„Es war ein Horror für mich“ – Anklage wegen Brandstiftung
Ein Nachbar berichtet im Gericht von Angst und Verlust nach Brandstiftung. Dem Angeklagten wird auch versuchter Mord zur Last gelegt.
Lesedauer: ca. 3min 03secAurich/Rhauderfehn Die Staatsanwaltschaft Aurich erhebt mit ihrer Anklage vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Aurich schwere Vorwürfe gegen einen Angeklagten aus Rhauderfehn. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den 40-Jährigen, in der Nacht zum 2. Mai 2023 in Rhauderfehn eine Brandstiftung begangen und dabei in Kauf genommen zu haben, fünf Menschen zu töten. Die Tat wird juristisch als versuchter heimtückischer Mord in fünf Fällen in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge bezeichnet. Der Angeklagte bestreitet, etwas mit dem Brand zu tun zu haben.
Das Feuer soll auf der Terrasse der Doppelhaushälfte gelegt worden sein, in dem die Frau mit ihren beiden Kindern lebt. Der Angeklagte war ausgezogen, nachdem es in der Beziehung stark kriselte und es immer wieder zu Auseinandersetzungen kam. Die Polizei war deshalb zu Einsätzen angerückt. Die Frau hatte sogar ein gerichtliches Annäherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt.
Dennoch war der Angeklagte am Abend des 1. Mai vergangenen Jahres dort erschienen. Die Frau saß mit einem Bekannten, mit dem sich eine Beziehung anzubahnen schien, auf der Terrasse. „Ich hörte ein komisches Geräusch und bat die Frau, nachzusehen“, sagte der Bekannte als Zeuge aus. Die Frau habe um die Ecke geschaut und ihm gleich zugerufen, dass er ins Haus gehen solle. „Ich bin rein und hatte gerade die Terrassentür geschlossen, da stand auch schon der Angeklagte da“, fuhr der Zeuge fort. Er sei in die Küche gelaufen und habe die Polizei angerufen. „Als das Gespräch beendet war, klopfte die Frau an die Terrassentür und sagte, dass er weg sei.“
Kurz darauf erschien auch die Mutter des Zeugen, um den 30-Jährigen abzuholen. Als man gemeinsam nach Hause fahren wollte, sah man etwas entfernt eine regungslose Person am Boden liegen. „Meine Mutter rief die Rettung an. Ich habe ein Foto gemacht.“ Man vermutete, dass es sich bei der Person um den Angeklagten handelte.
Der Rhauderfehner gab das alles auch zu. Er habe zwei Whisky-Cola zu Hause getrunken und sei dann mit dem Rad zum Haus seiner Familie gefahren. Jemand habe ihm gesagt, dass seine Frau etwas mit einem anderen Mann habe. Er sei aber nicht eifersüchtig, sondern nur enttäuscht gewesen. Es habe Streit mit seiner Frau gegeben. Danach habe er sich entfernt, draußen hingesetzt und die halbe Flasche Whisky, die er von zu Hause mitgebracht hatte, getrunken. Zwischendurch sei er wohl eingeschlafen, dann aber mit dem Rad nach Hause gefahren. Von einem Brand habe er nichts gewusst. Er habe auch kein Alkoholproblem.
Die Anklage geht aber davon aus, dass der Angeklagte zum Haus zurückkehrte, als er glaubte, dass alle schliefen. Er soll die Rattan-Möbel auf der Terrasse zusammen und näher ans Haus gerückt und auf unbekannte Art entzündet haben.
Es entwickelte sich ein Feuer, das auf das Haus übergriff. Der Dachstuhl und ein Teil des Erdgeschosses brannten komplett aus. „Der Angeklagte wusste, dass Familien in dem Haus sind und schlafen. Es kam ihm darauf an, dass die Leute sterben“, hieß es in der Anklage.
Die Ehefrau des Angeklagten schlief aber noch nicht, bemerkte die Flammen und verließ mit ihren Kindern das Haus. Dabei versäumte sie es, die Nachbarn in der anderen Haushälfte zu warnen. Er sei gerade eingeschlafen, so beschrieb es der betroffene Nachbar, als er Windgeräusche und Klopfen gegen sein Schlafzimmerfenster hörte. „Ich dachte, ich träume das“, erzählte der 57-Jährige dem Gericht. Dann sei es ganz hell geworden. Als er den Kopf drehte, sah er Flammen direkt vor seinem Fenster. „Es war ein Horror für mich. Ich habe meine Frau geweckt. Sie war im Tiefschlaf.“ Beide hätten sofort das Haus verlassen.
Der Nachbar war als Mieter nicht versichert und erlitt erheblichen finanziellen Schaden. „Wir hatten erst ein Jahr zuvor die Wohnung renoviert und neue Möbel gekauft. Dafür hatte ich einen Kredit von 25000 Euro aufgenommen“, sagte der Nachbar. „Der psychische Schaden war aber viel größer.“
Der Prozess wird fortgesetzt.