Wangerooge kuschelt mit dem Festland - die anderen Inseln wollen eigenständig bleiben
Menschenleerer Strand auf Wangerooge. Die Insel hat Probleme, die kommunalen Funktionen noch zu erfüllen und sucht nach einem Partner.
Wangerooge Die Insel Wangerooge sorgt seit einiger Zeit aus einem in der Kommunalpolitik eher ungewöhnlichen Anlass für Schlagzeilen: Der Gemeinderat überlegt, sich quasi selbst zu entmachten. Nachdem Bürgermeister Marcel Fangohr im vergangenen Sommer zurücktrat, beschloss das Gremium, zunächst keinen neuen Bürgermeister zu wählen, sondern auszuloten, ob es nicht sinnvoller ist, sich einer Festlandgemeinde anzuschließen, um als Samtgemeinde für die Herausforderungen der Zukunft besser aufgestellt zu sein (wir berichteten). Als wesentliche Gründe werden genannt: Personal- und Fachkräftemangel, Überalterung der Verwaltung und Wohnungsnot. Der Wangerooger Rat fürchtet, dass die Inselgemeinde die Daseinsvorsorge für die rund 1200 Insulanerinnen und Insulaner aus eigener Kraft künftig nicht mehr gewährleisten kann.
Sondierungsgespräche laufen
Für einen Zeitraum von längstens zwei Jahren soll auf die Wahl des Hauptverwaltungsbeamten verzichtet werden, so beschlossen es die Gemeindevertreter im September 2023. In dieser Zeit sollen mit ausgewählten Festlandkommunen Verhandlungen über die Bildung einer Samtgemeinde aufgenommen werden. Ein erstes Sondierungsgespräch mit der Gemeinde Wangerland hat kürzlich stattgefunden, jedoch noch ohne greifbares Ergebnis. Bevor es zum Zusammenschluss mit einer anderen Gemeinde kommt, muss ohnedies ein Bürgerentscheid auf der Insel herbeigeführt werden, der für den Rat bindend ist, so haben es die neun Wangerooger Ratsherren und -frauen beschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt führt Kurdirektorin Rieka Beewen, zugleich Allgemeine Vertreterin des Bürgermeisters, die Amtsgeschäfte.
Kein Thema für Norderney
Die Wangerooger sind nicht die Einzigen, die vor den genannten Schwierigkeiten stehen. In ähnlicher oder gleicher Weise gibt es sie auf den weiteren Ostfriesischen Inseln genauso. Könnte das „Wangerooger Modell“ also auch ein Vorbild für weitere Inseln sein? Der KURIER hat auf Norderney, Juist und Baltrum nachgefragt. Der Norderneyer Bürgermeister Frank Ulrichs winkt sofort ab. „Eine solche Überlegung steht hier nicht zur Debatte“, so Ulrichs in seiner E-Mail. „Glücklicherweise sind wir von einem Szenario, das solche Diskussionen rechtfertigen könnte, weit entfernt.“ Für die kleinen Inselkommunen könne zumindest eine enge Kooperation mit einer Festlandskommune nützlich sein, schätzt Ulrichs die Situation auf den Nachbarinseln ein. Norderney sei jedoch sowohl vom Arbeitsaufkommen als auch von der Aufgabenvielfalt her eine kleine Stadt. Ein Samtgemeindekonzept hält er für seine Insel daher „für kaum vorstellbar, geschweige denn praktikabel“. Ulrichs: „Es spricht so ziemlich alles dagegen. Ehrlich gesagt bin ich sehr stolz auf unsere Leistungsfähigkeit und das Ansehen unserer Verwaltung. Natürlich macht auch vor Norderney der Fachkräftemangel nicht halt, vor den Festlandskommunen aber auch nicht. Daran arbeiten wir.“
Keine Vorteile für Juist
Auch sein Amtskollege auf Juist, Dr. Tjark Goerges, kann dem Gedanken nur wenig abgewinnen. Ein Potenzial sieht er „nur dann, wenn wir mittel- und langfristig unsere Pflichtaufgaben nicht mehr selbst abdecken können“. Schon jetzt biete der Landkreis Aurich spezielle Dienstleistungen gegen Bezahlung an. Daneben gebe es private Anbieter in diesem Feld. „Letztendlich kosten diese Leistungen Geld und müssten von uns getragen und gegen die nicht gezahlten Lohnkosten aufgerechnet werden. Häufig passt das nicht“, erklärt er in seinem Antwortschreiben. Vor allem aber seien die Juister wahrscheinlich nicht für die Idee zu begeistern, so der Inselbürgermeister: „Ich vermute, dass die Insulaner selbst diesem Schritt nur eingeschränkt folgen wollen. Es macht meines Erachtens auch nur dann Sinn, wenn es Kostenvorteile hat. Diese sehe ich im Moment noch nicht. Hinzu kommt, dass es auch notwendig ist, das Inselleben zu verstehen. Das sehe ich für Mitarbeiter, die auf dem Festland leben, nicht.“
Kommunale Kooperationen seien grundsätzlich gut und würden in einzelnen Bereichen auch schon umgesetzt; zum Beispiel im Klimaschutz und im Quartiersmanagement, erklärt der Juister Verwaltungschef. Im Quartiersmanagement, wo es darum geht, die Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Entwicklung und Gestaltung ihres Lebensraums zu beteiligen, arbeite Juist mit anderen Inseln zusammen. Eine Personalkooperation mit Norden im Klimaschutz sei während der Projektphase aufgekündigt worden. „Hier wäre es sinnvoll, eine oder zwei inselübergreifende Stellen zu schaffen. Das findet unter den Inseln und mit dem Wattenmeer-Achter teilweise auch schon statt“, so Dr. Tjark Goerges. „Allerdings zeigt sich auch hier, dass die Inseln dabei nicht immer paritätisch behandelt werden können.“ Der Wattenmeer-Achter besteht aus den sieben Ostfriesischen Inseln und der Stadt Norden, die gemeinsam als „Leader-Region im Wattenmeer“ auftreten.
Digitalisierung fördert Zusammenarbeit
Durch die Digitalisierung sei die Zusammenarbeit der Inselgemeinden intensiver geworden. Es gebe inzwischen auch Arbeitskreise für die Bauverwaltungen. „Wir Bürgermeister halten auch immer wieder gemeinsame Videokonferenzen ab. Dort werden die gemeinsamen Themen erläutert und letztlich für jede Insel selbst hoheitlich entschieden.“ Das sei gut so, betont der Juister Bürgermeister, und werde seines Erachtens auch so bleiben.
Aus dem Baltrumer Rathaus waren trotz mehrmaligen Nachhakens keine Antworten von Bürgermeister Harm Olcher auf die Fragen der KURIER-Redaktion zu erhalten. Wobei gerade bei der kleinsten Insel vor der ostfriesischen Küste einiges für eine Partnergemeinde auf dem Festland spricht.