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15. Oktober 2024, 06:00 Uhr

Poetry Slam in Borssum: Norddeutsche Weisheiten und eine tote Katze

Beim ersten Borssumer Comedy-Slam gab es ein Unentschieden: Sebastian Hahn und Tilman Döring können beide überzeugen

Lesedauer: ca. 2min 42sec
Wer als Kind zu intensiv „Aktenzeichen XY“ geschaut hat, sollte lieber nicht nachts joggen gehen, lautet eine der Lebensweisheiten von Sebastian Hahn. Foto: Werner Jürgens

Wer als Kind zu intensiv „Aktenzeichen XY“ geschaut hat, sollte lieber nicht nachts joggen gehen, lautet eine der Lebensweisheiten von Sebastian Hahn. Foto: Werner Jürgens © wj

Emden Am Ende kürte das Publikum zwei Sieger: Der Bremer Sebastian Hahn und Tilman Döring aus Leipzig sind die Gewinner des ersten Borssumer Comedy-Slams. Die Veranstaltung fand am Freitagabend im Borssumer Sportzentrum statt. Insgesamt wetteiferten drei Wortakrobaten und eine Wortakrobatin um den Titel. Durch das Programm führten Hauke Schrade aus Delmenhorst und die Emder Lokalmatadorin Mia Heuse.

Eigene Texte, die nicht länger als ein paar Minuten dauern und ohne Requisiten oder Verkleidungen vorgetragen (und nicht gesungen) werden – darum geht es auf einen kurzen Nenner gebracht in einem Poetry-Slam. Der Vorsatz „Comedy“ schränkt das Ganze nur insofern ein, als dass die Inhalte nach Möglichkeit auch komisch sein sollten. Solcherlei Erklärungen machten am Freitag absolut Sinn, da das Publikum in der Borssumer Sporthalle altersmäßig erfreulich gemischt war und viele ihren allerersten „Poetry-Slam“ erleben durften.

Die vier Wettstreitenden hatten zunächst je zwei Solo-Auftritte in zwei Durchgängen mit einer Pause dazwischen. Für die Punktevergabe hatte Hauke Schrade an ausgewählte Leute im Publikum entsprechende Tafeln mit Zahlen von Eins bis Zehn verteilt. Tilman Döring musste gleich zum Auftakt der ersten Runde ran und überzeugte mit einen Vortrag über das Älterwerden aus der Perspektive eines 35-Jährigen. Die anschließende Tirade des Delmenhorsters Joschka Kutys gegen Rentner war auch nicht von schlechten Eltern und stieß auf ähnlich positive Resonanz. Deutlich übertroffen wurden die zwei dann aber von Sebastian Hahn. Seine Lebensweisheiten wie zum Beispiel warum nachts lieber nicht joggen gehen sollte, wer als Kind zu intensiv „Aktenzeichen XY“ geschaut hat oder dass Bananen-Chips keine wirkliche Alternative zu Kartoffelchips sind, präsentierte er mit einem herrlich selbstironischen Augenzwinkern. Dies bescherte Sebastian Hahn in beiden Durchgängen jeweils die Höchstpunktzahl.

Seine Bremer Landsfrau Kina Lila fiel im Vergleich dazu in den Bewertungen etwas ab, was aber keineswegs an der Qualität ihrer Texte lag. Ihre Ausführungen über „Big-Titty-Goth-Girls“ und „Lippenstift fressende Feministinnen“ waren gespickt mit raffinierten schwarzhumorigen Pointen, die allerdings eher bei den Jüngeren zündeten. Immerhin kam während ihres Auftritts die mit Abstand originellste Reaktion aus dem Publikum. Auf ihre Frage: „Was ist ein typisches Goth-Haustier?“ antwortete jemand: „Eine tote Katze“. Nichtsdestotrotz war das Finale für Kina Lila nicht mehr zu erreichen, nachdem sie von Joschka Kutys, der in seinem zweiten Beitrag auf seinen hoffnungslosen Kampf gegen seine einstigen pubertär bedingten Pickel zurückblickte, und Sebastian Hahn überholt worden war. Eingreifen in die vorderen Platzierungen konnte einzig noch Tilman Döring, der im zweiten Durchgang als letzter Teilnehmer die Bühne betrat. Dank eines fulminant vorgetragenen Anti-Nichtraucher-Plädoyers nutzte der Leipziger seine Chance und zog mit der zweithöchsten Gesamtpunktzahl des Abends ins Finale ein.

Dort wiederum musste Sebastian Hahn vorlegen und glänzte erneut mit einem kurzweiligen Traktat über typisch norddeutsches Vokabular, das mit wenigen Worten wie „jo“, „ne“ oder „mh“ oft viel zu sagen vermag. Tilman Döring hielt dagegen mit einem philosophisch angehauchten Text, in dem er sich auf seiner beinahe verzweifelt anmutenden Suche nach der Wahrheit in atemberaubendem Tempo sprachlich durch diverse Schlagzeilen „klickte“. Statt der Punktrichter hatten in diesem Fall alle Anwesenden im Publikum die Entscheidung in ihren Händen. Tatsächlich war schlussendlich kaum ein Unterschied hinsichtlich der Applausstärke auszumachen, sodass Moderator Hauke Schrade als logische Konsequenz ein „Unentschieden“ verkündete.

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