Raus aus dem braunen Mief mit seiner kleingeistigen Kunst
Dieses Bild von Miriam Cahn heißt „einfacher Baum“ und stammt aus dem Jahr 1996. Cahn könnte sinnbildlich stehen für das Anliegen des Sammlers van de Loo: Sie beschäftigt sich mit aktuellen Krisen und Ereignissen, der Verletztlichkeit des Körpers. Sie wurde geprägt von der Friedens- und Frauenbewegung.
Emden Die Kunsthalle Emden feiert dieses Jahr den 100. Geburtstag von Otto van de Loo, einem herausragenden Münchner Galeristen und Sammler, mit einer umfangreichen Ausstellung. Sie ist überschrieben mit „Bilder wie Energiemaschinen“ – und die Kraft dieses Titels lässt erahnen, welchen Einfluss die gesammelte Kunst van de Loos damals hatte – und wie ihr Geist noch immer austrahlt in die zeitgenössische Kunst (10. Februar bis 24. Mai).
van den Loo war eine zentrale Figur der Nachkriegsgeschichte
Van de Loo, der am 9. März 2024 100 Jahre alt geworden wäre, ist nicht nur als einer der großen Stifter der Kunsthalle bekannt, sondern auch als zentrale Figur in der deutschen Kunstszene der Nachkriegszeit. Seine großzügige Schenkung von rund 200 Werken im Jahr 1997 an die Kunsthalle Emden bildet das Herzstück dieser Hommage. Seine Sammlungswerke der 1950er und 60er Jahre gehen fulminante Beziehungen mit denjenigen des klassischen Expressionismus ein, die Henri Nannen zusammengetragen hat und die wesentlich das Profil der von ihm gegründeten Stiftung und Institution der Kunsthalle Emden mitbestimmen.
Nicht nur Galerist, sondern auch Visionär
Otto van de Loo, 1924 geboren, war weit mehr als ein Galerist. Er war ein Visionär, der sich der Förderung der modernen Kunst verschrieb. 1957 eröffnete er seine Galerie in München und wurde schnell zu einem wichtigen Förderer der künstlerischen Strömungen der Nachkriegszeit. Er unterstützte Bewegungen wie das Informel und Gruppen wie CoBrA und SPUR, die entscheidend die Kunstszene prägten. Die Kunst, die van de Loo zu etablieren suchte, wollte nichts Geringeres als dasjenige künstlerisch-liberale Erbe fortzuführen, das durch das „Dritte Reich“ jäh unterbrochen worden war. Mit der Jubiläumsausstellung zu Ehren Otto van de Loos zeichnet die Kunsthalle Emden die Entwicklung der deutschen und europäischen Nachkriegskunst nach.
Er förderte Frauen in einer Männerwelt
Die Jubiläumsausstellung mit dem Titel „Bilder wie Energiemaschinen“ spiegelt den Geist und die Intensität der Werke wider, die van de Loo förderte. Sie konzentriert sich auf Künstlerinnen wie Anna-Eva Bergman, Anja Decker, Judit Reigl und E. R. Nele, die in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren von ihm unterstützt wurden. Diese Fokussierung unterstreicht van de Loos Engagement für die Förderung von Künstlerinnen in einer von Männern dominierten Kunstwelt. Schon früh stellte er diese Künsterlinnen aus; ihre Werke standen in ihrer Qualität denen der männlichen Kollegen in nichts nach.
Van de Loos Schenkung an die Kunsthalle Emden war ein bedeutender Akt, der das Profil der Kunsthalle maßgeblich prägte. Durch die Verbindung von Werken des klassischen Expressionismus, gesammelt von Henri Nannen, mit denen der Nachkriegsmoderne, entstand eine einzigartige Sammlung.
Er wollte die männliche Dominanz in der Kunst brechen
Ein Kernanliegen der Ausstellung ist die Aufwertung der Rolle von Künstlerinnen in der Kunstgeschichte. Van de Loo bemühte sich, Künstlerinnen in seine Sammlungen zu integrieren, konnte jedoch die damalige Dominanz männlicher Künstler nicht vollständig aufbrechen. Die Ausstellung betont die Notwendigkeit, Künstlerinnen wie Miriam Cahn, die in van de Loos Sammlungen prominent vertreten ist, stärker in den kunsthistorischen Kanon zu integrieren. Sie steht exemplarisch für sein Anliegen: Klar verortet in der aktivistischen Kunst der Nachkriegszeit.
Herausfordernd, provokant
Durch eine Vielzahl von Archivalien, darunter Korrespondenzen und Dokumente, bietet die Ausstellung einen tiefen Einblick in die Kunstszene der 1950er und 1960er Jahre. Diese Dokumente illustrieren van de Loos Rolle als Befürworter einer herausfordernden und oft provokativen Kunst.
Die Ausstellung präsentiert eine beeindruckende Liste von Künstlern, darunter Pierre Alechinsky, Karel Appel, Jean Dubuffet, Asger Jorn und Antonio Tàpies. Diese Vielfalt zeigt van de Loos Engagement für eine breite Palette künstlerischer Ausdrucksformen und unterstreicht seinen Einfluss auf die Kunstgeschichte.
Otto van de Loo war ein Pionier, dessen Einfluss weit über die Grenzen seiner Galerie hinausreicht. Die Ausstellung ist nicht nur eine Würdigung seines Lebens und Schaffens, sondern auch ein lebendiges Zeugnis seiner Bedeutung für die Kunstgeschichte.
Plattform für Diskussion und Reflexion
Die Ausstellung ist eine einmalige Gelegenheit, die Tiefe und Breite von van de Loos Einfluss auf die Kunstwelt zu erleben. Darüber hinaus bietet die Ausstellung eine Plattform für Diskussionen und Reflexionen über die Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Sie regt dazu an, über die Verantwortung von Galeristen und Sammlern in der Kunstwelt nachzudenken und wie diese das kulturelle Erbe prägen.
Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Führungen und Diskussionsrunden ergänzt die Ausstellung. Experten aus verschiedenen Bereichen der Kunstwelt werden eingeladen, um über die Bedeutung von van de Loos Werk und über die Entwicklungen in der Kunstszene seit den 1950er Jahren zu sprechen.
Noch heute Einfluss auf junge Künstler
Die Ausstellung wirft auch ein Licht auf die heutige Kunstszene und zeigt, wie van de Loos Einfluss bis in die Gegenwart spürbar ist. Zur Ausstellung wird ein umfangreicher Katalog veröffentlicht, der nicht nur die ausgestellten Werke, sondern auch Essays und Artikel über van de Loo und sein Wirken enthält.
Die Ausstellung „Otto van de Loo: Ein Jahrhundert des künstlerischen Muts und Engagements“ in der Kunsthalle Emden ist eine Würdigung eines Mannes, der die Kunstszene Deutschlands maßgeblich geprägt hat.
Liste der Künstler:
Pierre Alechinsky, Karel Appel, Anna-Eva Bergman, Miriam Cahn, Constant, Anja Decker, Jean Dubuffet, Lothar Fischer, Pinot Gallizio, Asger Jorn, Alfred Kremer, Henri Michaux, E. R. Nele, Hans Platschek, Carl-Henning Pedersen, Heimrad Prem, Arnulf Rainer, Judit Reigl. Antonio Saura, K. H. Sonderborg, Helmut Sturm, Antonio Tàpies, Wolf Vostell, Maurice Wyckaert, H. P. Zimmer.