Corona ist noch nicht besiegt - und es wird auch noch dauern
Er war das Gesicht der Virologen-Zunft: Christian Drosten war er Erklärer der Pandemie. In Aurich erklärte er jetzt, was während der Pandemie falsch und was richtig lief. Draußen demonstrierten Impfgegner.
Lesedauer: ca. 3min 18secAurich Das haben die Auricher Wissenschaftstage so auch noch nicht erlebt: Drohungen gegenüber den Organisatoren und eine Demonstration gegen den Vortragenden. Geladen war der Virologe Prof. Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité, um einen Rückblick auf die Corona-Pandemie zu geben. Wegen des großen Interesses war die Veranstaltung am vergangenen Freitagabend vom Güterschuppen ins Energie-, Bildungs- und Erlebniszentrum (EEZ) verlegt worden.
Vor der Tür demonstrierten Impfskeptiker
Christian Drosten gehörte bekanntermaßen zu jenen Wissenschaftlern, die der Politik und der breiten Öffentlichkeit versucht haben, die Auswirkungen und Maßnahmen rund um Corona zu erklären. Dass das nicht immer reibungslos funktioniert hat, räumte der Virologe später in seinem Vortrag selbst ein. Bevor er drinnen loslegte, hatte sich vor dem EEZ eine Gruppe von rund 30 Impfskeptikern versammelt. Die Demonstration war von der Partei Alternative für Deutschland (AfD) angemeldet worden, wobei einige der Teilnehmenden, die sich am Rande aufhielten, ausdrücklich betonten, sie seien zwar gegen das Impfen, würden aber eigentlich nichts mit der AfD zu tun haben wollen. Im Kern zielte die Kritik darauf ab, dass es in Wirklichkeit nie eine Pandemie gegeben habe und diese lediglich von der Politik „inszeniert“ worden sei. Die weiteren Argumente lesen sich wie das kleine Einmaleins der Verschwörungstheoretiker: Die Protokolle des Robert-Koch-Institutes belegen die Inszenierung, Menschen in Altenheimen seien „ausgegrenzt“ worden, Impfverweigerer seien entlassen worden, negative Nebenwirkungen der Impfungen seien verschwiegen oder heruntergespielt worden.
„Deutschland hat schnell reagiert“
Christian Drosten verwies in seinem Vortrag hingegen auf eine Vielzahl von Wissenschaftlern, die weltweit bereits recht früh gewarnt hatten, dass mit Corona sehr wohl eine Pandemie auf uns zukommen würde. In Deutschland habe man besonders rasch reagiert, weshalb die Sterberate anfänglich vergleichsweise geringer gewesen sei als in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien.
Von 200 Virologen hatten 198 die gleiche Meinung
Bei den nachfolgenden Wellen, als ständig neue Corona-Varianten auftauchten, seien die Regelungen laut Drosten dann permanent „aufgeweicht“ worden, teils weil man sich zu sicher gefühlt habe und dachte, alles sei überstanden. Zum Teil hätte allerdings auch manche öffentliche Diskussionen Verwirrung gestiftet, beispielsweise wenn in Talkshows der Eindruck erweckt worden sei: „Zwei Virologen, drei Meinungen“. Dies habe von der Tatsache abgelenkt, dass „von 200 Wissenschaftlern 198 die gleiche Meinung vertreten“, so Drosten am Freitag in seinem Vortrag.
Politik entschied ohne eigene Fachkenntnis
Warum das bisweilen nicht richtig kommuniziert wurde, lag nach Einschätzung des Virologen an den Entscheidungsprozessen. Welche Maßnahmen wie umgesetzt wurden, sei letztlich Sache der Politik gewesen. „Die haben sich zuerst angehört, wie fünf oder sechs Wissenschaftler die aktuelle Lage einschätzen, und sich anschließend ohne sie zur Beratung zurückgezogen“, schilderte Drosten das Prozedere und nannte als wesentliches Manko, dass sowohl diese Gremien als auch die parallel dazu eingerichteten interdisziplinären Kommissionen oft mehrheitlich mit Menschen ohne medizinische Fachkenntnisse besetzt gewesen seien.
Ergebnisse der Maßnahmen diskutabel
Was welche Maßnahmen am Ende gebracht haben, sei in Einzelfällen wohl durchaus diskutabel, so Drosten. Gemäß den Studien, auf die sich Drosten am Freitag bezog, waren einige Lockdowns, zum Beispiel in der Gastronomie oder im Handel, offensichtlich weitaus weniger effektiv als solche an Arbeitsstätten oder in Schulen. Hinsichtlich des mit Abstand wirkungsvollsten Mittels gegen das Coronavirus kamen sämtliche der vom Virologen präsentierten nationalen wie internationalen Statistiken jedoch einhellig zu dem Ergebnis: Das waren die Impfungen, und ohne Impfungen hätte es noch mehr Tote gegeben.
Auf die Sommerwelle folgt die Herbstwelle
Insofern wertete Drosten es als fahrlässig, dass bei der zweiten und dritten Impfphase wiederum etwas die Zügel schleifen gelassen wurden, wenngleich Deutschland unter dem Strich seiner Meinung nach insgesamt „glimpflich durch die Pandemie gekommen ist“, so das Fazit des Virologen, der am Schluss seines Vortrags einen vorsichtigen Ausblick auf die nächsten Wochen und Monate wagte.„Wir haben im Moment eine Sommerwelle gehabt, und die scheint in eine Herbstwelle überzugehen“, erklärte Drosten. „Es könnte wieder so laufen wie vor zwei Jahren, also dass das Virus nicht ganz zur Ruhe kommt und in den Herbst reinläuft, dann aber so viele Leute infiziert und immunisiert, dass es praktisch zum Jahresende wieder zum Erliegen kommt und keine ganz große Winterwelle folgt. Wir haben inzwischen zwar eine stabile Bevölkerungsimmunität, doch dieses Virus ist nach wie vor in der Lage, sich anzupassen und der Immunität zu entgehen. Und das wird sicherlich auch noch für einige Jahre so bleiben. Aber es wird besser.“