52-Jährige zündet Norder Klinik an - und ist trotzdem wieder in Freiheit
Gott und ihre Mutter habe Ihr den Auftrag gegeben: Eine Frau mit paranoider Schizophrenie hatte 2022 Feuer in der Klinik gelegt. Seitdem wird sie in der Psychiatrie betreut. Das Landgericht ließ sie jetzt frei. Aber Streichhölzer dürfe sie nicht mehr besitzen.
Lesedauer: ca. 2min 49secNorden Die 52-jährige Patientin, die am 29. Oktober 2022 in ihrem Zimmer in der Psychiatrischen Station der Ubbo-Emmius-Klinik in Norden Feuer legte, hat „die Tat ohne Schuld begangen“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer vor dem Landgericht Aurich. Die Beschuldigte leidet seit 25 Jahren an einer paranoiden Schizophrenie und ist damit einsichts- und schuldunfähig. Das Landgericht ordnete die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, setzte diese Maßnahme zur Sicherung und Besserung aber zur Bewährung aus.
„Die Prognose ist bedenklich“
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Die Prozessbeteiligten standen vor einem Dilemma und schwierigen Entscheidungen. Zum einen waren sie der Sicherheit der Allgemeinheit vor weiteren Gefahren verpflichtet. Denn der psychiatrische Sachverständige Egbert Held stellte der Frau eine ungünstige Prognose aus. „Die Gesamtprognose ist bedenklich, auch was das Legen von Bränden anbelangt.“
Mit dem Feuer wollte die Beschuldigte mit Sicherheit keinem der übrigen Patienten oder Beschäftigten schaden. „Sie meint, Gott und ihre Mutter hätten ihr den Auftrag gegeben, die Welt zu retten“, erklärte der Sachverständige. Ein Mittel sähe die Frau darin, Feuer zu legen. „Das Thema Religion spielt eine Riesenrolle“, fuhr der Gutachter fort. „Das zieht sich seit 25 Jahren wie ein roter Faden durch.“
Sie wollte die Reichen bestrafen
Ein Bibelvers war denn auch der Auslöser für die versuchte besonders schwere Brandstiftung. Die 52-Jährige hatte kurz zuvor in der Bibel gelesen: „Die Reichen fressen die Armen“. Sie wollte die Reichen bestrafen. Zu den Reichen zugehörig sah sie auch das Krankenhaus.
So zündete sie ihr Kopfkissen an und verließ ihr Zimmer. Glücklicherweise wurde nur das Zimmer beschädigt. Es entwickelte sich auch dank des schnellen Eingreifens der Feuerwehr kein größerer Brand, der auf andere Gebäudeteile übergriff. Aber es mussten zahlreiche Patienten evakuiert werden. Das Zimmer war monatelang nicht bewohnbar. Der Schaden belief sich am Ende auf 20.000 Euro.
Die Allgemeinheit schützen - und der Erkrankung Rechnung tragen
Die schwierige Frage war für das Gericht, welche Entscheidung in diesem Fall die richtige war. Denn es galt nicht nur, die Allgemeinheit zu schützen, sondern auch der psychischen Erkrankung und den Bedürfnissen der Beschuldigten Rechnung zu tragen.
Rein rechtlich lagen die Voraussetzungen für die Unterbringung in der forensischen Psychiatrie vor. Aber die 52-Jährige ist seit der Brandlegung in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie untergebracht. Dort hat sie ihre geschützte und vertraute Umgebung und ebenso vertrautes Personal um sich, das sie gut kennt. „Sie ist momentan im besten Zustand seit den 25 Jahren, in denen ich sie kenne“, meinte der ehemaligen Leiter der Norder Psychiatrie Egbert Held. Auf Betreiben ihres Betreuers wird die Beschuldigte auch die nächste Zeit in der Norder Klinik und damit im vertrauten Umfeld bleiben. Die Unterbringung in einer Forensik könnte einen erheblichen Rückschlag für ihren Krankheitsverlauf darstellen, gab der Sachverständige zu bedenken.
Es mangelt ihr an Krankheitseinsicht
„Eine andere Variante wäre, die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen“, ergänzte der Gutachter. „Aber die Beschuldigte ist bewährungsunfähig, Ein Rückhalt während wahnhafter Episoden wäre nicht gegeben.“ Außerdem mangele es ihr ja auch an Einsichtsfähigkeit und Krankheitseinsicht.
Dennoch entschied sich die Kammer zu diesem Schritt und verhängte strenge Auflagen, die zunächst für die fünfjährige Bewährungszeit und die anschließende Führungsaufsicht gelten. So muss sie die Anweisungen ihres Betreuers bezüglich des Aufenthaltsrechts folgen, ihre Medikamente einnehmen und darf keine Feuerzeuge, Streichhölzer oder ähnliche Mittel, die Feuer entfachen können, bei sich führen oder besitzen. „Wir müssen dann schauen, wie es in Zukunft ist. Sollte es nicht funktionieren, müsste die Kammer entscheiden, ob die Berufung widerrufen wird.“