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11. Dezember 2023, 09:00 Uhr

Norder demonstrieren solidarisch gegen Hass und für Menschenrechte

Mehr als 300 Norderinnen und Norder setzen ein Zeichen für Toleranz, Demokratie und eine gerechtere Welt anlässlich des 75. Jahrestags der Menschenrechte

Lesedauer: ca. 3min 56sec

Norden Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt folgten rund 300 Menschen aller Altersgruppen dem Aufruf von Amnesty International Norden, ATTAC Norden, CDU Norden, DGB Ortsverband Norden, die Grünen Norden, evangelisch-lutherischer Kirchenkreis Norden, Klimagruppe Norden, ökumenischer Arbeitskreis Norden, SPD Norden und Terres de Femmes Norden zu einer Kundgebung gegen Hass, Hetze und Menschenverachtung am vergangenen Freitag um 18 Uhr auf dem Arp-Schnitger-Platz in Norden. Die unterschiedlichen Parteien und Gruppierungen setzten ein Zeichen zur Verteidigung der Demokratie, zum Eintreten für eine buntere Gesellschaft, zum Engagement für einen mitmenschlichen Umgang auf allen Ebenen und insbesondere auch gegen Kinderarbeit, Menschenhandel und Sexsklaverei sowie gegen Antisemitismus, Rassismus und menschenverachtenden Hass, der dem Terror den Weg bahnt. Vor allem aber kamen in den Redebeiträgen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zur Sprache. Mit dem gemeinsam gesungen Lied „We shall overcome“ des amerikanischen Bürgerrechtlers und Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King endete die Veranstaltung.

Auch bei niedrigen Temperaturen setzen sich die Norderinnen und Norder für eine bessere Welt ein. Fotos: Meret Edzards-Tschinke

Auch bei niedrigen Temperaturen setzen sich die Norderinnen und Norder für eine bessere Welt ein. Fotos: Meret Edzards-Tschinke © Edzards-Tschinke met

75 Jahre Menschenrechte

Mit „Moin und Schalom“ begrüßte Eva Requardt-Schohaus (Terres de Femmes Norden) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung. Von ihrer Städtegruppe sei die Initiative der Veranstaltung ausgegangen, deshalb durfte sie diese moderieren, erklärte sie. Dann blickte sie 75 Jahre zurück: „Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von den Vereinten Nationen verabschiedet, zehn Jahre nach der Zerstörung der Synagogen in Deutschland. Nun müssen wir Angst haben, dass Hetze und Hass wieder über die Menschlichkeit siegen, dagegen müssen wir mit aller Macht kämpfen!“ Im weiteren Verlauf ihrer Rede erwähnte sie die Norder Jüdin Recha Freier, die durch die von ihr gegründete Jugend-Aliyah Tausenden von jungen Juden und Jüdinnen zur Flucht nach Israel verhalf und ihnen damit das Leben rettete. Recha Freier hatte in ihren Kindheitserinnerungen nicht vergessen, dass am Norder Blücherplatz am Weg in den Stadtgarten ein großes, weißes Schild stand mit der Aufschrift „Eintritt für Hunde und Juden verboten“. „Diese Zeiten dürfen niemals wiederkommen!“, forderte Eva Requardt-Schohaus und erinnerte an das vorbildliche Handeln in Norden und Norddeich vor 45 Jahren, als die sogenannten Boatpeople aus Vietnam nach Ostfriesland kamen.

Mit seiner kleinen Tochter Rieke-Elisabeth auf dem Arm trat Nordens Bürgermeister Florian Eiben (SPD) auf das Rednerpult. „Meine Frau muss arbeiten und meine Schwiegermutter ist krank“, erklärte er und begann seinen Redebeitrag mit den Worten: „Heute trete ich vor Sie nicht nur als Bürgermeister, sondern als Mitmensch, der tief in seinem Herzen die Werte von Toleranz, Mitgefühl und Gerechtigkeit verankert hat. Anlässlich des Tages der Menschenrechte am Sonntag wollen wir gemeinsam ein entschiedenes Zeichen gegen Terror, Verfolgung, Antisemitismus, Rassismus und jeglichen menschenverachtenden Hass setzen! Das alles hat keinen Platz in unserer Stadt!“ Zum Schluss wünschte der Bürgermeister, dass diese Kundgebung nicht nur ein Moment des Gedenkens und der Reflexion, sondern der Beginn einer verstärkten gemeinsamen Anstrengung für eine gerechte, tolerante und liebevolle Welt sein würde. Für den erkrankten Ortsverbandsvorsitzenden des DGB, Hans Forster, sprach Günter Beyer von der GEW. Er erklärte sich mit dem Inhalt des Aufrufs zur Kundgebung solidarisch und stellte mit Blick auf die Einschüchterungen und Bedrohungen der Jüdinnen und Juden fest, dass niemand wegen seiner Religion, Weltanschauung oder Herkunft benachteiligt werden dürfe. Dann fügte er noch hinzu: „Gleichzeitig betone ich jedoch: Es ist kein Antisemitismus, wenn man die Regierung Netanjahu und ihre Siedlungspolitik kritisiert. Wir verurteilen den abscheulichen Terror der Hamas gegen die Menschen in Israel. Gleichzeitig wenden wir uns entschieden gegen die nach der Genfer Konvention unverhältnismäßigen Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Regierung. (…) Wir drängen auf einen gerechten Frieden für Israel und Palästina, der beiden Völkern das Existenzrecht in eigenen Staaten garantiert.“

Bürgermeister Florian Eiben hält eine Rede, seine Tochte hat er dabei auf dem Arm.

Bürgermeister Florian Eiben hält eine Rede, seine Tochte hat er dabei auf dem Arm. © Edzards-Tschinke met

Krieg ist allgegenwärtig

„Krieg ist heutzutage in der Welt allgegenwärtig. Aktuell herrscht auf fünf von sieben Kontinenten Krieg: im Jahr 2022 sind 238000 Menschen durch Kriege oder bewaffnete Konflikte gestorben, so viele wie seit 30 Jahren nicht mehr. Das sind zehnmal so viele Menschen, wie hier in Norden wohnen“, teilte Nordens Jugendbürgermeisterin Merle Gatena zu Beginn ihrer Ausführungen mit. „Die Menschen in Gaza, der Ukraine oder den anderen Ländern und Regionen, in denen Krieg herrscht, leiden; sie haben ihr Zuhause, ihre Familienmitglieder, ihr Leben, wie es einmal war, verloren“, stellte sie fest. „Vielen Kriegsführenden geht es heute darum, den Krieg so lange wie möglich fortzuführen, weil sie von einem langwierigen Geschehen profitieren“, prangerte Jugendbürgermeisterin Gatena an und forderte alle auf, gemeinsam ihren Teil zum Frieden beizutragen.

Als letzter Redner sprach Superintendent Christian Neumann des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Norden von der Würde, die manche Menschen nur noch als Konjunktiv kennen würden. Neumann sagte, oft unterbrochen von Beifall der Kundgebungsteilnehmer, unter anderem: „Wir aber wissen von einer Würde, die niemandem genommen werden kann. Sie ist das Fundament des Zusammenlebens, diese ist die Basis unserer Demokratie. Deshalb steht Ihr hier, würdevoll, und tragt das Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Ich als Mensch kann es nicht hinnehmen, dass andere wegen ihres Glaubens bedrängt oder bedroht werden. Es schreit zum Himmel, es ist zum Weinen.“ Im weiteren Verlauf seiner Ansprache machte Neumann deutlich, dass immer größere Waffenlieferungen keinen Frieden bringen würden. „Würde und Menschlichkeit sollen leben in unserem Land. Wir werden siegen!“

Auf dem Weg zum Parkplatz sprach der KURIER noch mit einer Norder Bürgerin. Sie hatte einen deutlichen Appell an die Deutsche Bundesregierung vermisst, keine weiteren Waffen an die Ukraine zu liefern. „Darin verdient vor allem die Firma Rheinmetall“, meinte sie zum Schluss. Viel verstanden habe sie in einer der letzten Besucherreihen nicht, die Lautsprecheranlage sei wohl zu schwach gewesen. Allein Superintendent Neumann sei dort auch zu hören gewesen.

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