Hildegard Peters: Eine Leitfigur der Norder Kunstszene

Norden Sie selbst hat sich nie für eine Künstlerin gehalten, zumindest nicht im engeren Sinne. Denn nach eigenem Bekunden konnte sie sich in ihrem ereignisreichen Leben zu selten voll und ganz der Kunst widmen. Nichtsdestotrotz war die im Dezember 2017 verstorbene Hildegard Peters jahrzehntelang eine der Schlüssel- und Leitfiguren innerhalb der ostfriesischen Kunstszene. Heute wäre sie 100 Jahre alt geworden.
Leben der Künstlerin
Geboren wurde Hildegard Peters in Bielefeld. Die Familie war gut befreundet mit dem von den Nationalsozialisten geschassten ehemaligen Leiter des dortigen städtischen Kunsthauses, Dr. Heinrich Becker. Über ihn kam Hildegard Peters schon in jungen Jahren in Berührung mit moderner Kunst, die damals eigentlich verboten war, weil sie gemäß der NS-Ideologie als „entartet“ galt. Nach dem Abitur begann sie 1943 ein Kunststudium in Berlin und setzte dieses dann in Marburg, Düsseldorf und Köln fort.
Zwischendurch zog es die Malerin des Öfteren zu Studienreisen ins Ausland, hauptsächlich nach Frankreich und später auch nach Nordafrika. In Marokko wurde sie sogar im Palast des Königs Mohammed V. empfangen. Ein geplantes Porträt des Regenten kam nur deshalb nicht zustande, weil der verstarb, bevor das Projekt realisiert werden konnte.
1956 absolvierte Hildegard Peters erfolgreich ihr Staatsexamen für das höhere Lehramt in den Fächern Kunst, Werkunterricht, Französisch und Philosophie. Kurz darauf ereilte sie ein Hilferuf von der Insel Norderney, die sie von Ferienaufenthalten aus ihrer Kindheit gut kannte. Ihre Familie mütterlicherseits stammte aus Ostfriesland. Die Norderneyer Realschule suchte dringend Lehrkräfte. „Ursprünglich sollte ich nur sechs Wochen bleiben“, verriet sie in einem Interview und erinnerte sich, dass die Rahmenbedingungen zunächst nicht die besten waren. „Das erste Jahr musste ich in einer Pension leben. Die hatten auf Norderney noch keine Wohnungen für ihre Lehrkräfte“, so Hildegard Peters in dem Interview. Sie blieb neun Jahre auf der Insel und wechselte anschließend ans Norder Ulrichsgymnasium, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1987 weiter unterrichtete.
Engagement in Norden
Ihr künstlerisches Engagement beschränkte sich aber nicht allein auf die Schule. Hildegard Peters gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Norder Kunstvereins, dessen Vorsitzende sie auch lange Zeit war. Zudem engagierte sie sich im Bund bildender Künstler Ostfriesland. Gemeinsam mit anderen organisierte sie in Norden eine stattliche Reihe an Ausstellungen mit regional und international bekannten Künstlerinnen und Künstlern. Darüber hinaus initiierte sie regelmäßig Studienfahrten in europäische Kunstmetropolen wie Amsterdam, Paris, Florenz, Rom oder Oslo.
Ab 1976 beteiligte sie sich am Aufbau einer Grafothek für Ostfriesland. Ferner konzipierte sie eine Druckwerkstatt im Weiterbildungszentrum Norden (der heutigen Kreisvolkshochschule), die 1987 eingeweiht wurde. An der 1990 ebenfalls von ihr mit aus der Taufe gehobenen Internationalen Norder Sommerakademie leitete sie die Kurse in Ölmalerei.
Auch gesellschaftspolitisch mischte sich Hildegard Peters immer wieder ein. Bereits als Studentin protestierte sie gegen die Diskriminierung von Sinti. Als in den 1980ern auf Norderney ein Heine-Denkmal aus der Werkstatt von Adolf Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker aufgestellt wurde, zählte die Künstlerin zu jenen Menschen, die dies ablehnten. Ihre Kritik untermauerte sie mit einem Aufsatz, der im Heine-Jahrbuch 1984 erschien.
Für ihre Einsatzbereitschaft wurde sie mehrfach geehrt, so zum Beispiel 1994 mit dem Niedersächsischen Verdienstorden, 2003 mit dem Stadtsiegel der Stadt Norden und 2012 mit dem Indigenat der Ostfriesischen Landschaft. 2013 veröffentlichte der Filmemacher Ralf-Peter Post eine 50-minütige Dokumentation über die Malerin und ihre Arbeit. Neben zahllosen Einzelausstellungen in Ostfriesland und Deutschland waren einige ihrer Werke unter anderem auch in den Niederlanden, Polen, Estland und Taiwan zu sehen.
Einflüsse und Stil
Hildegard Peters widmete sich hauptsächlich Gemälden, Lithografien, Holzschnitten und Zeichnungen. Was ihre stilistische Ausrichtung anging, knüpfte sie an die Tradition des expressiven Realismus an. Einer ihrer wichtigsten Mentoren war der Düsseldorfer Maler und Bildhauer Otto Pankok, den sie im Rahmen ihres Studiums der klassischen Moderne kennen- und schätzen gelernt hatte. Dessen Einflüsse führte Hildegard Peters in ihren eigenen Werken „auf eine energische und lebensbejahende Weise weiter“, wie Dr. Annette Kanzenbach vom Ostfriesischen Landesmuseum in Emden in einem Katalogbeitrag anlässlich einer Retrospektive zu Ehren von Hildegard Peters anmerkt.
In ihren von Spontanität geprägten Arbeiten verwandle die Künstlerin „den Natureindruck, der sichtbarer Ausgangspunkt bleibt, in ein vibrierendes Zusammenspiel von leuchtenden, starken Farben mit kraftvollen Formen und Strukturen“, so Dr. Kanzenbach. „Ihre Hauptthemen sind der Mensch, den sie allein oder in der Gruppe, oft beim Musizieren oder Spielen festhält. Sowie das Blumenstillleben und die Landschaft.“
Zur Auswahl ihrer Motive hat sich Hildegard Peters einmal wie folgt geäußert: „Ich male alles, was ich mit starkem Eindruck sehe und erlebe: Das kann alles Mögliche sein – das findest du von selbst. Den Kindern in der Schule habe ich auch gesagt, wenn die da saßen und sagten, sie wüssten nicht, was sie machen sollen: Schau einfach mal hin! Selbst diese kleine Tischkante hier, das ist doch interessant genug in Farbe, Form, Komposition! Und das haben sie dann auch zu sehen gelernt. Warum zum Beispiel hat Picasso immer wieder dieselbe Vase hingestellt und gemalt, nachts, am Tage, immer wieder oder Juan Gris den Tabaksbeutel, die anderen geliebten Gegenstände? Warum sammeln die Leute die merkwürdigsten Dinge und betrachten sie immer wieder? Ich bewundere Künstler, die nicht locker lassen!“
Daraus erklärt sich zugleich, warum Hildegard Peters sich selbst nicht unbedingt als Künstlerin empfand. „Auch wenn du singst, bist du noch keine Sängerin“, meinte sie. „Denn dazu muss man das ganztägig, ganzjährig, sein ganzes Leben tun. Ich habe nie meine Stunden, meine Tage, mein Leben nur mit Kunst verbracht. Das habe ich nicht, und ein Künstler, der nicht jeden Tag an seiner Kunst arbeitet, der ist nicht in diesem Sinne Künstler. Das ist der Unterschied.“ Ihr künstlerisches Schaffenswerk kann sich aber wohl trotzdem – und das im wahrsten Wortsinne – sehen lassen.