Paul Panzer: „Ich bin kein Moralapostel“
Comedian Dieter Tappert verrät im KURIER-Interview, warum er sein Alter Ego für eine eher tragische Figur hält
Lesedauer: ca. 4min 28secAurich Im Januar 2024 sorgte Dieter Tappert alias Paul Panzer mit seinem Programm „Apaulkalypse“ in der Auricher Sparkassenarena für eine restlos ausverkaufte Halle. Am 12. Januar 2025 kehrt er deswegen noch einmal mit einer Zusatzshow zurück, Beginn ist um 18 Uhr. Aus diesem Anlass stand der Comedian in folgendem Interview Rede und Antwort.
KURIER: Was sagt Paul Panzer zur aktuellen politischen Lage in Deutschland und der Welt?
Paul Panzer: Normalerweise versucht Paul, solche Dinge außen vor zu lassen, weil es viele Leute gibt, die politisches Kabarett wesentlich besser können. Außerdem sind mir diese Themen oft zu komplex, um sie kurz anzureißen und darüber einen Witz zu machen. Deswegen bin ich da ein wenig zwiegespalten, obwohl ich ab und an schon so ein paar kleine Seitenhiebe in diese Richtung einbaue. Zum Beispiel hat Pauls Tochter Susaska einen Russen als Freund. Immer wenn der kommt, macht Paul die Heizung aus, und sobald der sich beschwert, weil ihm zu kalt ist, antwortet Paul: „Junge, ruf doch deinen Präsidenten an. An mir liegt das nicht“. Oder wenn Trump wieder auffällig wird, nehme ich das manchmal spontan mit auf, wenn es passt. Aber das ist kein fester Bestandteil meines Bühnenprogramms.
Trotzdem ist das Programm durchaus gesellschaftskritisch, beispielsweise mit Blick auf unser Konsumverhalten.
Da kommt auch Paul nicht dran vorbei. Wir machen ja nichts mehr. Wir reparieren selbst nichts mehr. Alles wird „outgesourct“. Der Stahl kommt aus Indien, und der Plastikmüll kommt aus China. Du kriegst zwar jede Menge Klamotten für kleines Geld, aber die haben keinen Wert mehr. Darüber mache ich meine Witze, indem ich zum Beispiel erzähle: „Neulich ist bei uns eine KIK-Filiale abgebrannt – Warenwert 17 Euro“. Wir sollten schon einiges überdenken, wenn wir das denn wollen. Als Jugendlicher bin ich oft aufgezogen worden, weil ich sehr spartanisch eingerichtet war. Irgendwann habe ich mir einen Sport draus gemacht. Bis heute kaufe ich mir wenig neue Sachen. Wenn ich mir etwas Neues kaufe, ist das oft Werkzeug, womit ich dann selber etwas Neues machen kann. Für Luxusartikel habe ich überhaupt keinen Sinn.
Ist das als so eine Art Botschaft gemeint?
Mir ist immer ganz wichtig, und das kehre ich im Programm auch raus: Ich bin kein Moralapostel. Ich beschreibe nur, wie es ist, ohne dabei zu verschweigen, dass ich selber auch Konsument bin. Trotzdem finde ich es wichtig, hin und wieder innezuhalten und sich zu fragen: „Brauche ich das jetzt wirklich?“ Da sind die Leute auch bei mir. Wenn ich von „Frust-Shopping“ bei Frauen spreche, denen morgens nach dem Aufwachen beim Anblick ihres Mannes einfällt: „Ich brauche eine neue Handtasche“, ist das immer ein großer Lacher. Denn die verstehen sehr gut, was ich damit meine. Ich verstehe die Situation umgekehrt genauso. Die meisten machen Jobs, die sie mehr oder weniger mögen, um zu leben. Du gehst jeden Tag arbeiten, hast vielleicht 30 Tage Urlaub und sonst nur am Wochenende frei. Da entsteht das Bedürfnis, sich irgendwann einfach mal etwas gönnen zu wollen. Das ist ja auch so ein Spruch, den ich absolut verstehen kann. Trotzdem sollte man vielleicht ein bisschen genauer hingucken und sich fragen: „Was gönne ich mir und wann gönne ich mir das?“
Was gönnt sich denn Paul Panzer gerne?
Ich versuche mich da nicht in eine bestimmte Schublade reinpacken zu lassen, dass zum Beispiel die Fleischlobby auf den Gedanken kommt, sie könnte mit mir werben. Umgekehrt sollen mich die Vegetarier genauso in Ruhe lassen. Daran merkt man, wie komplex das Ganze ist und dass die Wahrheit wie so oft eben meistens irgendwo dazwischen liegt.
Und wie kauft Paul Panzer ein?
Natürlich bestellt auch er online. Wenn es Duschgel im Angebot gibt, bestellt er sich gleich 30 Stück und stellt sie in den Keller, damit er die bei den normalen Einkäufen nicht mit sich rumschleppen muss. Nachdem seine Frau Hilde 30 Jahre lang eingekauft hat, hat sie jetzt genug und meint zu ihm: „Das letzte Quartal machst du“. Das ist für Paul eine völlig neue Situation. Als er das letzte Mal eingekauft hat, gab es die Sachen noch lose im Glas. Inzwischen hat sich auch da einiges verändert. Supermärkte sind strategisch aufgebaut, sodass du dich darin verirrst und möglichst lange einkaufst. Dafür haben die ihre Tricks. Jeder kennt doch diese Einkaufswagen, wo das eine Rad schief steht, sodass es dich nach rechts zieht, obwohl du nach links willst. Das ist alles Marketing, zumindest in Pauls Theorie. Oder er ist oft auch einfach nur überfordert.
Zum Beispiel?
Als er Alkohol kaufen möchte, merkt er, dass die guten Sachen alle hinter Glas weggesperrt sind. Frei herum steht nur das Zeug für die Scheibenwaschanlage oder wo du blind von wirst. Trinken kannst du das jedenfalls nicht. Also musst du klingeln wie ein Zeuge Jehovas. Das ist für Paul alles zu viel.
Findet Paul einen Ausweg aus diesem Dilemma?
Ich werde das in meinem neuen Programm weiterführen. Das trägt den Titel „Schöne neue Welt – willkommen in der Hölle“. Und spätestens da wird deutlich, dass Paul keine Antwort hat. Paul ist eigentlich eine eher tragische Figur. Ähnlich wie in der griechischen Mythologie der Sisyphos, der immer wieder den Felsen den Berg heraufrollt; oder der, wie in meinem Fall, immer wieder klarzumachen versucht: „Leute, so geht das nicht, wir müssen was ändern“, nur um beim nächsten Mal doch wieder ganz von vorne anzufangen.
Klingt, als ob Paul im Vergleich zu früher ernster und tiefsinniger geworden ist. Ziehen die Fans da entsprechend mit?
Wenn ich rein nach den Verkaufszahlen gehe, war „Apaulkalypse“ die beste Tour aller Zeiten. Wobei das für mich nie im Vordergrund steht und mir im Prinzip auch völlig egal ist. Das betrachte ich als den wahren Luxus. Ich mache das, weil ich Freude daran habe, Menschen zum Lachen zu bringen. Wenn ich sehe, dass das mit einem sozial- und gesellschaftskritischen Blick auf die Dinge klappt, bin ich umso glücklicher und mache genauso weiter. Wenn da nur noch drei Leute sitzen, würde ich aber auch genauso weitermachen. Allerdings merke ich an den Reaktionen und in Gesprächen, dass ich ein wirklich unglaublich treues Publikum habe. Das geht ähnlich wie es auf manchen Spielepackungen draufsteht, von 8 bis 88 Jahren. Die ganz junge TikTok-Generation ist vielleicht nicht so stark vertreten. Die sind mir aber ohnehin nicht so wichtig, weil sie sind heute hier und morgen dort. Einige Fans kommen hingegen schon seit über 20 Jahren zu meinen Shows, und wahrscheinlich werden wir irgendwann alle zusammen simultan beerdigt.