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24. Oktober 2024, 06:00 Uhr

Neue Webseite erlaubt die Reise in die jüdische Geschichte in Ostfriesland

Das Internetportal „Frisia Judaica“ dokumentiert Historie der ehemaligen zwölf Gemeinden

Lesedauer: ca. 3min 00sec
„Wir sind erst am Anfang der Reise“, sagt der Journalist Matthias Süßen, der für die redaktionelle Gestaltung der Internetseiten verantwortlich zeichnet.

„Wir sind erst am Anfang der Reise“, sagt der Journalist Matthias Süßen, der für die redaktionelle Gestaltung der Internetseiten verantwortlich zeichnet. © Werner Jürgens

Ostfriesland In Ostfriesland lebten vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten rund 2000 Menschen jüdischen Glaubens. Ungefähr die Hälfte davon hat den Holocaust nicht überlebt. Damit ihr Erbe nicht in Vergessenheit gerät, hat sich unter Federführung des Kulturbüros der Ostfriesischen Landschaft eine Initiative gebildet, die sich seit 2013 um die Erforschung und Dokumentation des jüdischen Lebens auf der ostfriesischen Halbinsel kümmert. Die Ergebnisse dieses Netzwerks gibt es jetzt zusammengefasst auf der Internetseite www.frisia-judaica.de. Dabei geht der Blick auch, aber keineswegs nur in die Vergangenheit.

Seit dem 16. Jahrhundert ist jüdisches Leben bekannt

Gesicherte Belege für ein jüdisches Leben in Ostfriesland existieren seit dem 16. Jahrhundert. Jüdische Gemeinden gründeten sich in Emden (um 1530), Norden (1577), Jemgum (1604), Leer (1611), Aurich (1636), Esens (1637), Wittmund (1637), Neustadtgödens (1639), Weener (1645), Bunde (1670) und Dornum (1717). Das Fürstenhaus der Cirksenas duldete die Juden und gewährte ihnen sogar gewisse Privilegien, die sie andernorts in Deutschland nicht genossen. Ab 1744 mit der Machtübernahme der Preußen änderte sich die Lage. Deren Politik zielte darauf ab, den jüdischen Bevölkerungsanteil zu minimieren, was sich in einer entsprechenden Gesetzgebung

Neue Webseite erlaubt die Reise in die jüdische Geschichte in Ostfriesland
niederschlug. Unter Napoleon und dem Königreich Hannover herrschte dann wieder ein etwas liberaleres Klima, bevor 1866 erneut die Preußen ans Ruder kamen. Abermals sahen sich auch die Juden mit rechtlichen Diskriminierungen konfrontiert. Die meisten dieser Gesetze wurden allerdings bis zum Ende des Ersten Weltkrieges schrittweise abgebaut.

Heinrich Heine und Franz Kafka gehörten zu den Gästen

1878 entstand auf Norderney eine Außenstelle der Norder Synagogengemeinde. Zu den illustren Feriengästen, die auf der Insel Urlaub machten, zählten auch die Schriftsteller Heinrich Heine und Franz Kafka und der russische Filmemacher Sergej Eisenstein. Welches Ansehen die Juden zum Teil genossen, belegt die Tatsache, dass in Aurich 1810 eine Synagoge errichtet werden konnte, nachdem die gesamte Bevölkerung dafür gespendet hatte. Der Auricher Bürgermeister Karl Anklam unterband noch 1931 eine Aktion von Nazi-Schergen, die die Leute dazu zwingen wollten, nur bei Christen einzukaufen. Nichtsdestotrotz war auch Ostfriesland nicht frei von antisemitischen Strömungen. Eine der Hochburgen war Borkum. Hotels warben dort bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit den Prädikat „judenfrei“. In den 1920erjahren tat sich der Borkumer Pastor Ludwig Münchmeyer mit üblen rassistische Hetztiraden hervor. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten spitzte sich die Situation, wie überall in Deutschland, dramatisch zu. Vorläufiger Höhepunkt waren die Novemberpogrome von 1938, als auch in Ostfriesland die Synagogen brannten. Bis 1941 wurden die verbliebenen Juden aus der Region vertrieben, und ein Großteil von ihnen in Konzentrationslagern umgebracht.

„Wir haben Verantwortung“

„Unsere Generation ist nicht schuld an den Verbrechen der Nazis“, meinte der Präsident der Ostfriesischen Landschaft, Rico Mecklenburg, anlässlich des offiziellen Starts des neuen Internetportals. „Aber wir haben eine große Verantwortung, dass sich das nicht wiederholt.“ Angesichts von wachsendem Antisemitismus und Rechtspopulismus müssten deswegen vor allem jüngere Menschen erreicht und aufgeklärt werden, betonte Mecklenburg. Genauso sieht das der Journalist Matthias Süßen, dem die redaktionelle Gestaltung der Internetseiten oblag. „Wir stehen erst am Anfang einer Reise“, erklärte Süßen während der Präsentation des Portals. Er würde speziell den grenzüberschreitenden Austausch gern noch weiter ausbauen. Momentan sind die Inhalte sortiert nach den zwölf einstigen jüdischen Gemeinden in Ostfriesland abrufbar. Darüber hinaus findet man auch Informationen über die Nachbargemeinden Wilhelmshaven, Jever und Varel sowie Bourtange in den Niederlanden. In den einzelnen Artikeln wird zunächst die Geschichte des jüdischen Lebens in der jeweiligen Gemeinde beschrieben und anschließend auf die Erinnerungsarbeit vor Ort eingegangen (wie Stolpersteine, Gedenkstätten, Vereine). Ergänzt werden soll das Ganze dann irgendwann mit einem aktuellen Veranstaltungskalender. Die Verantwortlichen streben kein statisches Internetportal an und sind offen für Mitstreitende. Interessenten können sich an das Büro der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft wenden. Ansprechpartner dort ist Dr. Welf-Gerrit Otto, Telefon 04941/179957 oder E-Mail otto@ostfriesischelandschaft.de.

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