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24. April 2023, 06:30 Uhr

Gitte Haenning begeistert Norden

Wer gedacht hätte, sie lässt es mit ihren 77 Jahren langsamer angehen, der wurde beim Konzertabend getäuscht. Zum Schluß gab es Standing Ovations.

Lesedauer: ca. 3min 10sec
Die fast 77-jährige Gitte Haenning und ihre Band begeisterten das Norder Publikum. Fotos: Johannes Müller

Gitte Haenning und ihre Band begeisterten das Norder Publikum. © Johannes Müller

Norden Mehr als 400 Zuschauer und Zuschauerinnen gingen am Sonnabend mit einer Hausaufgabe aus dem Norder Theatersaal. „Das müssen Sie jetzt lernen!“ hatte ihnen Gitte Haenning gesagt, „googeln und lernen“. Für alle, die das mit dem Googeln bisher nicht geschafft haben, hier die Aufgabe noch einmal schriftlich: „Witchi-tie-go, gimee rah, whoa rah, neeko, whoa rah neeko, hey ney, hey ney, no way.“ Ein Text von Jim Pepper, dem amerikanischen Jazzmusiker. Einer von denen, die Gitte Haenning sehr schätzt. Jazz, Blues, aber auch Musicalsongs, Poppiges, auch Schlagerähnliches erklang am Sonnabend in Norden.

Am Ende standing ovations

Am Ende standen die Gäste, nicht nur, um die musikalische Leistung der fast 77-jährigen Dänin angemessen zu würdigen und zu beklatschen, sondern auch, um Anerkennung zu zollen für offene Worte, die „Erlaubnis“, den musikalischen Lebensweg der Sängerin begleitet haben zu dürfen.

Den Anhängern und Freunden der Sängerin ist sicher das meiste vertraut – dass sie schon als Kind zum Star wurde, bis heute in der jahrzehntelangen Karriere so gut wie alle Musikgenres durch hat und sich seit langem vor allem dem Jazz und Blues nahe fühlt.

Sie kommt auf die Bühne, ihre Bandmitglieder stimmen im Hintergrund an Flügel und Bass schon mal ein mit bluesigen Rhythmen. Gitte Haenning erscheint mit Mikro und rotem Schirm in der Hand, setzt sich nach vorn hinters Notenpult: „Wir gehen im Regen durch die Stadt.“ Stimmt, am Abend hat es in Norden angefangen zu regnen – aber das ist hier nicht das Thema. Eher dieser auch nach den vielen Jahren erhalten gebliebene dänische Einschlag im Deutschen, der so ein Lied auf besondere Art interessant macht. Die Sängerin hat es nicht nötig, mit viel Gestik und Mimik zu arbeiten, sie wird fast den ganzen Abend (Alter nicht vergessen!) auf diesem Stuhl sitzen und ihre Stimme für sich sprechen lassen.

Sie hat auch Sanftest im Gepäck

Und das reicht vollkommen! Sanftes hat sie im Gepäck, oft Melancholisches, Sehnsuchtsvolles. Ja, rund um das Grundthema Liebe, aber da steckt, das spürt man auch in den hintersten Theaterreihen, ein echtes, tiefes Gefühl für die Musik drin. Es wirkt alles locker präsentiert, ist aber hohe Kunst, wie die drei harmonieren. Hier ein Klaviersolo, da ein Basslauf, irgendwann erklingt die Stimme. Es passt!

Zwischendurch erzählt die Künstlerin ihren Werdegang. Dass sie sich nicht sklavisch an Melodien halten wollte, dass sie manche für sie produzierte Zeile nicht singen wollte, dass sie auch aus Geldnot für Deutschland 1973 am Eurovision Song Contest teilnahm. „Ich habe Ja gesagt, aber meinte Nein.“ „Junger Tag“– natürlich, die Fans können lauthals mitsingen. „Wir können noch mehr“, ist aus den Reihen zu hören. Sind das die im Publikum, die immer noch vor allem die „alte“ Gitte hören möchten, die, die leicht-luftigen Schlager schmettert?

Sie singt von Grönemeyer

Aber das ist diese Frau doch schon seit vielen Jahren nicht mehr. Die sich längst erlaubt, das vorzutragen, woran ihr Herz hängt. Sucht sich ihre „Rosinen“ aus dem riesigen Melodienteig heraus. Und die interpretiert sie auf ihre Weise. Singt Stücke von Ulla Meinecke, Rio Reiser, Herbert Grönemeyer und Stefan Gwildis. Längst nicht immer deren bekannte Songs, sondern das, was sie anspricht. Oft ruhige Stücke, Wehmutslieder. Sprechgesang kommt dazu, um auch die eigene Geschichte zu erzählen. Ein Auf und Ab – Künstlerleben wohl.

Nach der Pause wird sie noch persönlicher. Als sie von ihrem Vater erzählt und für ihn singt – da rauscht der Beifall, da ist ganz viel Anerkennung für die Nähe, die die Sängerin zulässt, wenn sie ihre Geschichte erzählt. Aber auch demonstriert, wie viel Kraft ihre Stimme noch hat, wie viel Inbrunst sie in das legt, was sie singt. Begeisterung, als sie mehrere Stücke aus dem Mary Poppins-Musical darbietet, aber auch Gershwin („Ich got rhythm“) gehört zum Programm, Paul Simon – bekannte Namen. Und ja, in der Zugabe geht es auch noch mal zurück ins alte Schlagerleben – egal, was sie an diesem Abend singt, anhaltender und anerkennender Beifall ist ihr gewiss. Zu Recht! Gitte Haenning und Band – das war absolut authentisch und publikumsnah!

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