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26. April 2023, 10:10 Uhr

„Du bist ein Angsthase!“ - Und dann drückte er zu

Sie beschimpfte ihn, sie schubste ihn, und dann ermordete der 27-jährige Auricher seine Frau. Mit diesem Geständnis nimmt der Mordprozess in Aurich eine grundlegende Wendung.

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Aurich

Aurich ©

Aurich Vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Aurich hat der 27-jährige Angeklagte sein Schweigen gebrochen. In einer schriftlich verfassten und von Verteidiger Joachim Müller verlesenen Erklärung gab der Angeklagte zu, seine Lebensgefährtin in der gemeinsamen Auricher Wohnung an der Popenser Straße getötet zu haben. „Die Staatsanwaltschaft hat mich zu Recht angeklagt, einen Menschen getötet zu haben. Ich bin aber kein Mörder“, hieß es in dem Geständnis.

„Die Frau war aggressiv“

In der Erklärung wurde vieles geschildert, was zum Ablauf des 18. September vergangenen Jahres bereits bekannt war. Der Angeklagte hatte an jenem Tag zunächst einen Freund in Herford besucht. Dann fuhr er nach Leer und Wittmund, um die Einnahmen aus den Spielhallen seines Onkels abzuholen, so gab der Angeklagte an. Danach sei er wieder in Richtung Leer gefahren und habe in Hesel an einer Tankstelle einige Dosen Gin-Tonic gekauft, die er an seinem Lieblingsplatz zwischen Leer und Neermoor getrunken habe, während er lange mit seinem Herforder Freund telefonierte. „Ich habe die Wirkung des Alkohols gespürt“, antwortete der Auricher später auf Fragen. „So viel trinke ich normalerweise nicht.“ Das lange Telefonat wertete er als Zeichen, dass er nicht nach Hause wollte.

„Warst Du wieder bei der Schlampe?“

Doch irgendwann kehrte er zu seiner Wohnung zurück. Seine Frau habe ihn gleich aggressiv empfangen, als er die Wohnungstür aufschloss. „Warst du wieder bei einer Schlampe“, soll sie gefragt haben. Ihr sei inzwischen bekannt gewesen, dass er ein Liebesverhältnis zu einer Ukrainerin gehabt habe, gab der Angeklagte zu. Dass er zeitgleich auch noch eine Affäre mit einer dritten Frau unterhielt, hatte er sowohl seiner nach muslimischen Recht angetrauten Ehefrau, als auch der Geliebten verschwiegen.

„Du bist kein Mann und ein Angsthase!“

Seine Frau sei immer aggressiver geworden und habe ihn beleidigt. „Sie sagte gern, dass ich kein Mann sei und ein Angsthase“, erzählte der Angeklagte. „Das hat sie wohl so gesehen, weil ich immer ruhig geblieben bin“, fügte er hinzu. Dass das aber nicht immer der Fall war, räumte er später ein. Ja, es sei richtig, dass er seine Frau am 31. August geschlagen habe. Aber gewürgt, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift niedergelegt hat, stimme nicht.

Sie schubst ihn, er drückt zu

In der Tatnacht sei es aber nicht bei verbalen Aggressionen seiner Frau geblieben. Sie habe ihn auch ins Gesicht und gegen den Hals geschlagen. Im Schlafzimmer habe man sich gegenseitig geschubst. „Wenn ich jetzt nachdenke, hätte ich einfach aus dem Haus gehen sollen.“ Aber er handelte anders. „Ich weiß nur noch, dass ich dann meine Hände um ihren Hals gelegt und zugedrückt habe“, gestand der Angeklagte. Er habe erst aufgehört, als sie sich nicht mehr gewehrt habe.

Dann sei sie hingefallen. In welcher Position sie beim Würgevorgang gestanden hatten, konnte er nicht erinnern. Er sei gleich ins Bad gegangen. Erst bei seiner Rückkehr habe er die Blutlache, in der seine Frau lag, gesehen. Wie es zu dem vielen Blut gekommen sei, wusste er nicht zu sagen. Aber bei seiner Rückkehr sei ihm klar geworden, dass seine Frau tot war.

„Ich habe einfach nur funktioniert“

Nachträglich kam ihm die Erkenntnis, dass er in dieser Situation die Polizei hätte rufen sollen. Doch er handelte anders. Ihm kam die Idee, einen Raubüberfall vorzutäuschen, um den Verdacht von sich abzulenken. „Ich bin erstaunt, wie ich die Ablenkung von mir einrichten konnte. Ich habe einfach nur funktioniert“, behauptete der Angeklagte. Dann verließ er das Haus, um bei seinen Eltern zu übernachten. Seine zweijährige, schlafende Tochter ließ er in der Wohnung zurück. Erst am nächsten Morgen betrat er die Wohnung erneut, holte sein Kind heraus und wählte den Notruf der Polizei. Er gaukelte vor, die Leiche gerade erst gefunden zu haben.

War es zuviel Alkohol

Das Gericht reagierte auf die Einlassung des Angeklagten. Durch einen psychiatrischen Sachverständigen, der nun bestellt wird, will die Kammer Klarheit über den Alkoholisierungsgrad und die psychische Verfassung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt bekommen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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