Moritz Bleibtreu wollte schon immer Schauspieler werden - „Aber in geil!“
Der Schauspielpreis-Träger des Emder Filmfestivals erzählt im Talk, warum er das Theater nicht mag, das Fernsehen noch viel weniger - dafür aber das Kino.
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Moritz Bleibtreu beim Filmfest in Emden: Sympatischer Junge von nebenan. © Stefan Bergmann
Emden Man backt einen Kuchen, isst ihn aber selbst nicht? Das ist verdächtig. Sehr. Man spielt in einem Film mit, schaut ihn aber selbst nicht? Das ist normal. Für Moritz Bleibtreu.
„Kennen Sie das nicht, sie sehen sich auf Familien-Video, und dann wird es komisch: Die eigene Stimme! Wie man da aussieht!“, sagt Bleibtreu um einzuführen in die wohl überraschendste Erkenntnis des Abends. Moritz Bleibtreu, einer der wohl bekanntesten, besten und dazu noch beliebtesten Schauspieler Deutschland: Er schaut sich seine Filme nicht an. Weil er sich selbst nicht sehen mag.
Samstagnachmittag, das Filmfest Emden läuft, Filmtee in der vhs: Es ist eng, es ist heiß, es gibt dazu - natürlich heißen - Tee, und einen Schauspielpreisträger, der überraschend schnell warm wird mit dem Publikum, mit ihm spielt, die ostrfriesische Teezeremonie vergeigt und es mit einem herzlichen Lachen nimmt.
Ist der wirklich so nett wie in seinen Filmen? Das ist das, was man wissen möchte als Zuhörer beim Filmfest. Und dazu vielleicht noch ein oder zwei Geheimnisse aus dem Privatleben.
Aber ja! Bleibtreu kommt rüber als der sympathische Typ von nebenan, der zwar schon viel gesehen und erlebt hat, aber damit nicht protzt. Und die Geheimnisse? Versuchen wir es damit:
- „Ich wollte nie zum Theater. Das war mir immer zu existenziell, zu intellektuell. Ja, ich wollte Schauspieler werden. Aber in geil.“
- „Ich habe 17 Jahre lang kein Fernsehen gemacht. Kino ist aktives Gucken. Fernsehen ist passives. Netflix & Chill - das sagt doch alles. Da wird Gucken zur Nebensache. Und ich hatte die Angst, dass ich beim Fernsehen irgendwann beim Tatort ende oder beim Fall für zwei.“
- Bleibtreu mag keine Serien. „Breaking Bad“ hat er als einzige Serie durchgeschaut. „Serien kosten so viel Zeit. Ich habe doch Kinder, eine Frau, mein Leben!“
Die Moderatorin (und Journalistin) Jenny Zylka hangelte sich beim Film-Thema routiniert durch die Filmographie des Stars. Gab Stichworte, stellte kleine Fragen - und Bleibtreu fing an zu erzählen. Er lachte, er schauspielerte, machte Witze, er sprach mit dem Publikum, er zog Grimassen und schlüpfte kurz in Rollen - die Stunde war schnell um. Ein besseres Kompliment kann ein Gast gar nicht mit nach Hause nehmen.
Ausgezeichnet für sein Lebenswerk
Beim Filmfest Emden-Norderney wird Bleibtreu für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Das beinhaltet viele Filme (Geheimtipp: „Cortex“, ein düsterer Thriller, von Bleibtreu selbst geschrieben aber keine Kost für jedermann), darunter auch zwei, die laut Bleibtreu einen Wendepunkt des deutschen Kinos darstellten: „Knocking on Heaven’s door“ und „Lola rennt“. Vorher habe niemand das deutsche Kino wahrgenommen. Weder inhaltlich, noch finanziell. Doch vor allem „Lola rennt“, dieser „kleine, abgefuckte, rotzige Film von einer Frau mit roten Haaren, die ihren Typen rettet“ (Bleibtreu) habe alles verändert. Menschen gehen millionenfach ins Kino. Die Geschichten sind gut. „Das war der Scheidepunkt des Kinos“, sagt Bleibtreu und zollte den Regisseuren Thomas Jahn und Tom Tykwer Respekt.
Die Stunde war vorbei.
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Und ja: Bleibtreu ist so nett, wie er in seinen Filmen rüberkommt. Einer der wenigen Mega-Stars, die Deutschland hat. Applaus!