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27. August 2024, 17:04 Uhr

Norder Schäfer bangen um ihre Tiere

Die Blauzungenkrankheit grassiert in Deutschland und setzt besonders Schafen und Rindern zu. Wie können sie geschützt werden?

Lesedauer: ca. 3min 20sec
Eine Impfung gilt als sicherstes Mittel gegen die Blauzungenkrankheit.

Eine Impfung gilt als sicherstes Mittel gegen die Blauzungenkrankheit. © Foto: dpa

Norden Der Deichschäfer Janko Schneider ist in Sorge. 60 Tiere seines Bestandes hat er an die tückische Blauzungenkrankheit verloren. Impfungen helfen, sind aber offensichtlich kein Allheilmittel.

Am 14. August ist Deutschland im Hinblick auf die Blauzungenkrankheit nicht mehr „seuchenfrei“. An diesem Mittwoch wurde auch in drei bayerischen Schafhaltungen die Infektion mit BTV-3 bestätigt. Seit sich im September 2023 dieser Typ des Blauzungenvirus’ in den Niederlanden in kürzester Zeit großflächig ausgebreitet hatte und dann am 12. Oktober in Nordrhein-Westfalen die erste deutsche Infektion festgestellt wurde, greift die Krankheit landesweit um sich. Im ganzen Bundesgebiet sollen knapp 5000 Betriebe betroffen sein. Laut niedersächsischem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden knapp 1500 Betriebe in Niedersachsen positiv getestet (Stand: 23. August 2024). Der von Janko Schneider gehört dazu. Seine Schafe grasen auf einer rund 17 Kilometer lange Deichstrecke von Ostermarsch bis Dornumersiel, sind also immens wichtig für den Küstenschutz. Um die 2000 Vierbeiner festigen den Deich. Seit der aktuellen Welle der Blauzungenkrankheit schwindet sein Bestand.

Gnitzen-Mücke sorgt für Infektion

Die Krankheit, die für die Menschen ungefährlich ist, wurde erstmal Mitte der 1990er-Jahre in Afrika diagnostiziert, zu Beginn des neuen Jahrtausends kam sie nach Europa. So schlimm wie in diesem Jahr trat sie noch nicht auf. Betroffen sind Wiederkäuer, also Schafe, Ziegen, Rinder, aber zum Beispiel auch Alpakas. Sie alle sind Opfer der Gnitzen-Mücke. Für diese Insekten waren die vergangenen Wochen ideal. Feucht-warmes, schwüles Sommerwetter sorgte, vor allem nach dem milden Wetter, für eine „explosionsartige Vermehrung“, wie Manfred Tannen, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, berichtet.

Wenn eine Gnitze sticht, können Schaf und Co. infiziert werden. Nach der Inkubationszeit von etwa sieben Tagen leidet es an Fieber, einem verminderten Appetit, vermehrtem Speichelfluss. Die blaue Zunge, Namensgeber der Krankheit, kommt nur in seltenen Fällen vor. Janko Schneider sieht aber, wie seine Schafe matt werden, sie laufen schlecht, haben dicke Schnauzen, erblinden. Viele sind gestorben.

Die Blauzungenkrankheit sei keine Krankheit, „die sich verwächst“, erklärt Oberdeichrichter Carl Noosten von der Deichacht Norden. Die Tiere selbst können sich zwar nicht gegenseitig anstecken, erkrankte würden aber vor allem Folgeschäden davontragen. Lämmer eines infizierten Tieres seien beispielsweise oft missgebildet.

Impfung heilt nicht alle Leiden

Experten raten zur Impfung. Dem ist Janko Schneider wie so viele andere Tierhalter nachgekommen. Genutzt hat es nur bedingt. Er sieht einen milderen Verlauf bei seinen Schafen. Aber immer wieder verendeten auch welche, sagt er, während er über den Deich wandert und seinen Bestand begutachtet. Hauptsächlich die Lämmer sind es, die die Krankheit nicht überlebt haben. Bei den Mutterschafen, die er alle hat impfen lassen, sieht es besser aus.

Ein Problem der Impfung besteht allerdings darin, dass oftmals unklar ist, ob das Tier nicht bereits infiziert ist, wenn es geimpft wird. Wird es zu diesem Zeitpunkt geimpft, können die Auswirkungen der Krankheit sich verstärken.

Dennoch ist der erste Rat, die Tiere mit der Injektion zu schützen. Die Impfung kostet 3,66 Euro zuzüglich der Tierarztkosten, die je nach Arbeitsaufwand variieren. Drei Euro übernimmt die Niedersächsische Tierseuchenkasse. Auf den Kosten für die verendeten Schafe bleiben Janko Schneider und seine Schäferkollegen allerdings sitzen. Seit Juli werden nur noch die Impfkosten übernommen. Ob das gerecht ist? Für tote Schweine und Hühner gibt es eine Erstattung, Schäfer, die auch in die Seuchenkasse einzahlen, gehen aktuell leer aus. Es können allerdings Härtefälle gemeldet werden. Janko Schneider kennt Betriebe, die ein Drittel ihres Bestandes verloren haben. Hier geht es um die Existenz. Die Herden wurden nicht in wenigen Wochen gebildet.

Auch Rinder sind immens betroffen

Es sind aber nicht nur Schäfer, die über die Auswirkungen der Blauzungenkrankheit klagen. Auch die Rinderzüchter wurden in diesem Jahr von der Infektionswelle überrascht. Manfred Tannen, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, rät daher: Auch diese Tiere sollen geimpft werden. Er weiß, dass Rinder nicht bezuschusst werden, doch dies soll sich zu nächsten Saison ändern. Entsprechende Pläne sind gefasst.

Tannen rät, dass eine Impfung auch jetzt noch vorgenommen werden soll. Bis Oktober sind die Gnitzen wohl noch aktiv und damit eine Gefahr für die Wiederkäuer.

Während darüber diskutiert wird, ob die Tierseuchenkasse weitere Kosten übernehmen soll, steht Schäfer Janko Schneider auf dem Deich und untersucht seine Tiere. Die ganze Blauzungengeschichte hat noch eine andere Gefahr ausgelöst: Fliegenmaden setzen sich in den Klauen der Schafe fest, wandern dann in die Wolle und fressen die Tiere auf. Das Schaf, das er aktuell untersucht, ist nicht befallen. Eine Sorge weniger. Fürs Erste.

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