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23. Januar 2024, 15:44 Uhr

Poetry Slam in Marienhafe: Goldene Dreizehn für jüngsten Teilnehmer

Sechs Teilnehmer beteiligen sich mit ihren Beiträgen - der Jüngste setzt sich durch: Poetry Slam in der Theaterwerkstatt von Rosenstraat 13 mit gelungenen Beiträgen.

Lesedauer: ca. 3min 27sec
Die Erbsenzähler sind fertig, die Siegerehrung kann beginnen (v.l.): Benjamin Oldewurtel, Heinrich Herlyn, Fynn Taddigs, Janine Metzinger, Jochen Hinderks, Niklas Baumann und Rainer Schindler.

Die Erbsenzähler sind fertig, die Siegerehrung kann beginnen (v.l.): Benjamin Oldewurtel, Heinrich Herlyn, Fynn Taddigs, Janine Metzinger, Jochen Hinderks, Niklas Baumann und Rainer Schindler. © Eva Requardt-Schohaus

Marienhafe Am Ende eines in jeder Beziehung gelungenen Abends überreichte Benjamin Oldewurtel, der den diesjährigen Poetry Slam in der Theaterwerkstatt von Rosenstraat 13 wieder sehr locker und unterhaltsam moderiert hatte, die Goldene Dreizehn an den erst 17-jährigen Fynn Taddigs aus Berumbur, den bisher jüngsten Teilnehmer des Dichterwettstreits in Marienhafe. Er hatte die 49 Zuhörer, die den kleinen Raum füllten, mit seinen witzigen Ausführungen zur Entwicklung des menschlichen Geistes entzückt - brillant geschriebener, genialer Nonsense.

Vor vier Jahren habe er beschlossen, aus dem Mainstream auszubrechen, erzählte er, denn er hatte einen Geistesblitz: „Die Menschheit ist dumm.“ Warum schnitt man jeden Morgen sein Brötchen auf, um es zu belegen? Man konnte die Käsescheibe doch einfach obendrauf legen. Vier Jahre später habe er sich verändert und erkannt, dass seine geistigen Ergüsse von damals eine Idiotie waren. „Die einzige Konstante ist die Veränderung“, zitierte er den antiken Philosophen Heraklit.

Aber auch die anderen Beiträge der insgesamt sechs Teilnehmer, deren Reihenfolge per Los ermittelt worden war, gefielen dem Publikum, und Oldewurtel zeigte sich immer wieder begeistert von der Kreativität der Teilnehmer. Den Anfang machte die junge Auricher Autorin Janine Metzinger mit einem ernsten Gedicht über die vielen Facetten des Todes, der ihr in ihrem Beruf als Krankenpflegerin immer wieder begegnet. Daraus zog sie den Schluss: „Wir sollten hier auf Erden jede Sekunde genießen mit den Menschen, die wir lieben.“

Gedicht über Nachsitzer

Wie sie hatte auch Jochen Hinderks, Lehrer an der Integrierten Gesamtschule in Aurich, bereits am Poetry Slam teilgenommen. Er trug die 100. Folge von bisher 130 Beiträgen aus dem Schulalltag vor, die er für die Schul-Homepage verfasst hatte. Das Gedicht „Nachsitzer“ handelt von einem Lehrer, der einen Schüler zwei Stunden lang beaufsichtigen muss und verzweifelt, weil der Nachsitzer auch die schwierigsten, schier unlösbaren Aufgaben in kürzester Zeit erledigt. Als kleine Zugabe schloss Hinderks ein Gedicht über die guten alten Zeiten an, die keine 30 Jahre zurückliegen, sondern jetzt und hier sind.

Heinrich Herlyn, der den Poetry Slam in Marienhafe 2020 gewonnen hatte, versetzte die Zuhörer mit einer Geschichte aus seinem autobiografischen Buch in die 1960er-Jahre. Der damals Zwölfjährige hatte die Romane von Karl May verschlungen, die von dem Indianerhäuptling Winnetou und seinem Freund Old Shatterhand handelten. Er ließ sich natürlich auch die entsprechenden Filme nicht entgehen, die in Leer im Kino gezeigt wurden. Ein solcher Kinobesuch entwickelte sich zu einem Abenteuer, weil er den jugendlichen, kräftigen Platzanweiser, wenn auch nur leise, als „Fettwanst“ bezeichnet hatte. Im dunklen Kinosaal war Herlyn sicher, doch der Rache des Beleidigten entging er nicht: Er hatte beim Ausgang gewartet und streckte ihn dort mit einem Schwinger nieder. Und nur wenig später kam es zu einem Wiedersehen auf dem Sportplatz.

NiklasBaumann, der seine Gedanken über Chancen mit den Zuhörern teilte, hatte bereits als Schauspieler auf der Rosenstraat-Bühne gestanden. Doch einen Poetry Slam hatte er noch nie gesehen, geschweige denn daran teilgenommen, gestand er bei seinem Debüt. Er war neben Fynn Taddigs Neuling beim diesjährigen Dichter-Wettstreit in Marienhafe. „Wir haben jeden Tag die Chance, uns weiter zu entwickeln“, sagte er und riet, diese Chancen auch zu nutzen – neue Dinge ausprobieren, neue Wege gehen, neue Herausforderungen annehmen. So sei auch seine Theater-Leidenschaft entfacht worden.

Story zweier Würstchen

Der mobile Bratwurststand am Neuen Weg in Norden hatte Rainer Schindler aus Südarle zu einer anrührenden Geschichte über eine Nordsee-Bratwurst und ein Wiener Würstchen inspiriert, die beide von einem glücklichen Bioschwein stammten. Die beiden lagen in einer Fleisch-Auslage nebeneinander, wo sie miteinander kommunizierten. Das heißt, sie stritten sich vor allem; die eine Wurst warf der anderen vor, ein Querdenker zu sein, und auch vom Ukraine-Krieg und vom Gaza-Streifen war die Rede. Doch als ein Fiesling die Auslage betrachtete und sich für das Schnitzel daneben entschied, schlossen die beiden Frieden, da sie ja vom selben Fleisch und Blut waren, und sie kamen sich immer näher. „Die Nordsee-Bratwurst war zum ersten Mal in ihrem Leben glücklich“, stellte Schindler zur Freude des Publikums fest. Eine Mutter, die mit ihren beiden Kindern vorbeikam, erkannte, dass sie zusammen gehören, kaufte die beiden und steckte sie in eine Plastiktüte, die Schindler mitgebracht hatte. Was sich dort abspielte, teilte er aber nicht mehr mit.

Die Zuhörer genossen die gelungenen Vorträge, die nicht länger als zehn Minuten sein durften, und belohnten alle mit dem gebührenden Applaus. Jeder hatte zu Beginn der Veranstaltung ein Tütchen mit zehn Erbsen erhalten, die nach den Vorträgen auf die einzelnen Gläser mit den Namen der Beteiligten verteilt wurden. Die Erbsenzähler stellten schnell fest, dass die meisten Hülsenfrüchte im Glas von Fynn Taddigs gelandet waren.

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