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6. September 2024, 06:00 Uhr

Er sammelte 72.000 Kinderporno-Dateien - und es tut ihm leid

Das Landgericht schickte einen 33-jährigen Wiesmoorer für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Er war geständig und kommt aus einer Familie, in der Inzest offenbar normal war.

Lesedauer: ca. 2min 49sec
Er sammelte 72.000 Kinderporno-Dateien - und es tut ihm leid

Aurich/Wiesmoor Drei Jahre und sechs Monate Haft muss ein 33-jähriger Mann aus Wiesmoor verbüßen, weil er massenhaft Kinderpornografie aus dem Internet heruntergeladen und auf seinen Datenträgern gespeichert hat. Das Landgericht Aurich bezog in dieses Urteil eine frühere Verurteilung wegen Betrugs zu sechs Monaten Freiheitsstrafe mit ein.

Es waren exakt 71.691 kinderpornografische Bilder und Videos, die die Polizei bei einer Durchsuchung im Juni 2022 bei dem Angeklagten fand. „Die Summe ist für mich superhoch. Das ist mir während meiner Tätigkeit zweimal passiert“, sagte der ermittelnde Kriminalbeamte, der sich schon seit rund 14 Jahren mit diesem Delikt befasst.

Der entscheidende Hinweis kam aus Neuseeland

Es war ein Hinweis aus Neuseeland, der die Ermittlungen der Schwerpunktstaatsanwalt Hannover einleitete. Das Bundeskriminalamt übernahm die Aufgabe, anhand der E-Mail-Adresse den Nutzer zu identifizieren und kam dabei auf den Angeklagten aus Wiesmoor. Die Staatsanwaltschaft beschränkte sich am Ende darauf, den 33-Jährigen wegen der kinderpornografischen Dateien anzuklagen. Denn auch jugendpornografische Dateien hatte der Angeklagte regelrecht „gesammelt“. Insgesamt belief sich die Datenmenge auf mehr als 100.000 Dateien.

„Es tut ihm leid“

„Der Angeklagte räumt den Vorwurf vollumfänglich ein“, sagte der Verteidiger im Namen seines Mandanten. „Es tut ihm leid. Er will an einer Therapie teilnehmen.“ Eine Therapie war dem Angeklagten schon 2019 vom Amtsgericht Aurich als Bewährungsauflage mit auf den Weg gegeben worden, als es ihn wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilte. Doch nach einem Therapieplatz suchte der Angeklagte vergebens. „Therapeuten findet man hier in der Region nicht“, benannte Gutachter Matthias Eibach das Problem.

Der Wiesmoorer hatte sich gegenüber dem Sachverständigen geöffnet und von seinen pädophilen Fantasien erzählt. Dass der Angeklagte aber zufällig Mädchennamen in seiner Mailadresse für seine Aktivitäten in Chatportalen ausgesucht hatte, so wie er behauptete, kaufte ihm der Sachverständige nicht ab.

Inzest in der Familie

Auf der anderen Seite waren es verstörende und schockierende Einblicke in die Familie, die der 33-Jährige dem Gutachter gewährte. Der Wiesmoorer selbst war vom Auricher Amtsgericht verurteilt worden, weil er seine eigene Schwester missbraucht hatte. Inzest war aber ein weit größeres Problem in der Familie. Der Großvater des Angeklagten und seiner Schwester, der als gewalttätiger Alkoholiker galt, war gleichzeitig Vater der beiden Kinder. Der Wiesmoorer erfuhr das von seiner Mutter erst, nachdem der Großvater gestorben und er selbst schon erwachsen war. „Er kommt aus einer Horrorsituation“, meinte der Erste Staatsanwalt Frank Lohmann in seinem Plädoyer. „In die Familie wurde zu spät interveniert.“

„Er kann die pädophilen Gedanken unterdrücken“

Der Sachverständige hatte keinen Zweifel daran, dass beim Angeklagten Pädophilie zu diagnostizieren war. In seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war der Wiesmoorer aber nicht eingeschränkt. „Sein Wille ist stark genug, die pädophilen Gedanken zu unterdrücken“, sagte der Gutachter. Im Gefängnis, wo er derzeit eine andere Strafe verbüßt, würde ihm das jedenfalls gelingen, hatte ihm der Angeklagte erzählt. „Egal, wie das Strafmaß ausfällt. Ich will die Zeit in der Haft nutzen, um mich positiv zu verändern“, versicherte der Angeklagte glaubhaft in seinem letzten Wort.

Es waren sehr viele Dateien, sagt der Richte

das Gericht erkannte an, dass der Angeklagte alles eingestanden hatte. „Die Beweislage ist schon ziemlich dicht. Es kommt aber nicht jedem über die Lippen“, wusste Richter Björn Raap. Auf der anderen Seite stand die Vielzahl der verbotenen Dateien. „Das ist ein Brett“, betonte der Vorsitzende. „Ein zweites Brett ist die einschlägige Vorstrafe.“ Dem Wiesmoorer schien die Problematik tatsächlich bewusst zu sein. Er nahm das Urteil sofort an.

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