die größeren Städte Aurich und Norden – liegt bei fast allen Werten der Studie im Mittelfeld. Die Wissenschaftler nennen das „solide“ – doch haben auch eine Warnung: In diesen Regionen mangelt es an hochqualifizierten Beschäftigten. Es bestehe die Gefahr, dass diese Regionen – auch Ostfriesland – den Anschluss an die dynamischen Städte verliert.

Quelle: Ungleiches Deutschland. Sozioökonomische Disparitätenbericht 2023, von Vera Gohla und Martin Hennicke. www.fes.de