Wind und Wellen heben tonnenschwere Schiffe auf die Kaimauern: Die erste Sturmbilanz

Von Stefan Bergmann

Die Bilanz nach der ersten Orkannacht mit „Zoltan“ fällt durchwachsen aus: Sehr große Schäden gab es nicht. Zwei Schiffe wurden auf Land gespült. Züge fahren nicht. Für Freitag wird eine Sturmflut erwartet.

Die SFL Composer, ein 200 Meter langer Autocarrier, wurde in der Nacht in Emden auf die Kaimauer gehoben. Sie wurde am Morgen freigeschleppt.

Mit Material von dpa

Ostfriesland Spektakuläre Szenen am Morgen nach der ersten Orkan-Nacht in Ostfriesland. Wind und Wellen haben den 200 Meter langen Autocarrier SFL Composer auf die Kaimauer gedrückt. Mit Schleppern wurde er wieder freigezogen, die Höhe der Schäden ist noch unbekannt. Der Carrier fährt unter der Emder Lauterjung Reederei. Noch am Tag zuvor war das Schiff von der Stadt Emden als „Weihnachtsschiff“ auserkoren worden. Oberbürgermeister Tim Kruithoff und Reeder Kay Lauterjung überbrachten der Mannschaft Geschenke.

In Neuharlingersiel hat der Sturm die Fähre Spiekeroog II auf die Reede gesetzt. Das ein Schiff völlig auf dem Trockenen liegt, ist eher selten zu sehen. Eindrucksvoll das Bild aus dem Schiffs-App dazu.

Die Fähren nach Norderney, Juist und Baltrum fallen am Freitagvormittag aus, ab Nachmittag soll alles nach Plan laufen.

Hochwasser auch auf den Inseln

Auf Norderney - und entlang der gesamten Küste - wurden die Deichscharten geschlossen. Auf Norderney hatte der Fahrer eines DHL-Paketautos besonderes Pech. Er ignorierte offenbar die Warnungen des Deutschen Wetterdienst, tiefgelegene Flächen zu meiden. Er schloss sein Auto trotzdem zum Laden an - und fand es am Morgen mitten im Wasser stehend wieder.

In Greetsiel paddelten die Fischer zu ihren Kuttern um die Leinen zu fieren. Aufgrund des Hochwasser waren sie zu kurz geworden.

Die übrigen Schäden in Ostfriesland hielten sich in Grenzen. Ein Wartehäuschen an der Strecke der Museumseisenbahn Küstenbahn Ostfriesland in Großheide wurde vom Wind angehoben umgekippt.

Der Bahnverkehr in Norddeutschland war bis in den späten Abend gestört. „Sämtliche Einsatzkräfte sind in Bereitschaft versetzt“, sagte ein Bahnsprecher. „Großgeräte und Reparaturfahrzeuge haben wir zusammengezogen, damit wir – falls erforderlich – schnellstmöglich umgefallene Bäume beseitigen oder Äste aus der Oberleitung entfernen können.“

Keine Besserung am Freitag erwartet

Für Freitag war zunächst noch keine Besserung der Lage in Sicht: Der Deutsche Wetterdienst rechnet für die Nord- und Ostseeküsten für den Vormittag mit Böen mit einer Geschwindigkeit von 90 bis 110 Kilometern pro Stunde, auch noch stärkere Orkanböen sind demnach möglich.

Am Donnerstag erreichte das Abendhochwasser in Emden 2,06 Meter über dem mittleren Hochwasser, in Bremerhaven 1,99 Meter und in Cuxhaven 1,95 Meter, wie ein Sprecher des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mitteilte. Für Ostfriesland warnte das BSH vor einer schweren Sturmflut, der Wasserstand könnte am Freitagmorgen auf 2,50 Meter ansteigen. Ab einem Wasserstand von 2,5 Metern über dem mittleren Hochwasser gilt eine schwere Sturmflut.

Wieder: Der Bahnverkehr liegt weitestgehend brach

Die Deutsche Bahn rechnet auch für Freitag noch mit Einschränkungen im Personenverkehr. „Teilweise können Beschädigungen erst bei Tageslicht abschließend beurteilt werden“, teilte ein Sprecher mit. „Schon jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass die Schäden erheblich sind und Einschränkungen für die Fahrgäste mindestens den morgigen Tag über andauern.“ Sämtliche Räumtrupps der DB seien mit Reparaturfahrzeugen unterwegs, um Bäume aus Gleisbereichen zu beseitigen und Oberleitungen zu reparieren.

Einschränkungen zwischen Norddeich-Mole und Emden

Einschränkungen durch Sturmschäden gab es laut der Bahn zum Beispiel auf den Strecken Kiel-Hamburg-Bremen-NRW, Norddeich Mole-Emden-Rheine-Münster und Magdeburg-Hannover-Bremen-Leer-Emden-Norddeich Mole. In Marienhafe, Norden, Norddeich und Norddeich Mole halten aktuell keine ICE- und IC-Züge. Auch der Regionalverkehr war betroffen. Die Zugbindung wurde für Donnerstag aufgehoben. Fahrgäste könnten ihr Ticket an einem späteren Tag nutzen. Die DB verwies allerdings darauf, dass die Züge im Fernverkehr wegen der bevorstehenden Weihnachtstage bereits sehr stark ausgelastet seien.

Hochwasserwarnung für das ganze Land

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz sprach für ganz Niedersachsen eine Hochwasserwarnung aus. Vielerorts würden erste Flüsse über die Ufer treten und forst- und landwirtschaftliche Flächen überschwemmen. Aufgrund des niederschlagsreichen Herbstes seien die Böden stark gesättigt und könnten kaum noch Wasser aufnehmen. Nach derzeitiger Wettervorhersage sei mit einer Verschärfung der Lage über die Weihnachtsfeiertage zu rechnen. Ein großes Hochwasser mit Überschwemmungen von Grundstücken, Straßen oder Kellern sei möglich.