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14. Februar 2025, 10:03 Uhr

Norderneys Inselpastor Stephan Bernhardt im Interview

„Ich kenne Gott nicht besser als andere, nur weil ich Pastor bin.“

Lesedauer: ca. 3min 54sec
Übt seinen Traumberuf aus: Pastor Stephan Bernhardt vor der Inselkirche. Foto: Privat

Übt seinen Traumberuf aus: Pastor Stephan Bernhardt vor der Inselkirche. Foto: Privat ©

Norderney Stephan Bernhardt ist seit nun bereits 14 Jahren auf Norderney und kümmert sich mit seiner Frau Verena, ebenfalls Pastorin, um alle Belange der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde auf der Insel. Geboren im bayerischen Bobingen, studierte der 47-Jährige in Heidelberg, bevor er seine erste Pastorenstelle im Kirchkreis Nienburg/Weser antrat. Seit 2011 ist er in der Kirchengemeinde Norderney tätig.

Herr Bernhardt, Sie sind mittlerweile seit 14 Jahren Inselpastor. Gibt es im Vergleich zu einer gleichen Stelle auf dem Festland prägnante Unterschiede?

Meine Frau und ich sind sehr gern gerade hier im Pfarramt tätig. Einheimische und Gäste nehmen die kirchlichen Angebote wahr. So wächst die Gemeinde in der Saison stark an und es sind immer wieder neue Gesichter dabei. Wir wollen einerseits den Insulanern einen Ankerplatz für den inneren Menschen bieten. Die Gelegenheit, in Gruppen und Kreisen mal tiefer ins Gespräch zu kommen, wird dankbar genutzt. Zugleich sind wir für die Gäste da, die nicht nur körperliche Erholung, sondern auch Nahrung für die Seele suchen. Das ist so abwechslungsreich, dass ich noch nie das Gefühl hatte, mein Job würde sich in Routine erschöpfen.

Weil die Kirche auf Urlaubsinseln stark gefragt ist, ist hier auch kulturell einiges los: Kantorin Gudrun Fliegner leitet Chöre, deren feste Mitglieder ja auch auf der Insel leben. Sie gestalten mit viel Freude an der Musik einen großen Teil des Gemeindelebens. Gäste können sich in diesem Bereich ebenso aktiv an vielen Stellen ins Programm einbringen.

Hier auf der Insel spüre ich immer wieder, dass Kirche lebt und gebraucht wird. Und ich schätze es besonders, in einem so engagierten Team arbeiten zu dürfen.

Was sind die positivsten Augenblicke in Ihrem Job und welche mögen Sie überhaupt nicht?

Menschen an den bedeutsamen Punkten ihres Lebens zu begleiten, empfinde ich als erfüllende Aufgabe: Bei einer Taufe die Freude über ein neues Leben zu teilen, bei einer Trauung für das Paar um Gottes Segen für den gemeinsamen Weg zu bitten, für Trauernde da zu sein und sich mit ihnen auf die Suche nach Halt und neuer Hoffnung zu begeben. Es macht mich auch glücklich, wenn ich erlebe oder dazu beitragen darf, dass in Gruppen und persönlichen Gesprächen Menschen einander wirklich zuhören und dadurch manche Dinge mit anderen Augen sehen. Zeit, die ich hierfür aufbringe, ist immer am besten investiert. Natürlich gehört auch viel Organisationsarbeit zu meinem Beruf. Das muss eben sein. Aber es soll ja letztlich alles für eine gute Sache geschehen. Ich würde sogar sagen für die beste Sache: fürs Evangelium, Gottes gute Botschaft an uns Menschen.

Es heißt, die Teilnehmerzahl an Gottesdiensten halbiere sich alle zehn Jahre. Wie sieht diese Situation auf der Insel aus und muss man Gläubige „werben“.

Das kann ich zum Glück von hier so nicht bestätigen. Die Gottesdienste sind sehr gut besucht. Natürlich verdanken wir das vor allem den Gästen, aber wohl auch dem Umstand, dass hier in vielen verschiedenen Formen Gottesdienst gefeiert wird: Naturliebhaber feiern in den Sommermonaten in der Waldkirche, aber auch am Strand oder sogar im Watt Gottesdienst. Motorradfreunde finden sich zu diesem Zweck einmal im Jahr am Hafen zusammen und legen dann ihre Helme in Form eines Kreuzes auf den Boden. Kinder feiern in der Kita und auch beim Kinderfrühstück Gottesdienst. Und für Jugendliche beginnt der Jugendtreff mit einer Andacht. Es gibt den „Gute-Nacht-Segen“ und die Zehnminutenandacht: Die Vielfalt ist groß. Offene Türen und Herzen sind vielleicht die beste „Werbung“.

Klimawandel, Kriege, Depressionen. Wie gehen Sie mit Aussagen um nach dem Motto: „Das kann Gott doch nicht gewollt haben“?

Zum Nachdenken hat mich dazu kürzlich wieder eine kleine Geschichte gebracht, die ich gelesen habe. Zwei Männer sitzen auf einer Bank im Park. Fragt der eine: „Wenn du Gott eine Frage stellen könntest, was würdest du ihn fragen?“ Sagt der andere: „Warum Gott all das Leid auf dieser Welt zulässt!“ Darauf der erste: „Und warum machst du es nicht?“ – „Weil ich Angst habe, dass er mich das Gleiche fragt“.

Darin steckt die Einsicht: Nicht jedes Unglück ist „gottgegeben“. Gegen vieles können wir angehen: Gegen ungerechte Zustände, gegen die Zerstörung der Natur, gegen Hass und Ausgrenzung – meist nur in kleinen Schritten und mit dem Gefühl, machtlos zu sein. Und doch stehen diese Schritte in unserer Macht und wir gehen sie gemeinsam, auch in unserer Gemeinde.

Das ist aber nur die eine Seite. Ich kenne Gott nicht besser als andere, nur weil ich Pastor bin. Das Leid, für das niemand etwas kann, kann niemand erklären. Wichtig ist mir der Glaube geworden, dass wir als Menschen damit nicht allein gelassen werden. Wo wir Gott nicht verstehen, ist er uns vielleicht näher, als wir denken. Mir hilft das Vertrauen: Gott liebt uns Menschen. Er trägt uns sogar durch Leid und Tod hindurch ins Leben. Das zeigt die immer wieder faszinierende Geschichte von Jesus Christus.

Die katholische und die evangelische Kirche in Niedersachsen haben eine Kampagne zur Bundestagswahl gestartet. Zieht Norderney da mit und wie politisch darf Kirche generell sein?

Die kirchliche Aktion, die dazu aufruft, Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt zu wählen, finde ich sehr gelungen. Diese Wahlplakate der etwas anderen Art hängen auch in unseren Schaukästen. Die Kirche ist nicht weltfremd. Wo diese drei Säulen bröckeln, auf denen unsere Gemeinschaft und Demokratie ruht, ist es unsere Aufgabe, darauf hinzuweisen.

Hätte es eine Alternative zu Ihrem Beruf als Pastor gegeben?

Ich habe mich früh in diese Richtung orientiert. Ich kann wirklich sagen: Ich übe meinen Traumberuf aus.

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