CO2-frei nach Norderney - Wie funktioniert die neue Elektrofähre?
Die Insel Norderney wird künftig CO2-frei per Schiff erreichbar sein. Die Reederei Norden-Frisia stellt einen elektrisch betriebenen Katamaran als Seeschiff in den Dienst - ein Novum in Deutschland.
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Der neue E-Katamaran der Reederei Norden-Frisia liegt im Hafen der Insel Norderney. Der Katamaran soll voraussichtlich im April als erstes rein elektrisch betriebenes Seeschiff unter deutscher Flagge den Fährverkehr zwischen Norderney und Norddeich. © Volker Bartels/dpa
Norddeich Das eigene Elektroauto am Festland parken und dann elektrisch per Fähre weiter zum Urlaub auf die Nordseeinsel? Eine solche klimaneutrale Anreise soll schon bald für Gäste der ostfriesischen Insel Norderney möglich sein. Dafür stellt die Reederei Norden-Frisia eine neue Personenfähre, einen elektrisch betriebenen Katamaran, samt Ladeinfrastruktur in Dienst. Jetzt hat die Reederei das Schiff und die Technik vorgestellt.
Was ist das besondere an dem Schiff?
Der E-Katamaran ist das erste rein elektrisch betriebene Seeschiff unter deutscher Flagge, teilt die Reederei mit. Das bestätigen auf Anfrage auch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft (BG Verkehr). Angetrieben werden die zwei Schiffspropeller allein über Elektromotoren.
Zu einem Pilotvorhaben für die Nordseeküste wird das Projekt auch durch die Komponenten: Neben dem batteriebetrieben Schiff wurde auch eine eigene Ladeinfrastruktur und eine Stromerzeugung am Hafen in Norddeich aufgebaut.
Woher kommt der Strom für das Schiff?
Der kommt vor allem aus Solarstrom, den die Reederei selbst produziert, und aus dem Stromnetz. Die Reederei hat langfristig das Ziel, einen geschlossenen Kreislauf aus Stromproduktion und Stromverbrauch zu schaffen. Dazu wurden in den vergangenen Jahren viele Gebäudedächer der Reederei mit Photovoltaik ausgestattet. Zudem wurde auf einem großen Autoparkplatz am Norddeicher Hafen 600 Stellplätze mit Solaranlagen überdacht.
Anders als für das Aufladen eines E-Autos werden in der Schifffahrt aber viel höhere Ladeleistungen benötigt. Daher wurde ein spezielles Schiffsbatterie-Ladesystem auf einem Ponton am Hafenanleger installiert. Dieser Ladeponton übernimmt die Funktion einer Wallbox wie bei einem Elektroauto.
Den Jahresverbrauch des E-Katamarans kalkuliert die Reederei auf rund 920.000 Kilowattstunden (kWh). Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresstromverbrauch einer vierköpfigen Familie in einem Einfamilienhaus liegt bei 4.000 bis 5.000 Kilowattstunden.
Welchen Vorteil bietet die Elektrofähre für die Fahrgäste?
Passagiere sind mit dem E-Katamaran schneller unterwegs. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 35 Kilometer pro Stunde (19 Knoten) - erlaubt sind im Wattenmeer aber nur 16 Knoten. Zum Vergleich: Die herkömmlichen großen Inselfähren brauchen auf der etwa elf Kilometer langen Strecke zwischen Norddeich und Norderney rund eine Stunde. Der E-Katamaran soll nur etwa halb so lang unterwegs sein. Beim Stopp im Norddeicher Hafen, während des Fahrgastwechsels, soll der Akku des E-Katamarans dann in maximal 28 Minuten wieder aufgeladen sein. Insgesamt sollt das Schiff so bis zu achtmal täglich laut der Reederei von Norddeich nach Norderney und zurück fahren.
Wann und wie wird der E-Katamaran eingesetzt?
Wer zu den niedersächsischen Ostferien nach Norderney möchte, soll den E-Katamaran schon nutzen können. Ab Anfang April zum Ferienstart soll der Katamaran fahren. Die Osterferien sind zugleich auch der Start in die Tourismussaison für viele Küstenorte.
Können Freizeitskipper die Ladestation des E-Katamarans nutzen?
Nein, das geht es nicht, heißt es von der Reederei. Ohnehin schippern auf der Nordsee bislang noch kaum private Motorboote oder Segeljachten elektrisch angetrieben - auch weil in Jachthäfen und Marinas Ladepunkte wie an Land für Autos bislang fehlen. Eine Gruppe von Hafenbetreibern, Küstenkommunen, Motor- und Segelverbänden sowie Naturschützern arbeitet an dem Umstieg. Sie wollen eine Kette von Ladepunkten zwischen Ems und Elbe aufbauen.
Warum werden Schiffe überhaupt mit E-Antrieben ausgestattet?
Es geht nicht nur um Effizienz. Wie der Verkehr an Land soll auch der Verkehr auf dem Wasser für den Schutz des Klimas ohne Treibhausgase auskommen. Der Schifffahrt werden nach Angaben des Deutschen Reeder Verbandes weltweit zwei bis drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen zugeschrieben.
Es gibt verschiedene Reduktionsziele: Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) hat sich eine klimaneutrale Schifffahrt bis 2050 zum Ziel gesetzt. Speziell für das Wattenmeer hatten die Anrainer Deutschland, Dänemark und die Niederlande schon 2010 vereinbart, die gesamte Wattenmeer-Region bis 2030 klimaneutral machen zu wollen.
Inwieweit sind solche E-Antriebe auch etwas für größere Schiffe?
Das kommt vor allem auf die Routen und den Einsatzzweck der Schiffe an, sagen Experten. „Elektroantriebe gewinnen in der Schifffahrtsindustrie zunehmend an Bedeutung, insbesondere im Kurzstreckenverkehr, bei Fähren und kleineren Küstenschiffen“, teilt der Reeder-Verband auf Anfrage mit.
Zum Beispiel plant die Reederei Scandlines ihre Verbindung zwischen Puttgarden auf Fehmarn und dem dänischen Rødby umzustellen. Noch in diesem Jahr soll eine neue E-Frachtfähre dort in Betrieb gehen. Auch zur dänischen Insel Æro fährt schon seit Jahren eine Elektrofähre.
Anders sieht es dagegen bei Container- oder Frachtschiffen aus, die meist auf längeren Strecken unterwegs sind. Für diese Routen und diese Schiffsgrößen reichten die vorhandenen Batteriekapazitäten bislang nicht aus, sagt Katja Baumann, Geschäftsführerin des Maritimen Kompetenzzentrums (Mariko) im ostfriesischen Leer. „Die benötigte Energiemenge an Bord ist einfach zu groß, um dies mit derzeitigen Batterietechnologien darzustellen. Die Schiffe würden entweder deutlich größer ausfallen oder erheblich weniger Ladung mitnehmen können, was beides aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Markt findet.“
Welche Alternativen gibt es sonst noch für große Seeschiffe?
Das Gros der Handelsschiffe wird derzeit immer noch mit Schweröl oder Marinediesel betrieben, alternativ wächst die Zahl der mit ebenfalls fossilem Flüssigerdgas (LNG) angetriebenen Schiffe. Als aussichtsreichste Kandidaten für „grüne“ Treibstoffe gelten vor allem klimaneutral hergestelltes Methanol oder Ammoniak. Allerdings wird für die Herstellung viel Energie benötigt, was die Produktion bislang teuer macht. Eine weitere Alternative für Seeschiffe könnten auch Windantriebssysteme, etwa sogenannte Flettner Rotoren sein, sagt Baumann. „Der große Vorteil: Der Wind kostet heute und auch in Zukunft nichts, sodass nur die Investitions- und Wartungskosten bleiben.“