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4. September 2024, 07:00 Uhr

Ungewohnte Rollenverteilung: Ostfriesischer Anwalt steht als Angeklagter vor Gericht

Der Ausschluss aus der Rechtsanwaltskammer ist beantragt, mittlerweile wartet auf den Juristen bereits ein weiteres Verfahren wegen Betrugs und Geldwäsche

Lesedauer: ca. 2min 35sec
Ein 65-jähriger Jurist aus Wiesmoor lernt das Rechtssystem derzeit anders kennen als bisher - als Angeklagter. Foto: dpa

Ein 65-jähriger Jurist aus Wiesmoor lernt das Rechtssystem derzeit anders kennen als bisher - als Angeklagter. Foto: dpa ©

Ein 65-jähriger Rechtsanwalt aus Wiesmoor war nicht nur als Verteidiger tätig, sondern beschäftigte die Gerichte auch in der Eigenschaft als Angeklagter. Insgesamt dreimal mussten sich die Landgerichte Aurich und Oldenburg mit der Anklage gegen den Wiesmoorer wegen Anstiftung zur Falschaussage und Strafvereitelung beschäftigen. Immer wieder hatte der Angeklagte erfolgreich Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Verfahren zunächst an das Landgericht Aurich und zuletzt an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.

Dabei blieb der Schuldspruch von Anfang an unangetastet und wurde schon im Zuge der ersten Revision rechtskräftig. Dass der Anwalt 2019 im Rahmen eines Prozesses vor dem Amtsgericht Aurich einen Zeugen zu einer Falschaussage überredet hatte, sah auch der BGH so. Der Wiesmoorer erreichte auf diese Weise das angestrebte Ziel, dass der Angeklagte, den er verteidigte, freigesprochen wurde.

Es ging in allen Neuauflagen des Verfahrens immer nur um das Strafmaß. Die Karlsruher Richter mahnten an, dass die Kammern bei Festlegung der Strafe zu berücksichtigen hatten, dass dem Anwalt auch berufsrechtliche Konsequenzen drohen könnten. Letztendlich reduzierte das Landgericht Oldenburg die ursprünglich vom Landgericht Aurich ausgesprochene Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten um drei Monate. Dieses Urteil bestätigte der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 5. Februar. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.

Und was ist mit den berufsrechtlichen Konsequenzen? „Die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg leitete bereits im November vergangenen Jahres Maßnahmen ein“, teilte Oberstaatsanwältin Nicole Töller, Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg, auf Anfrage mit. Die Behörde verfasste eine Anschuldigungsschrift und leitete sie an das Anwaltsgericht weiter. Die Generalstaatsanwaltschaft legt dem Wiesmoorer Rechtsanwalt zur Last, seinen Beruf nicht gewissenhaft ausgeführt und seine Pflichten verletzt zu haben. Ziel sei es, so die Pressesprecherin, den 65-jährigen Wiesmoorer aus der Anwaltschaft auszuschließen.

Entscheiden muss das Anwaltsgericht. Dabei handelt es sich um ein völlig autarkes Gericht, das sich aus Richtern und Anwälten zusammensetzt. Eine Entscheidung ist aber nach zehn Monaten immer noch nicht gefallen. „Über ein schwebendes Verfahren kann ich leider keine Auskunft geben“, sagte Jan Kramer, Präsident der Anwaltskammer Oldenburg. Es ist somit unklar, wie weit das Verfahren gediehen ist. „Wir sind aber selbst daran interessiert, unseren Laden sauber zu halten“, fügte Jan Kramer hinzu.

Während der 65-jährige Wiesmoorer immer noch als Rechtsanwalt in der Liste der Bundesanwaltskammer auftaucht, sitzt er erneut auf der Anklagebank. Seit dem 13. Juni wird vor dem Landgericht Oldenburg gegen mehrere Angeklagte ein Prozess wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs verhandelt. Es soll um eine Schadenssumme von mehr als 1,8 Millionen Euro gehen.

Dem Wiesmoorer Anwalt wird Beihilfe zum schweren Betrug und Geldwäsche in acht Fällen zur Last gelegt. Er soll sein Konto für Überweisungen der betrogenen Anleger zur Verfügung gestellt und die Geldeingänge gegen eine Provision von zwei Prozent an die Angeklagten weitergeleitet haben.

Gegen die Hauptangeklagten soll am kommenden Freitag das Urteil gesprochen werden. Sie sollen einer Verständigung zugestimmt, Geständnisse abgelegt und dabei auch den 65-jährigen Rechtsanwalt belastet haben. Davon unbeeindruckt bestreitet der Wiesmoorer nach wie vor die Vorwürfe. Das Verfahren gegen ihn wurde deshalb abgetrennt und wird fortgesetzt.

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