Und noch zwei neue Ermittler in der Stadt

Von Irmi Hartmann

Norder Medizinerin Hripsime Rüstemyan veröffentlicht erstes Buch

Und noch zwei neue Ermittler in der Stadt

Hripsime Rüstemyan mit ihrem Debütroman: Sie schickt ihre Ermittler einem Giftmörder auf die Spur. Foto: Irmi Hartmann

Norden Klingt zunächst mal gewöhnungsbedürftig: Gordi wird einer der beiden Ermittler genannt, die den Giftmord an Ella Martens aufzuklären haben. Gordi, das ist der gemütlich wirkende, Nostalgie liebende Martin Gerdes, der einen klapprigen Citroën Jahrgang 1959 fährt, in Norddeich zur Miete wohnt mit Blick aufs Meer und die vorgelagerten Inseln. Kollege Onno Schoolmann ist gefühlt der genaue Gegenpart. Rastlos, ein bisschen aggressiv in seinem Auftreten, Whiskyliebhaber. Und wie Gordi ein Mensch mit noch nicht geklärter Hintergrundgeschichte. Der nach Ostfriesland versetzt worden ist. Aus Hamburg kommt. Und lieber nicht in Norden wohnt, wo die Geschichte spielt, sondern täglich aus Leer anreist. Ein Giftmord in Norden also ist aufzuklären – ein neuer Krimi aus der Region, aber von einer Debütantin verfasst: Hripsime Rüstemyan.

Zweite Leidenschaft

Nein, den Doktortitel wollte sie da auf dem Buchcover nicht lesen, erzählt die Chirurgin, die mit „Tod an der Nordsee“ ihre zweite Leidenschaft zum Leben erweckt hat. Die erste war und ist die Medizin, aber diese zweite lebt im Verborgenen durchaus schon länger. Sie habe da noch drei oder vier Bücher in der Schreibtischschublade, verrät die Norderin. Aber mit dem Krimi tritt sie jetzt erstmals an die Öffentlichkeit – und das ganz direkt. Eine erste Lesung fand bereits Ende September in der Norder Buchhandlung Hasbargen.

Sie schreibe schon immer, erzählt die Autorin gegenüber dem Kurier. Nach dem Abitur 1979 in Leer habe sie sich entscheiden müssen für eine ihrer Leidenschaften – Geisteswissenschaften oder Medizin. Rüstemyan folgte dem Ruf der Medizin, wollte unbedingt ihrem innersten Wunsch folgen und Entwicklungshilfe leisten. Studierte Medizin in Hannover, arbeitete später in Wolfenbüttel und wollte irgendwann „nach Hause“. Dieses „Nach-Hause-Kommen“ führte sie zunächst für drei Jahre nach Norderney. Seit 2005 ist das Zuhause Norden. Entwicklungshilfe so, wie sie es sich vorgestellt und gewünscht hatte, war in der Art nicht möglich, ein Stachel, der in ihr geblieben ist trotz der Hilfe, die sie vielen Menschen hierzulande zuteil werden ließ.

Aber dann die andere Leidenschaft. Da war die Eins auf dem Abizeugnis in Deutsch, ihr Interesse für Literatur und an der Auseinandersetzung und dem Spiel mit Worten und Texten. Hripsime Rüstemyan kann heute darüber schmunzeln, dass sie seinerzeit, als sie sich um einen Studienplatz bewarb, nachweisen musste, ausreichend Deutsch zu können. Ist dankbar für ihr Aufwachsen hier, die Hilfe vieler, erinnert sich aber auch an unzählige Hürden, die es zu nehmen galt. Ihre Familie stammt aus Armenien, sie selbst wurde in Istanbul geboren, kam als Siebenjährige nach Leer. Sprach bis dahin türkisch und armenisch – und war 1979 die erste „Ausländerin“, die in Leer ihr Abitur ablegte. Mit einer Eins in Deutsch…

Sie schreibt schon immer. Aber nur für die Schublade? Nee, das konnte es nicht sein. „Ich bin der Lerntyp“, erzählt Rüstemyan lachend. Hieß für sie: Leidenschaft für etwas allein reicht nicht, eine Ausbildung muss her. Also belegte sie ein Fernstudium, lernte in zwei Jahren das kreative Schreiben und sattelte gleich noch mal einen Aufbaustudiengang Krimi obendrauf. Damit hatte sie für sich das offizielle Rüstzeug zum Schreiben. Wusste, wie wichtig Details sind in einer Geschichte, wie man den Spannungsbogen bis zum Schluss hält, wie man geschickt falsche Fährten legt und vieles mehr. „Ich mag das Traurige“, erzählt sie – und stattete ihren Gordi und ihren Onno mit entsprechenden Hintergrundgeschichten aus. Tiefgang sei ihr wichtig, erklärt sie weiter. Sie liebt ihre Figuren, die Narben aus ihrem „Vorleben“ mitbringen und die langsam in der Geschichte entwickelt werden. Martin Gerdes und Onno Schoolmann, wie sie „offiziell“ heißen, bekommen einiges zu tun – Norden wird einmal mehr interessante Krimistadt. Da gibt es zwielichtige Gestalten wie den Landrat Peter Memmenga und Bauamtsleiter Niels Rademacher. Hat der Bauunternehmer Schanhorst was mit dem Giftmord an Ella Martens zu tun, die doch im Bauamt arbeitete? Warum war Martens zuvor beim Psychiater? Was hat die nette Nachbarin beobachtet, und wo stecken die Tagebücher von Ella Martens?

Viel kriminelle Energie

„Tod an der Nordsee“ ist ein flüssig geschriebener Krimi mit Figuren, denen man anmerkt, dass Hripsime Rüstemyan ihnen nicht nur einen Namen gegeben hat, sondern ein ganzes Kleid mit eigenen Geschichten im Hintergrund. Die Autorin mag Geschichte hinter den Geschichten, auch das ist spür- und leicht lesbar. Ein Buch zum Entspannen und Schmunzeln mit der Erkenntnis, dass in Norden unglaublich viel kriminelle Energie zu Hause sein muss… Zumal Rüstemyan schon eine neue Idee hat, eine neue Aufgabe für Gordi und Onno. Aber erst mal, sagt sie, wolle sie abwarten. Ob ihr Debütkrimi Gefallen findet bei den Lesern. Und erst dann in folgenden Urlauben wieder eintauchen. Eins ist klar: Die Frau hat im wahrsten Sinne des Wortes Blut geleckt.

Das Buch „Tod an der Nordsee“ ist im emons-Verlag erschienen und kostet 14,40 Euro.