Buchautorin warnt an der KGS Hage vor Loverboys
Die ehemalige Spiegel-Redakteurin Barbara Schmid schildert an der KGS Hage die wahre Geschichte eines Opfers
Lesedauer: ca. 3min 17secHage Am Ende der Doppelstunde gab es viel Lob von Schülerinnen und Schülern der neunten Jahrgangsstufe der Kooperativen Gesamtschule Hage für die ehemalige Spiegel-Redakteurin und Autorin Barbara Schmid, die Passagen aus ihrem Buch „Schneewittchen und der böse König“ vorgelesen und sie über die Maschen der Loverboys aufgeklärt hatte. „Das Buch ist spannend“, fand eine Schülerin. Ähnlich gebannt lauschten auch die Jungen und Mädchen der Jahrgangsstufe sieben, und auch sie hatten zahlreiche Fragen. Besonders interessierten sie die Fußfesseln, die Katharinas ehemaliger Zuhälter tragen muss, nachdem er neun Jahre im Gefängnis verbracht hat – nach Ansicht einer Zuhörerin viel zu wenig. Er stellt immer noch eine Gefahr für sein ehemaliges Opfer dar.
Vor dem Schicksal von Katharina M., die in Wirklichkeit ganz anders heißt, möchte Schmid die jungen Mädchen bewahren, denen sie Katharinas Lebensgeschichte erzählt. „Kein Mann der Welt ist es wert, dass ihr für ihn anschafft“, warnte sie die Jungen und Mädchen. Die sogenannten Loverboys, die meist zwischen 18 und 20 Jahre alt sind, hätten es vor allem auf schüchterne junge Mädchen abgesehen, die noch niemals eine Beziehung hatten, und legten es darauf an, ihr Opfer von der Familie und dem Freundeskreis zu isolieren, bis es ihnen schließlich völlig ausgeliefert ist.
Elf Jahre im Bordell
So ging auch Katharinas Reitlehrer Heinz vor, der sogar älter ist als ihr Vater. Er überredete sie dazu, das Elternhaus zu verlassen und im Bordell zu arbeiten, um ihren gemeinsamen Traum von einem Reiterhof zu verwirklichen. Damit hatte er sie geködert. Tatsächlich verbrachte sie elf Jahre im Rotlicht-Milieu, ohne eine Pause, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Rundfunk und Fernsehen. In dieser Zeit musste sie insgesamt 25000 Männer ertragen, was ihrem Zuhälter rund eine Million Euro einbrachte. Er versprach ihr auch eine Ferienwohnung und eine Kreuzfahrt – von ihm bekommen hat sie jedoch nur Schläge und lebensbedrohliche Verletzungen. Von ihrem Geld kaufte er eine ehemalige alte Brauerei mit Gästezimmern, in denen er unter ihrem Namen ein Bordell einrichtete. Dort arbeitete sie unter anderem als Prostituierte, Tänzerin, Putzfrau und Buchhalterin.
Dank einer Lehrerin, der es gelungen war, Kontakt zu ihr aufzubauen, konnte sie schließlich gerettet und in ihre Familie, die jahrelang vergeblich nach ihr gesucht hatte, zurückgeführt werden – schwer verletzt und stark traumatisiert. Außerdem war sie alkoholabhängig, denn sie konnte den unmenschlichen Alltag im Bordell nur mit Unmengen von Wodka, Prosecco und Bier überstehen; bis heute ist sie in psychiatrischer Behandlung. Während der Zeit, die sie als Sexsklavin verbracht hatte, studierten ihre ehemaligen Freundinnen und gründeten Familien. Mit inzwischen 40 Jahren ist sie immer noch solo und vermutlich wird sich ihr Kinderwunsch nie erfüllen. Immerhin hat sie inzwischen eine Ausbildung als Steuerfachgehilfin absolviert und büffelt derzeit für die Steuerberaterprüfung.
Gegen Sexkauf
Mit den Jungen und Mädchen der Jahrgangsstufe 9 sprach Schmid auch über die deutsche Prostitutionsgesetzgebung. So ist Sexkauf seit 2001/2002 nicht mehr sittenwidrig. Das bedeutet, dass Zuhälter und Bordellbetreiber nur dann gerichtlich belangt werden können, wenn das Opfer gegen sie aussagt, was sich die wenigsten trauen. Aus diesem Grund hat die Lehrerin Katharina gebeten, ihr in Briefen ihre Situation zu schildern, um eine Handhabe gegen Heinz zu haben. Ihre Schwester ist gar Polizistin geworden, um ihr zu helfen und war bei ihr im Krankenhaus, als sie von Heinz zum letzten Mal zusammengeschlagen worden war. Anders als in der Vergangenheit sagte Katharina diesmal auch bei der Polizei und vor Gericht gegen ihn aus, sodass er verurteilt werden konnte.
Das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 hat die Situation der Frauen im Rotlichtmilieu, die zu 90 Prozent Zwangsprostituierte sind, kaum verbessert. „Frauen in der Prostitution werden immer wieder gedemütigt, sie verlieren ihre Würde“, erläutert Schmid. Sie setzt sich deshalb für das Nordische Modell ein, das 1999 erstmals in Schweden eingeführt wurde. Dort ist Sexkauf verboten, werden Freier bestraft, während Prostituierte straffrei bleiben. „Es lohnt sich für Menschenhändler nicht, Frauen in ein Land zu bringen, wo ein Sexkaufverbot herrscht“, sagt die Journalistin. Sie hofft daher, dass diese Gesetzgebung möglichst bald auch in Deutschland umgesetzt wird, wo alljährlich Hunderttausende von Frauen aus armen Ländern in den Bordellen landen. „Sie können nicht zur Polizei gehen, wenn sie illegal sind – dann droht ihnen die Abschiebung“, schilderte Schmid die ausweglose Situation vieler Frauen vor den Neuntklässlern. „Das ist ein krankes System.“