Unklares Alter, unklare Herkunft: Ein Leben mit Gewalt und Übergriffen unter der Lupe
Aurich Sexuelle Übergriffe gegen Passantinnen, Widerstand gegen Polizeibeamte und Körperverletzungen werden einem 23-jährigen Auricher vor dem Landgericht Aurich zur Last gelegt. Doch der Angeklagte ist ein einziges Rätsel.
Schon die Feststellung der Personalien hinterlässt Fragezeichen. In den Anklageschriften ist die Rede davon, dass der Flüchtling 23 Jahre alt ist und aus Guinea stammt. Doch der Angeklagte schüttelte den Kopf. Er sei im August 1998 in Kanada geboren. Im Alter von einem Jahr und acht Monaten habe man ihn nach Guinea „abgeschoben“. Guinea wiederum habe ihn nach Deutschland abgeschoben. Seine Eltern seien in Kanada geblieben, die kenne er nicht. Und er habe die kanadische Staatsangehörigkeit, behauptete der Angeklagte. „Bei der Haftbefehlsverkündung haben Sie von fünf Staatsangehörigkeiten gesprochen“, erinnerte sich Richterin Karsta Rickels-Havemann. Darunter sei auch die deutsche gewesen.
Zunächst verlas Erster Staatsanwalt Frank Lohmann die Anklageschriften. Die erste Tat wird auf den 14. Juli 2022 datiert. Eine Zeugin hatte den Angeklagten als möglichen Täter eines Diebstahls wiedererkannt und die Polizei gerufen. Als einer der Beamten den Ausweis des Angeklagten sehen wollte und ihm an dem Arm fasste, erhielt er einen Schlag gegen das Kinn. Erst nach Einsatz von Pfefferspray konnten die Polizisten den Auricher überwältigen.
In drei Fällen waren Frauen die Opfer. Immer stellte sich der Angeklagte den Frauen in den Weg. Eine 19-jährige Auricherin war auf dem Heimweg von der Schule, als der Angeklagte sie sehr fest am Arm ergriff, sodass die junge Frau Schmerzen erlitt. Ein Ehepaar sah die Situation und kam der jungen Frau zu Hilfe. Der Angeklagte versuchte vergebens, den 51-jährigen Helfer mit beiden Fäusten am Kopf zu treffen und schlug ihm schließlich mit einer Wasserflasche gegen den Arm. Das Ergebnis war ein Hämatom.
Noch rabiater war der Angeklagte, als er im Juli 2022 einer Radfahrerin den Weg versperrte, ihr seine nassen Finger in den Mund steckte und ihr mehrfach grob in den Schritt fasste. Seitdem hat die Auricherin Angst. Damit ihr der Anblick des Angeklagten erspart blieb, wurde im Gerichtssaal ein Sichtschutz aufgestellt. Eine andere Passantin wollte dem Angeklagten im Mai vergangenen Jahres auf einem Wanderweg ausweichen. Doch er hielt sie fest und knetete grob ihre Brust.
Der Angeklagte sagte zu den Vorwürfen, dass er sich entschuldige, aber er sei es nicht gewesen. Auf weitere Fragen antwortete er oft nicht, saß mit gesenktem Kopf da und starrte auf den Tisch. Manchmal sagte er doch etwas und die Verwirrung stieg. So behauptete er, eine Villa in Aurich und ein Vermögen zu besitzen, dass er auf einem militärischen Gebiet in Aurich hinterlegt habe. Tatsächlich lebte er bis zu seiner Inhaftierung in einer Flüchtlingsunterkunft und bezieht Bürgergeld. Gearbeitet hat er nie, aber ein Diplom will der Angeklagte erlangt haben und sich mit „wissenschaftlichen Gedanken“ beschäftigen, die sich um Vögel drehen.
Das alles könnten Auswüchse einer schweren psychischen Erkrankung sein. Der 23-Jährige soll bereits einige Psychiatrie-Aufenthalte hinter sich haben. Ein psychiatrisches Gutachten soll Aufschluss geben.
Der Prozess wird fortgesetzt.