Karneval 1923 auf Norderney: Erinnerungen an glamouröse Zeiten
Eine Delegation des Kölner Karnvalcorps der „Roten Funken“ ehrt den Entertainer Hans David Tobar
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Kaum etwas polarisiert so sehr wie Karneval. Die einen nehmen jährlich Reißaus, wenn die „Jecken“ durch die Faschingsmetropolen ziehen, für die anderen ist die „fünfte Jahreszeit“ fast schon Lebensinhalt und das ganze Jahr bereitet man sich auf die sechs ausgelassen Tage von Gründonnerstag bis Aschermittwoch vor, 40 Fastentage vor Ostern.
Norderney ist von Karneval, Fastnacht und Fasching quasi unbeleckt und wirbt sogar mit dem Slogan „karnevalfreie Zone“. Den Gründonnerstag empfinden viele Insulaner auch als Startschuss in die Saison, denn zum ersten Mal im Jahr sind die Fähren auf die Inseln dann ausgebucht – darunter viele, die vorm Trubel im Rheingebiet flüchten.
Vor genau 100 Jahren sah das allerdings völlig anders aus. So feierte man in den Jahren 1920 bis 1933 sogar große Karnevalssitzungen im Arcadia, im Rosenhof oder im Roten Teppich. Initiator dieser Entwicklung war Hans David Tober, jüdischer Karnevalist aus Köln und einer de großen deutschen Komödianten seiner Zeit, zugleich Komponist und Sänger. Allsommerlich zog es ihn mit Kind und Kegel nach Norderney. Mit von der Partie war auch immer sein Freund Willi Ostermann, dessen Lieder bis heute den Kölner Karneval prägen. Gemeinsam bestimmten sie in den 1920er Jahren das sommerliche Veranstaltungsgeschehen der Insel und führten hier in verschiedenen Sälen die „Rheinischen Nachmittage“ und „Rheinischen Abende“ durch. Zwei eigens hierfür gegründete Karnevalsgesellschaften, die „KG Zuppe-jröns“ („Suppengrün“) und die „KG Strandradieschen“ versammelten die rheinischen Karnevalskräfte, die eigens zu diesen Anlässen auf die Insel kamen. Sogar das heute noch im Kölner Karneval beliebte Puppentheater „Hänneschen“ wurde auf der Insel mit einer eigenen Puppensitzung gewürdigt. Nicht fehlen durfte in den 20er Jahren auch der „Prinz Karneval“, der sich auf den sommerlich-jecken Veranstaltungen präsentierte. Tobar war dabei nicht nur beliebter Karnevalist und Auftrittskünstler, sondern er zog auch die seinerzeitigen Größen des Karnevals auf die Insel, darunter den jeweiligen Prinz Karneval.
Hans Tobar war selbst Roter Funk. Infolge der Hyperinflation konnte er sich den Mitgliedsbeitrag nicht mehr leisten und musste so im September 1923 aus dem Kreis der Roten Funken ausscheiden.
Am kommenden Wochenende kommt eine Delegation des ältesten Traditionscorps im Kölner Karneval mit dem klangvollen Namen „Kölsche Funke rut-wieß vun 1823 e.V.“ auf die Insel, landläufig als die „Roten Funken Köln“ bekannt. Sie begehen in diesem Jahr ihr 200. Gründungsjubiläum, welches sie seit August 2022 in Köln mit über 70 kulturellen Veranstaltungen würdigen. Angereist wird mit 55 Personen und organisiert wird das Ganze durch von dem Norderneyer und „Exil-Kölner“ Olaf Strecker, seit 2010 ebenfalls „Roter Funk“. Die Delegation wird allerdings keine reine Spaßfahrt veranstalten. „Mir ist wichtig, dass meine Kölner Freunde die Insel kennenlernen, wie das mitunter Wochenendgäste so nicht erleben“, so Olaf Strecker vor Reiseantritt. Ein Besuch des Rettungsbootmuseums am Freitag sowie eine Wattwanderung am Samstagvormittag gehören zum Programm. Nach 2012 und 2016 ist dies nun die dritte Gruppe von Roten Funken, und besonders in diesem Jahr steht die Reise unter einem ganz besonderen Vorzeichen, das auch und besonders in der Norderneyer Veranstaltungsgeschichte eine Rolle spielt.
Die nun anreisende Gruppe der Roten Funken möchten an das Werk Tobars am Samstag, den 26. August, ab 14 Uhr im Bademuseum Norderney (Am Weststrand 11) erinnern. „Erinnerung an den „Rheinischen Nachmittag“ Tobars – der Kölner Karneval der 1920er Jahre auf Norderney“ soll einen kleinen Rückblick auf die Zeit Hans Tobars und dessen Wirken auf der Insel geben. Der Funkenchor „Mösche vun dr Ülepooz“ wird mit Liedbeiträgen an Tobar und Willi Ostermann erinnern. Der eigens für diese Veranstaltung anreisende Präsident und Kommandant der Roten Funken, Heinz-Günther Hunold, Funken-Spitzname „Laachduv vun dr Ülepooz“, blickt auf das Funkenleben Tobars zurück. Abgerundet wird die Feierstunde von dem beliebten Norderneyer Ausrufer Bernd Krüger, der einen humoristischen Blick auf die Geschichte der Gäste Norderneys werfen wird.
Im Anschluss an die Veranstaltung (etwa um 15.30 Uhr) wollen die Roten Funken am Weststrand vor der Badehalle ein Foto nachstellen. So wie Tobar und Ostermann damals wollen die Roten Funken bekleidet mit Bademantel und dem „Krätzchen“, der funkentypischen Kopfbedeckung, ein Gruppenfoto erstellen, das an die früheren Zeiten und die beiden Karnevalsgrößen erinnert (siehe großes Bild).
Die Roten Funken freuen sich auf viele interessierte Gäste und Insulaner. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei.“
Randnotiz: Einer der Enkel Tobars ist der Rote Funk Kurt Batzem, der zusammen mit der Gruppe der Funken am Wochenende auf die Insel kommt - und bisher selber noch gar nichts weiß von diesem geschichtlichen Ereignis früherer Tage. Er wird es am Samstag auf der Veranstaltung erfahren.