Kritik an Klaasohm-Prügelei auf Borkum: Bürgermeister fühlt sich ungerecht behandelt
Jahrzehntelang schauten alle weg: Polizei, Stadt und Gleichstellungsbeauftragte – Jetzt endet der gewaltvolle Brauch. Doch dazu war erst eine TV-Reportage nötig und ein riesiger Shitstorm im Internet. Urlauber stornierten Buchungen.
Lesedauer: ca. 2min 41secBorkum Seit Generationen feiert Borkum den Nikolausbrauch „Klaasohm“, nach heftiger Kritik soll dieses Jahr alles anders werden: Die Veranstalter kündigten an, den „Brauch des Schlagens“ vollständig abzuschaffen.
Polizei im Einsatz
Auch die Polizei bereitet sich auf den Einsatz in der Nacht zum 6. Dezember vor. „Wir fahren eine Null-Toleranz-Linie“, betonte ein Sprecher der Polizei. Warum die Polizei die Körperverletzungen bis dato immer toleriert und weggesehen hat, sagte er nicht. „Gewalt wird nicht akzeptiert.“ Die Beamten kündigten an, das Gespräch mit den Veranstaltern und dem Ministerium zu suchen. Dabei soll es auch um das bisherige Verhalten der Einsatzkräfte im Zusammenhang mit dem Brauch gehen. „Wir werden das intern aufarbeiten.“
Ein Bericht des ARD-Magazins „Panorama“ über die Tradition hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. In dem Beitrag berichten Borkumerinnen und Borkumer anonym von aggressiven Übergriffen. Ein Team filmte 2023, wie Frauen bei dem Fest auf der Straße von „Fängern“ festgehalten werden und ihnen die Klaasohms mit einem Kuhhorn auf den Hintern schlugen.
Viele Hass-Kommentare
Die Veranstalter des Fests auf der rund 5000 Einwohner zählenden Insel sprechen von einem „Shitstorm“. Der Verein Borkumer Jungens, die Stadt und das Nordseeheilbad würden seit Veröffentlichung des Beitrags mit Nachrichten und E-Mails überhäuft. In einigen Kommentaren online wird der Rücktritt des parteilosen Bürgermeisters Jürgen Akkermann gefordert, der das Statement des Vereins unterstützt. Laut Veranstalter sagen inzwischen auch Touristen ihren Urlaub auf der ostfriesischen Insel ab.
Veranstalter reuig?
Der Veranstalter, der Verein Borkumer Jungens, räumte ein, die Tradition könne im heutigen Zeitgeist und aus Sicht Außenstehender kontrovers wirken. Künftig sollen das Fest transparenter gestaltet und Missverständnisse aufgeklärt werden. „Wir verstehen die Kritik an den in der Reportage gezeigten Szenen und fühlen uns verpflichtet, weitere Veränderungen herbeizuführen.“
Das Schlagen mit Kuhhörnern sei in der Vergangenheit „und in Einzelfällen auch in den letzten Jahren“ Teil des Brauches gewesen, heißt es in der Stellungnahme. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre.“
Bürgermeister wiegelt ab
Der Bürgermeister stärkt den Veranstaltern den Rücken. Die Videosequenz zeige ein Fehlverhalten einzelner Menschen und könne „keinesfalls als Beleg dafür herhalten, dass die Insel Gewalt toleriert, wie es der Bericht suggeriert“, teilte Jürgen Akkermann mit. Die Recherche stelle ein verzerrtes Bild des Brauches dar. „Die Berichterstattung ist aus meiner Sicht tendenziös und unseriös. Diese Bewertung wird von vielen Bewohnerinnen und Bewohnern der Insel geteilt“, sagte Akkermann.
NDR-Reporter berichten hingegen, dass von offizieller Stelle alle Interviewanfragen abgesagt worden seinen.
Die Tradition gibt es seit Generationen jedes Jahr am Abend vor dem 6. Dezember. Nach Angaben der Ostfriesischen Landschaft verkleiden sich dabei junge, unverheiratete Männer mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern als sogenannte Klaasohms. Der Ausdruck „Klaas“ geht auf das niederländische Wort für Nikolaus zurück. Die Klaasohms begleiten dann einen als Frau verkleideten Mann, der sich als sogenannte Wievke mit Rock und Schürze wild gebärdet. Ausgestattet sind alle mit Kuhhörnern.
Auf Borkum wird sich erzählt, dass der Brauch auf die Zeit der Walfänger zurückgeht. Die Männer seien am Jahresende zurück auf die Insel gekommen, nachdem sie monatelang auf See waren, und hätten mit dem Brauch klargemacht, dass nun wieder sie – und nicht die Frauen – das Sagen hätten.