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4. Juni 2024, 07:28 Uhr

Lehrer in der Lebenskrise - Bettgeschichten und Online-Frust

Das neue Krummhörner Ensemble „Watt’n Theater“ liefert mit „Like You“ eine starke Premierenvorstellung. Die ist zwar auch richtig lustig - doch der Hintergrund ist ein ernster. Das macht das Stück zu einem „must see“.

Lesedauer: ca. 2min 46sec
Karla (Hanna Poppinga) und Paul (Karsten Rabenstein) haben sich gefunden. Allerdings kennen sich die zwei einstweilen nur unter ihren jeweiligen „digitalen Decknamen“ Sonja und Etienne.

Karla (Hanna Poppinga) und Paul (Karsten Rabenstein) haben sich gefunden. Allerdings kennen sich die zwei einstweilen nur unter ihren jeweiligen „digitalen Decknamen“ Sonja und Etienne. © Werner Jürgens

Ostfriesland Profil ausfüllen, hochladen und schon läuft der Rest per gegenseitigem „Like“ fast wie von selbst. Tatsächlich stellen sich so manche Menschen modernes Online-Dating vor. Nur was passiert, wenn die digital generierten Erwartungen auf die harte analoge Realität treffen? Damit beschäftigt sich das Stück „Like You“, das aktuell in einer Inszenierung des Krummhörner Ensembles „Watt’n Theater“ in der Alten Schule Pilsum gezeigt wird. Am Freitag war Premiere.

Unter Nickname auf einerDating-Plattform

Die Geschichte dreht sich um vier Personen. Eine davon ist die verträumte Romantikerin Karla, die sich auf einer Dating-Plattform Sonja nennt und dort den Lehrer Richard kennengelernt hat. Beim ersten persönlichen Treffen in einem Café will der Funke zwischen den beiden allerdings nicht so recht überspringen. Stattdessen landet Karla bald darauf mit Paul im Bett. Der erfolglose Schriftsteller ist zufälligerweise ein Kumpel von Richard und hat in dessen Wohnung Unterschlupf gefunden. Karla ahnt davon nichts. Auch Paul hat sich nämlich kurzerhand „umgetauft“ in Etienne und gibt sich obendrein als Arzt aus. Als sich dann noch Richards Therapeutin Sabine einmischt, nehmen die Irrungen und Wirrungen endgültig ihren Lauf. Denn sie ist Karlas Schwester, wovon wiederum Sabines Patient Richard nichts weiß.

Fake-Profile und Selfie-Wahn

„Like You“ stammt von Markus Köbeli, der 1956 in Bern geboren wurde und in seiner Heimat als Autor diverser Satiresendungen im Fernsehen bekannt geworden ist. In seinem Theaterstück verteilt er jede Menge kurzweilige Seitenhiebe auf zeitgenössische Online-Phänomene wie Fake-Profile oder Selfie-Wahn, wobei dem Ganzen als Ausgangsbasis die letztlich zeitlose alte Frage nach dem Unterschied zwischen Schein und Sein zugrunde liegt. Allein deswegen wäre es weit gefehlt, „Like You“ auf eine reine Verwechslungskomödie zu reduzieren, obwohl zündende Pointen keineswegs Mangelware sind. Während der Premiere am Freitag wurde jedenfalls immer wieder laut und herzlich gelacht. Es gab jedoch ebenso etliche nachdenkliche und ruhige Momente, in denen das Publikum muckmäuschenstill war, um gespannt dem Geschehen auf der Bühne zu lauschen. Wenn ein vergleichsweise junges Ensemble wie „Watt’n Theater“, das sich zudem erst vor anderthalb Jahren gegründet hat, einen solchen Spagat hinkriegt, ist das durchaus bemerkenswert; zumal die ohnehin anspruchsvollen Dialoge oft an verschiedenen und zum Teil rasant wechselnden Schauplätzen stattfinden. Das erfordert ein besonders präzises Timing.

Schauspieler kommen authentisch rüber

Darauf haben Regisseur Kuno Erdtmann, der auch für Licht und Ton sorgt, und seine Assistentin Meike Hinrichs ihr Quartett wirklich hervorragend eingestellt. Schauspielerisch kommen alle vier Charaktere absolut authentisch und glaubwürdig rüber. Hanna Poppinga als sympathisches und leicht verstrahltes Blumenkind Karla wirkt ebenso überzeugend wie Tina Saathoff in ihrer Rolle als vordergründig selbstbewusste Therapeutin Sabine, die ihre eigenen Probleme indes deutlich weniger souverän im Griff hat. Ähnlich hingebungsvoll interpretiert Peter Saathoff den eloquenten und in einer Lebenskrise befindlichen Lehrer Richard. Gleiches gilt für Karsten Rabenstein, dessen Figur Paul vielleicht ein ausgesprochener Luftikus sein mag, der im richtigen Augenblick dann aber doch Herz und Empathie zeigt. Abgerundet wird diese gelungene Inszenierung durch ein kreatives und mit spürbarer viel Liebe zum Detail gestaltetes Bühnenbild, für das Frank Poppinga verantwortlich zeichnet.

Wer erfahren möchte, ob sich in den Irrungen und Wirrungen am Ende die Richtigen finden werden: Es gibt noch zwei weitere Aufführungen von „Like You“ in der Alten Schule Pilsum. Die Termine sind am 7. und 8. Juni. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Nähere Informationen und Karten: www.wattntheater.de.

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