Von Entspannung gibt es bei den Unternehmen keine Spur!

Von Stefan Bergmann

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Ostfriesland wünscht sich Mitarbeiter, die Verantwortung übernehmen - und endlich ruhigere Zeiten.

Frank Wessels ist der Präsident des Arbeitgeberverbandes Ostfriesland und Papenburg. Anlässlich der Mitgliederversammlung in Emden spricht er über Leistung, Work-Live-Balance und hat drei Wünsche frei.

Sie haben einen Segler eingeladen zu Ihrer Mitgliederversammlung. Hatte kein Politiker Zeit?

Bei der Wahl des Redners kommt es uns darauf an, dass ein für unsere Mitglieder und Gäste interessantes Thema mit einem Bezug zu Wirtschaft und Arbeitswelt dargestellt wird. Mit dem Profisegler Tim Kröger ist uns das glaube ich ganz gut gelungen.

Man hat den Eindruck: Im Unternehmen wollen alle Verantwortung tragen, alle wollen mitdenken. Ist das wirklich so?

Es ist wünschenswert und zielführend, wenn möglichst viele ihre Kompetenz und Sachkunde mit in den Entscheidungsprozess einbringen. Auf diese Weise ist dann auch jeder in gewisser Weise an einem Erfolg beteiligt.

Die aktuelle „GenZ“, also die Leute, die jetzt in den Beruf einsteigen, wollen immer weniger Chef werden, sondern eher eine ausgeglichene Work-Life-Balance haben und dafür etwas weniger verdienen. Wie passt das zusammen mit den Herausforderungen in einem Unternehmen?

Das passt in den wenigsten Fällen. Unternehmen stehen im Wettbewerb, Aufträge müssen zeitgerecht abgearbeitet, Kunden nachfrageorientiert bedient, Dienstleistungen pünktlich erbracht werden. Der Wohlstand unserer Gesellschaft wird durch Leistung erwirtschaftet. Wer das ignoriert, nimmt billigend Wohlstandsabbau in Kauf.

Aber kann man sie nicht auch ein bisschen verstehen? Frühere Generationen haben gearbeitet bis zum Umfallen oder bis zum Herzinfarkt. Wer will das schon?

Selbstredend will das keiner, aber diese Sichtweise ist mir viel zu pauschal. Die Arbeitswelt hat sich geändert, Arbeitszeiten wurden verkürzt, der Freizeitanteil hat sich entsprechend erhöht. Es muss niemand mehr bis zum Umfallen oder bis zum Herzinfarkt arbeiten, wie es vielleicht einmal in den Nachkriegsjahren vorgekommen sein mag. Und warum ist Arbeit als solches eigentlich so negativ besetzt? Wie viele Menschen gehen jeden Tag gerne zur Arbeit und finden darin Freude und Bestätigung. Und wie ist es denn um die Work-Life-Balance für denjenigen bestellt, der unverschuldet seinen Job verloren hat und keinen neuen findet?

Es wird immer schwieriger, Fachkräfte für Unternehmen zu finden. Wo sind eigentlich die ganzen Menschen, die sich nicht bewerben?

Das Problem des Fachkräftemangels ist zum großen Teil ein demografisches Problem: Geburtenstarke Jahrgänge gehen altersbedingt in den Ruhestand und vergleichsweise geburtenschwache Jahrgänge rücken nach. Ein weiterer Faktor ist sicherlich, dass viele junge Menschen in der heutigen Zeit ein Studium einer Berufsausbildung vorziehen.

Wie geht es den Arbeitgebern zurzeit? Corona ist vorbei, die Zinsen steigen, der Krieg in der Ukraine leider schon fast Gewohnheit. Spüren Sie eine Entspannung?

Entspannung? Wo soll denn die herkommen? Sicherlich, Covid-19 scheint mehr oder weniger überwunden, aber die Folgen wie fragile Lieferketten, Materialmangel und Lieferengpässe sind immer noch deutlich spürbar. Den Fachkräftemangel hatten wir bereits erwähnt, steigende Zinsen verteuern die Finanzierung und treffen damit investitionsintensive Unternehmen besonders hart, und ein Krieg mehr oder weniger vor der Haustür lässt auch nicht unbedingt ruhig schlafen.

Wenn Sie sehen, dass in Wilhelmshaven binnen eines Jahres ein LNG-Terminal gebaut wird, dessen Bau normalerweise – also ohne Krieg – mindestens 20 Jahre gedauert hätte: Was macht das mit Ihnen?

Es bestätigt mir die Richtigkeit der Volksweisheit „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, und es macht mir Hoffnung, dass andere wichtige Infrastrukturprojekte nun ebenfalls schneller vorangehen.

Während der Versammlung haben Sie gesagt, dass die deutsche Bürokratie lähmend sei und dringend abgebaut werden muss...

...unzweifelhaft gibt es in Deutschland teilweise überbordende Bürokratie, aber ich zeige nicht mit dem Finger auf andere und werde mich auch nicht an dem allgemeinen Politiker- und Beamten-Bashing beteiligen. Allgemein dauern jedoch Planungs- und Genehmigungsprozesse zu lange. Als Beispiel aus der Region sei nur der Neubau der Friesenbrücke bei Weener genannt.

Wunschkonzert: Ihre drei Wünsche aus Unternehmersicht für die nahe Zukunft?

Moderate Tarifabschlüsse, weniger Dogmatismus, mehr Pragmatismus, weniger Egoismus, mehr Gemeinsinn: Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern frage, was Du für Dein Land tun kannst.