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5. Oktober 2024, 06:00 Uhr

Freispruch: Sexueller Missbrauch nicht nachweisbar

Ein 37-Jähriger war wegen Misshandlungen an Kindern angeklagt, doch die Taten waren juristisch nicht zu belegen

Lesedauer: ca. 2min 30sec
Vor dem Landgericht gab es einen Freispruch für den Angeklagten. Foto: Ute Bruns

Vor dem Landgericht gab es einen Freispruch für den Angeklagten. Foto: Ute Bruns © Bruns ubr

Aurich/Holtriem Einen Freispruch verkündete das Landgericht Aurich im Prozess gegen einen 37-jährigen Angeklagten, dem Misshandlung und zum Teil sexueller Missbrauch der Kinder seiner ehemaligen Lebensgefährtin, aber auch seiner leiblichen Kinder in der Samtgemeinde Holtriem zur Last gelegt wurde. Es war kein Freispruch aus erwiesener Unschuld, sondern weil die Taten juristisch nicht nachgewiesen werden konnten.

„Ich weiß, dass es für Sie schwierig ist“, wandte sich Richter Bastian Witte an die Erziehungsberechtigten. „Es heißt nicht, dass es nicht stattgefunden hat. Es heißt nur, dass es juristisch nicht feststellbar ist“, erklärte er das Urteil. Es wird die Mütter nicht getröstet haben. Sie traf der Freispruch wohl wie ein Schlag in die Magengrube.

Der Angeklagte hatte den perfekten Gentleman geboten, als er seine ehemalige Lebensgefährtin kennenlernte. Man lebte gemeinsam in verschiedenen Ortschaften der Samtgemeinde Holtriem. Dann wandelte sich das Gesicht des Mannes. Er wollte alles bestimmen und dominieren. Er verbat sich sogar die Einmischung in seine Erziehungsmethoden, so hatte es die Mutter der Kinder geschildert.

Seine Erziehungsmethoden, die in der Anklage aufgelistet wurden, waren mehr als inakzeptabel. So soll der Angeklagte im Zeitraum von 2017 bis 2021 auch seine leiblichen Kinder, die zu Besuch kamen, geschlagen und eingesperrt haben. In der Anklageschrift war zudem von sexuellem Missbrauch an den Kindern die Rede.

Die Mütter waren geschockt, erstatteten Anzeige. Immer wieder sollten die Kinder auch gegenüber der Polizei von ihren Erlebnissen berichten. Doch daraus entwickelte sich möglicherweise eine Dynamik, die laut Gericht eine unbeabsichtigte Suggestion durch die Erwachsenen nicht ausschloss. So habe sich beispielsweise die Aussageentwicklung eines Jungen bei der Polizei stark verändert, stellte der Vorsitzende fest. „Die Inkonsistenz ist für uns faktisch nicht mehr erklärbar“, sagte Richter Witte. Außerdem waren Zweifel an der Aussagetüchtigkeit des Jungen angebracht. Er war im Tatzeitraum erst zwischen drei und fünf Jahre alt.

Es bestand auch das Problem, dass einige Kinder vor Gericht nichts sagen wollten. Ein Mädchen habe sich bei einer angesetzten Videovernehmung regelrecht „vergraben“ und ihr Gesicht verborgen, erinnerte sich der Vorsitzende an die Situation.

Die ungewollte Suggestion habe sich auch an einer Vernehmung der Polizei gezeigt. Ein Mädchen hatte Erlebnisse aufgeschrieben. Anstatt das Kind erzählen zu lassen, was es notiert hatte, wurden ihm seine schriftlichen Aufzeichnungen von der Polizei vorgelesen. „Das ist schwierig, wenn sie eine Geschichte wiedergibt, die sie gehört hat. Man kann nicht mehr sagen, was sie wirklich erlebt hat“, versuchte Richter Witte das Problem anschaulich zu machen. „Die These von Fremd- und Eigensuggestion können wir nicht zurückweisen“, so der Vorsitzende. Das gelte vor allem dann, wenn sich die Aussagen im Laufe der Zeit immer weiter verbesserten.

Es sei am Ende nicht auseinanderzuhalten, welche Angaben der Kinder tatsächlich erlebnisbasiert waren und welche aus einer Suggestion resultierten. Diese Unterscheidung ist aber notwendig, um juristische Feststellungen zu treffen, auf deren Basis eine Verurteilung ausgesprochen werden kann.

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