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19. Februar 2024, 15:49 Uhr

Notaufnahmen in Niedersachsen und Bremen zunehmend überlastet

Immer mehr Menschen kommen in Niedersachsen und Bremen in die Notaufnahme - auch wenn sie keinen Notfall haben. Das sollen vielerorts Werbekampagnen ändern. In Göttingen gibt es eine andere Idee.

Lesedauer: ca. 2min 58sec
Viele Menschen kommen mit Bagatellkrankheiten in die Notaufnahme und blockieren so Kapazitäten für wichtige Fälle.

Viele Menschen kommen mit Bagatellkrankheiten in die Notaufnahme und blockieren so Kapazitäten für wichtige Fälle. © Hoffschulte

Hannover/Bremen Immer mehr Menschen in Niedersachsen und Bremen kommen in die Notaufnahmen. Oft jedoch zu Unrecht, weil sie gar keinen akuten Notfall haben. Das hat eine stichprobenartige Umfrage der dpa ergeben. Das Klinikum Osnabrück teilte etwa mit, dass es dort deshalb zeitweise zu Kapazitätsengpässen komme.

„Insgesamt ist das Patientenaufkommen in unseren Notaufnahmen in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen und liegt seit 2021 auf einem konstant hohen Niveau“, sagte auch eine Sprecherin des Bremer Klinikverbundes Gesundheit Nord. Ähnliches berichtet die Trägergesellschaft der ostfriesischen Kliniken in Aurich, Emden und Norden. Viele Menschen würden die Zentralen Notaufnahmen wegen Bagatellerkrankungen wie Schnupfen, Heiserkeit oder Kopfschmerzen aufsuchen. „Die richtige Anlaufstelle für sie wären der ambulante Bereitschaftsdienst oder Vertragsärzte“, sagte eine Sprecherin.

Kliniken: Patienten können Beschwerden teilweise nicht einschätzen

Ein Grund, warum immer mehr Menschen in die Notaufnahmen kämen, liege in der Abdeckung mit Haus- und Fachärzten, vermuten die Kliniken. Vor allem im ländlichen Raum sei das feststellbar, teilte die ostfriesische Trägergesellschaft mit. Zudem würden die Patienten Beschwerden teilweise nicht richtig einschätzen können, hieß es vom Klinikum Osnabrück. Auch wüssten sie teilweise nicht in welchen Fällen die Notaufnahme tatsächlich aufgesucht werden sollte.

Die Medizinische Hochschule Hannover teilte mit, dass im vergangenen Jahr etwa 40 Prozent der 62.000 Patientinnen und Patienten in der Zentralen Notaufnahme keine gravierenden Erkrankungen oder Verletzungen hatten. „Das spricht dafür, dass mangelnde Selbsteinschätzung durchaus eine Rolle spielt“, sagte eine Sprecherin.

Überfüllte Notaufnahmen sorgen für längere Wartezeiten

Das Problem: Je mehr Menschen die Notaufnahme aufsuchen, desto mehr würden Ressourcen verschwendet, die für die Versorgung von tatsächlichen Notfällen gebraucht werden, erklärte die ostfriesische Trägergesellschaft. Folgen seien unter anderem längere Wartezeiten, eine höhere Belastung für das Personal und Kostensteigerungen, teilte das Klinikum Osnabrück mit.

Die Bremer Krankenhäuser und die Bremer Gesundheitsbehörde haben deshalb im vergangenen Jahr versucht, mit einer Kampagne auf die Lage aufmerksam zu machen. Ein ähnliches Projekt soll am Freitag in Hannover bei einer Pressekonferenz mit dem Niedersächsischen Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) vorgestellt werden. Die Notaufnahmen der Region möchten mit Plakaten unter dem Motto „Kein Fall für die Notaufnahme“ auf ihre Situation hinweisen. „Notaufnahmen sind ausschließlich für echte Notfälle, also sehr schwere, lebensbedrohliche Erkrankungen da“, hieß es in einer Mitteilung dazu.

Bund und Land arbeiten an Lösung

Alle Bereiche der Notfallversorgung in Niedersachsen seien überlastet, sagte ein Sprecher des Niedersächsischen Gesundheitsministeriums vorab. So würden teilweise auch Rettungswagen gerufen, wenn kein Notfall vorliege. Es handele sich um ein bundesweites Problem, daher gebe es auch Reformpläne auf Bundesebene. Dabei gehe es letztlich darum, dass kranke Menschen die richtige Nummer wählen: den Notruf 112 für lebensgefährliche Situationen und die Nummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117 etwa bei Erkältungen. Bundesweit seien verbindliche Anrufzeiten für die 116 117 geplant. Niedersachsen plane zudem auf Landesebene die 112 und die 116 117 besser zu verzahnen, damit Anrufe untereinander übergeben werden können.

Das Klinikum Osnabrück sowie die Universitätsmedizin Göttingen haben bereits seit einiger Zeit auf die Lage reagiert. In Osnabrück wurde 2021 die Notdienstambulanz der Kassenärzte neben der Notaufnahme angesiedelt. Außerhalb der üblichen Öffnungszeiten von Praxen wird dort eine hausärztliche Behandlung angeboten. Patienten würden von einem gemeinsamen Tresen entweder zum Notdienst oder der Notaufnahme weitergeleitet. Parallel dazu sei auch das Personal der Notaufnahme aufgestockt worden.

Alternatives Modell: Gute Erfahrungen in Göttingen

In Göttingen wurde ein ähnliches Modell bereits 2011 eingeführt. Während der regulären Dienstzeit wird die Notdienstpraxis dort von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Notaufnahme geführt. Danach werden Menschen dort von Kassenärzten behandelt. Patienten würden bei ihrer Ankunft nach einer Ersteinschätzung entweder der Praxis oder der Notaufnahme zugewiesen. „Hierdurch wird eine Steuerung der Patientenströme in der Notfallversorgung umgesetzt, die es erlaubt, alle Notfälle - also auch die nicht dringlichen Fälle - zeitgerecht zu behandeln“, sagte eine Sprecherin.

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