Mutter und Kusine: Das Duo Infernale
Im Prozess um die schwere Misshandlung zweier Mädchen in Emden rückt die Verwandte in den Mittelpunkt. Sie soll die eigentliche Antreiberin gewesen sein. Doch die Aussagen widersprechen sich.
Lesedauer: ca. 2min 47secVon Martina Ricken
Aurich/Emden Wer war die treibende Kraft, wer beging die meisten Grausamkeiten? Diese Fragen stehen im Raum, nachdem im Prozess vor dem Landgericht Aurich gegen die 46-jährige Hauptangeklagte aus Schleswig-Holstein und ihren 44-jährigen Ex-Mann aus Emden zwei weitere Töchter der Frau gehört wurden.
Der 46-Jährigen wird zur Last gelegt, von 2011 bis 2016 in Emden ihre drei jüngsten Töchter massiv misshandelt gefangen gehalten zu haben. Außerdem wird ihr ein schwerer sexueller Missbrauch an einer ihrer Töchter vorgeworfen. Der Ex-Mann hatte vor Gericht gestanden, in zwei Fällen seine Töchter mit der Hand geschlagen zu haben. Der 44-jährige Vater spielte nach den Aussagen der Mädchen bezüglich der schrecklichen Anklagevorwürfe kaum eine Rolle. Er war unter der Woche beruflich bedingt nicht zu hause.
Es gibt allerdings unterschiedliche Angaben darüber, wer die treibende Kraft war. Denn auch die Kusine der 46-jährigen Angeklagten soll in erheblichem Maße in die Gewalttaten involviert gewesen sein. Insbesondere in den Schilderungen der ältesten Tochter trat diese Kusine, die ursprünglich auch auf der Anklagebank sitzen sollte, als treibende Kraft auf. Das Verfahren gegen die Frau aus Hinte wurde aus Krankheitsgründen abgetrennt.
Die älteste Tochter sagte – in Übereinstimmung mit ihren drei Halbschwestern – aus, dass es in der Kindheit zunächst keine Gewalt gegeben habe. Doch nach dem Tod der Großmutter habe ihre Mutter zunehmend Kontakt zu der Kusine und deren Mutter gesucht. „Es gab Gerüchte, dass sie in Geld schwimmen“, erzählte die Zeugin. Ihre eigene Familie sei nicht auf Rosen gebettet gewesen. Dann sei ihr Vater bei den Verwandten angestellt worden, ihre Wohnung sei renoviert und neue Möbel angeschafft worden. So sei eine Abhängigkeit zur Kusine der Mutter entstanden.
Fortan habe man sich täglich dort aufgehalten und sei erst abends in die eigene Wohnung zurückgekehrt. Ihre Aufgabe sei es gewesen, sich um den kleinen Sohn der Kusine zu kümmern. „Sie haben mich mal mit auf eine Kreuzfahrt genommen. Aber ich hatte nicht viel davon. Ich war nur das Kindermädchen“, so sagte die Zeugin aus. Ihre jüngeren Geschwister hätten den Auftrag bekommen, sich um den Haushalt der Kusine zu kümmern. „Sie haben von der Kusine auch den Auftrag bekommen, klauen zu gehen. Die Sachen hat sie dann über Ebay versteigert“, fuhr sie fort. Diese Kusine habe auch entschieden, ob die Kinder zur Schule gingen oder nicht. Erst mit dem täglichen Aufenthalt bei dieser Familie habe auch die Gewalt begonnen: Schläge mit den Händen und Gegenständen gegen den ganzen Körper der Kinder. Die Anlässe waren –wenn überhaupt vorhanden –nichtig. „Mutter und Stiefvater haben sich abhängig gemacht. Die Kusine hat alles in der Hand gehalten: Unser Wohl, unsere Wohnverhältnisse, die Intervention, wenn das Jugendamt vorstellig wurde“, so die Zeugin. Es sei wie in einer Sekte gewesen. Auf Geheiß der Kusine habe ihr Stiefvater sie auch zur Prostitution gebracht. „Er hat das Geld entgegengenommen und bei ihr abgeliefert“, so die Zeugin.
Ihre zweitjüngste Halbschwester beschrieb ihre Mutter, die sie nur beim Vornamen nannte, als Hauptakteurin. Denn auch zu hause seien die Kinder den Grausamkeiten der Mutter ausgesetzt gewesen. Sie erinnerte sich an Einzelheiten, die nicht Gegenstand der Anklage waren. So habe die Mutter sie in eine Regentonne gesetzt. „Anschließend mussten wir mit nassen Klamotten ins Bett“, berichtete die 22-Jährige. Einmal habe die Mutter sie im Winter gezwungen, in Unterwäsche auf den Balkon zu schlafen.
Der Prozess wird fortgesetzt.