52-Jähriger aus Wittmund erhält hohe Haftstrafe unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung
Kein einziges Wort der Reue - Empathie ist für ihn wohl ein Fremdwort
Lesedauer: ca. 2min 49secEin 74-jähriger Rentner versuchte sich im September vergangenen Jahres in Esens das Leben zu nehmen. Es war ein Akt der Verzweiflung, weil er seit Jahren von einem 52-jährigen Mann aus Wittmund um Geld erpresst wurde. Vor seinem Peiniger ist der Rentner vorerst sicher. Denn das Landgericht Aurich verurteilte den Wittmunder wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, gewerbsmäßiger Erpressung in sechs Fällen sowie wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Täter zeigt keinerlei
Mitgefühl
„Wie viel muss passiert sein, wie viel Leid muss dahinterstecken, wenn man sich ein Messer in den Bauch rammt? Es war kein Hilferuf. Er wollte nur, dass es aufhört“, beschrieb Richterin Karsta Rickels-Havemann den Hintergrund des Suizidversuchs. Dieser geschah vor den Augen des Angeklagten. Doch der stieg nur über das Opfer hinweg und verließ das Haus. Einen Notarzt zu rufen, das kam ihm nicht in den Sinn. „Sein Verhalten lässt Empathie völlig vermissen“, stellte die Vorsitzende fest.
Warum die Situation für den Esenser so ausweglos erschien, erläuterte Staatsanwalt Hendrik Buskohl in seinem Plädoyer mit viel Empathie. Das Opfer sei nach dem Krieg in einem Dorf aufgewachsen. „Es war sicher nicht unbeschwert, denn er war homosexuell. Das wurde nicht nur von der Bevölkerung verachtet, sondern war zudem noch strafbar“, erläuterte der Staatsanwalt.
Geheimnis selbst vor dem
eigenen Bruder
Sein ganzes Leben lang hielt der Rentner seine sexuelle Orientierung geheim, auch vor seinem Bruder, dem er ansonsten sehr vertraute. Dann trat der Angeklagte in das Leben des 74-Jährigen. Man fand sich sympathisch. Der Angeklagte bat den Rentner immer wieder um Geld, das er angeblich für seine in Syrien lebende Familie brauchte.
Irgendwann kam es zwischen den beiden Männern zu sexuellen Handlungen. Und damit begann das Martyrium des Esensers. Denn der Angeklagte drohte dem 74-Jährigen, dessen sexuelle Orientierung vor den Nachbarn zu offenbaren und ließ sich sein Schweigen bezahlen. Vor Gericht behauptete der Wittmunder, er sei spielsüchtig und habe deswegen Geld gebraucht. Der psychiatrische Sachverständige konnte keine pathologische Spielsucht erkennen und attestierte dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit.
Bereits 2019 war der Wittmunder wegen versuchter Erpressung des Rentners vom Amtsgericht Wittmund zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Weil er damit nicht aufhörte, wurde die Bewährung widerrufen. Auch der Haftaufenthalt beeindruckte den Angeklagten offensichtlich nicht. Er machte immer weiter und erleichterte den Rentner um seine gesamten Ersparnisse. Selbst als der Rentner nach dem selbst zugefügten Bauchstich noch im Krankenhaus lag, hatte der Angeklagte nichts Besseres zu tun, als einen Brief mit weiteren Geldforderungen in den Briefkasten des Opfers zu werfen.
Der Staatsanwalt kam zu der Auffassung, dass mindestens einmal pro Monat die erpresserischen Drohungen zu Geldübergaben führten. Die Kammer konnte aber nicht ausschließen, dass der Rentner in einigen Fällen auch freiwillig Geld gab. Deshalb blieb das Gericht mit der Freiheitsstrafe von fünf Jahren auch ein Jahr unter dem Antrag des Staatsanwalts.
Einig war man sich aber darin, dass es nichts gab, was zugunsten des Angeklagten ins Feld geführt werden konnte. „Ich wollte das letzte Wort des Angeklagten mit der Entschuldigung und Reue anführen, aber die weiteren Ausführungen haben alles wieder zunichte gemacht“, sagte Richterin Rickels-Havemann. Denn nach entschuldigenden Worten verfiel der Angeklagte wieder in das Muster, sich als das Opfer darzustellen. „Wenn der Rentner mir geholfen hätte, meine Sucht zu beenden, wäre es genau das Richtige gewesen, statt mir Geld zu geben“, beklagte der Angeklagte. Was er dem Rentner finanziell, vor allem aber psychologisch angetan hat, schien ihm völlig egal zu sein.