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Unklarheiten und Aussageverweigerungsrecht: Gericht entscheidet für Angeklagten

Es gab einen Freispruch vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs: Keine Verurteilung für 62-Jährigen

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Das Landgericht Aurich sprach einen 62-Jährigen vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs frei.Foto: Ute Bruns

Das Landgericht Aurich sprach einen 62-Jährigen vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs frei. Foto: Ute Bruns © Bruns ubr

Wiesmoor/Aurich Ein 62-jähriger Oldenburger wurde vom Landgericht Aurich vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs freigesprochen. Die Jugendschutzkammer konnte am Ende nicht einen der angeklagten Fälle, die sich vor allem im Zeitraum von 2013 bis 2021 vornehmlich in Wiesmoor abgespielt haben sollen, positiv feststellen.

Der Oldenburger und seine Familie lebten zur genannten Zeit in Wiesmoor. Die Anklage ging aufgrund der Angaben, die zwei seiner leiblichen Kinder gegenüber der Polizei machten, davon aus, dass es dort zu insgesamt 16 sexuellen Übergriffen gegen eine Tochter und einen Sohn gekommen war. Der Angeklagte hatte alle Vorwürfe vehement von sich gewiesen. Am Ende blieb auch nichts übrig, auf das die Kammer eine Verurteilung hätte stützen können.

„Ihre Tochter hat vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht“, stellte Richter Bastian Witte fest. Das hatte zur Folge, dass auch alle Angaben, die die junge Frau früher gemacht hatte und in den Akten dokumentiert waren, nicht mehr verwertbar waren.

Das zweite mutmaßliche Opfer hatte zwar im Zeugenstand eine Aussage gemacht, aber sie war ebenfalls so mit Mängeln behaftet, dass das Gericht ohne handfeste Überzeugung dastand. Vor allem die Tatsache, dass Vorfälle, die der Jugendliche bei der Polizei schilderte, in der gerichtlichen Aussage überhaupt nicht mehr auftauchten, machten die Richter und die Staatsanwältin stutzig. „Warum er es hier ganz anders schilderte, ist nicht klar“, meinte der Vorsitzende. „Es ist alles komplett auf den Kopf gestellt.“ Die Ursache dafür konnte das Gericht nicht ergründen.

Die Kammer konnte trotz einiger geschilderter Details nicht ausschließen, dass die Vorwürfe ausgedacht waren. Über das Motiv für eine falsche Belastung konnte das Gericht nur rätseln. Der Angeklagte hatte ins Spiel gebracht, dass die Kinder wegen zu geringen Taschengelds böse auf ihn waren. Die Frage, ob Eifersucht eine Triebfeder gewesen sein könnte, blieb ebenfalls reine Spekulation.

Es bestand ebenso die Möglichkeit, dass eine psychologische Übertragung stattgefunden hat. Denn die Mutter hatte berichtet, dass sie selbst als Kind missbraucht worden war und ihren Kindern davon erzählt hatte. Auch die Möglichkeit der Suggestionen durch die Polizei bei den Vernehmungen zog das Gericht in Betracht.

„Wir haben keine Taten mehr, auf die wir uns stützen können“, lautete das Fazit von Richter Bastian Witte. Er gab aber auch zu verstehen: „Wir können nicht sagen, dass das Ganze nie stattgefunden hat.“ Ungeachtet des Freispruchs redete der Vorsitzende dem Angeklagten ins Gewissen. „Die Wahrheit kennen nur Sie und Ihre beiden Kinder. Wenn etwas war, müssen Sie damit fertig werden. Wenn nichts war, müssen Sie sich fragen, warum Ihre Kinder so etwas sagen.“

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Erstellt:
17. Oktober 2024, 06:00 Uhr

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