Bei Fangverboten wollen die Grünen „mit Augenmaß vorgehen“
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke aus Leer sagt Küstenfischern Hilfe zu im Kampf gegen die EU. Doch schützen will der die Nordsee trotzdem.
Lesedauer: ca. 2min 52secGreetsiel Der Grünen-Bundestagsabgeordnete surrte mit einem Elektroauto heran. Italiener, Fiat 500, nur 300 Kilometer Reichweite. „Reicht für mich“, sagt Julian Pahlke und wendet sich wieder den Fischern zu.
An diesem Montag in Greetsiel ist er Gerold Conradi ins Netz gegangen. Unermüdlicher Vorkämpfer für freies Fischen.
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Grüne und Fischer – eine nicht ganz unproblematische Kombination. Fast so schwierig wie Grüne und Landwirte. Aber das Thema scheint durch zu sein.
Treffpunkt bei Kaffee und Schokokeksen war die Privatwohnung von Conradi, direkt im schmucken Greetsieler Hafen. Die Krabbenkutter dümpelten vor sich hin. Winterpause. In der Küche gleich nebenan ging es heiß her.
„Wir brauchen Sicherheit“
„Wir brauchen Sicherheit“, sagt Gerold Conradi und meint damit vielerlei: Sicherheit, dass man auch nach 2030 noch fischen darf. Sicherheit, dass man beim Weg zu einer CO2-neutralen Fischerei ordentlich unterstützt wird vom Bund, Sicherheit, dass Banken Kredite finanzieren. Und dann fallen noch Mittel weg, die der Bund aus der Versteigerung von Flächen für Offshore-Windkraftflächen erlöst hat und den Fischern zugute kommen lassen wollte. Doch der Protest der Landwirte erzielte eine Umverteilung. Von ursprünglich 670 Millionen Euro blieben nur 109 übrig. Wie sollen darauf umweltfreundliche Zukunftsprojekte bei den Fischern finanziert werden?
Alles hängt mit allem zusammen.
Das Damokles-Schwert wird von der EU-Kommission geschwungen: Ab 2030 sollen die EU-Staaten die Grundschleppnetzfischerei in der Nordsee verbieten, weil sie nach Ansicht von Naturschützern den Meeresboden umpflügt und damit zerstört. Und weil 2030 schon bald ist, bewilligt derzeit keine Bank einen Kredit für einen neuen Kutter. Und es macht auch keinen Sinn, einen Kutter zu entwickeln, der nicht mit Diesel fährt, sondern CO2-neutral, beispielsweise mit Methanol.
Julian Pahlke war sichtlich in der Zwickmühle. Als Gründer muss er hinter den Umweltschutzverbänden stehen. Doch als grüner Ostfriese, außerhalb der Berliner Blase, kommt er den Fischern entgegen. „Es sind sehr kleine Familienbetriebe und keine Konzerne. Die europarechtlichen Vorgaben treffen auch mal Betriebe, die gar nicht gemeint waren. Natürlich müssen wir das Unesco-Weltnaturebene Wattenmeer schützen, aber wir müssen doch sehen: Wer fischt denn wirklich die Nordsee leer?“ Man müsse mit Augenmaß vorgehen.
Die Rolle von kleinen Fischereibetrieben werde dabei weit überschätzt. „Ich würde mir wünschen, dass wir es schaffen, einen Weg zu finden, der solche kleinen Betriebe weiter ermöglicht“, sagt er.
Das Netz lässt Fische herausschwimmen
Gerold Conradi und sein Berufskollege Siegfried Looden wühlen dabei mit den Händen in einem großen Netz, zeigen dem Politiker die Funktionsweise. Beispielsweise, wie durch ein trichterförmiges Innennetz mit Auslass am Ende unerwünschte Fische („Beifang“) wieder ins freie Wasser geleitet werden, während Krabben hängen bleiben. „Die gesamte Politik ist gefragt, wenn es mit uns nach 2030 weitergehen sollt. Und das darf nicht erst im Jahr 2029 entschieden werden“, sagt Conradi.
Das geht an Pahlke, aber auch an Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die es in der Hand hat, eine Umsetzung des von der EU geforderten Fangverbotes zu beschleunigen, zu verzögern oder auch ganz abzulehnen. Pahlke hofft, dass Steffi Lemke auf ihre Partei hört. „Ich weiß, dass die große Mehrheit unserer Partei die Dinge so sieht wie ich. Unser großes Ziel ist es, die Küstenfischerei zu schützen und trotzdem einen substanziellen Beitrag zum Schutz des Wattenmeeres zu erzielen.“
Damit hat Conradi die Grünen auf seine Seite gebracht, könnte man meinen. Doch er zweifelt immer noch.
„Ich sehe eine Zukunft in der Fischerei, wir wollen den CO2-neutralen Kutter, wir wollen etwas verändern und Betriebe haben für unsere jungen Fischer“, sagt er erneut in Richtung Pahlkes.
Ein neuer umweltfreundlicher Kutter kostet knapp drei Millionen Euro.
Geld, das kein Fischer hat. Aber die Bundesregierung.