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21. Juli 2023, 06:00 Uhr

Die Schafe auf den Norder Deichen werden geschoren: Schneiden im Minutentakt

Lesedauer: ca. 3min 10sec
Die Schafe auf den Norder Deichen werden geschoren: Schneiden im Minutentakt

Für viele Schafe auf den Norder Deichen geht es diese Woche zum Friseur. Viel Auswahl, bei der endgültigen Frisur haben sie nicht. Alle Damen bekommen hier von den Schafscherern Joachim Jelten und Erik Mayrhofer einen trendigen Kurzhaarschnitt verpasst. Ob sie wollen oder nicht. „Wir müssen die ja alle nackig bekommen“, sagt Schäfer Stefan Rose. Hierfür holt er die Tiere vom Deich und treibt sie auf eine angrenzende Weide, von der aus sie sich in einer langen Schlange, blökend, vor den Scher-Stationen einreihen.

1200 Schafe am Deich

Zutun haben die Männer in dieser Woche genug: Rund 1200 Schafe laufen aktuell von Stefan Rose auf den Norder Deichen. Inklusive der Lämmer. Die meisten der Tiere, 935 Stück, bekommen ihre Wolle abgeschoren. Nur wenige der Jungtiere sind bereits alt genug, um sich mit einreihen zu dürfen.

„Eigentlich wollte ich schon Anfang Juni mit den Damen durch sein“, so Rose. Er bezeichnet seine Schafe liebevoll als Damen. Jedoch sei es in Deutschland nicht so einfach, an Schafscherer heranzukommen. „Scherer sind knapp“, fügt Jelten hinzu. Er selbst sei auch als Ersatzmann zu Rose gekommen, da jemand gesundheitsbedingt ausgefallen ist. Auch das Wetter müsse mitspielen. Zeitlich sei jedoch noch alles im Rahmen, bis zum Winter sei wieder genügend nachgewachsen, so Rose. Wenn bis Ende August geschert werde, gäbe es kein Risiko für die Tiere im Winter.

Mit gezielten Griffen

An ihren Scher-Stationen eingehakt, brauchen Jelten und Mayrhofer rund 2 Minuten pro Tier. Auf diese Weise schaffen sie rund 20 bis 25 Schafsdamen pro Stunde und rund 300 Tiere am Tag. Denn Scheren ist Akkordarbeit. Mit gezielten Griffen holt Jelten das Tier aus der Wartebox und setzt es erst mal auf das Hinterteil, sodass das Schaf alle Viere von sich streckt und keinen Bodenkontakt mehr hat. Mit dem Rücken lehnt das Tier an seinen Beinen und er selbst hängt in einer Schlaufe halb über der Schafsdame und schnappt sich die Schermaschine, um ihren Bauch von der überschüssigen Wolle zu befreien.

Sorgsam gleitet die elektrische Schermaschine über das Tier, ohne es zu verletzen. Mit einer leichten Drehbewegung wendet Jelten das Schaf, sodass die restlichen Körperpartien – Hintern, Kopf, Rücken – vom Wollkleid befreit werden können und fast in einem Stück fällt die gesamte Wolle des Tieres auf den Boden. Leicht wackelig, denn es muss sich erst an das fehlende Gewicht gewöhnen, kann sich das Tier jetzt wieder zurück zur Herde aufmachen. Während es nach draußen stolpert, hat Jelten schon das nächste Tier aus der Wartebox geholt und auf sein Hinterteil gesetzt.

Die meisten Damen lassen sich die Prozedur gefallen. Nur wenige zeigen aufmüpfigeres und wilderes Verhalten. „Die kommen dann in eine Extra-Abteilung“, sagt Rose.

Wärme ist kein Problem

Viele Passanten, die die Tiere auf den Deichen gesehen haben, äußerten sich bereits besorgt über den Zustand der Tiere. Denn mit der Wolle müsse es ja noch wärmer für die Schafe sein. „Wolle isoliert“, sagt Rose. Das Material schütze entsprechend nicht nur vor Kälte, sondern auch vor drückender Wärme.

Zudem haben die Tiere ihre eigene Methode, um sich vor hohen Temperaturen zu schützen. Am Deich stellen sich die Tiere zusammen und verstecken ihre Köpfe unter den Körpern. So kann ein kühler Windzug an den weniger gepolsterten Bäuchen für etwas Frische sorgen.

Wohin mit der Wolle?

Für den Schäfer steht aber noch eine weitere Frage im Raum: Wohin mit der ganzen Wolle? Früher war Schafwolle noch ein beliebtes Material für Kleidung und Textilien, heute werde jedoch kaum noch etwas aus Schafwolle hergestellt und die pflanzliche Baumwolle oder Polyester bevorzugt und viele Schäfer blieben daher auf der Wolle sitzen.

Der Pelz der Tiere werde auch als Dämmmaterial oder zum Düngen, in gepresster Form, verwendet, so Rose. In diesem Jahr nehme ihm ein Händler aus den Niederlanden die Wolle ab. Weitere Schäfer, die ihre Wolle an diesen geben wollten, seien schon wieder abgelehnt worden. Teilweise läge die Wolle von vor zwei Jahren noch bei einigen herum. Denn einfach entsorgen geht nicht. Wolle fällt in die dritte Kategorie tierischer Nebenprodukte und muss somit als Sonderabfall behandelt werden.

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