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22. Dezember 2023, 09:00 Uhr

Urteil: Schöffengericht wertet Kernaussage als zutreffend

26-jähriger Mann muss wegen Vergewaltigung für zwei Jahre und acht Monate in Haft

Lesedauer: ca. 2min 54sec
Urteil: Schöffengericht wertet Kernaussage als zutreffend

Norden Am Ende ging es fast ausschließlich um die eigentliche Kernaussage des Opfers. Diese besagte, dass der angeklagte und heute 26-jährige Mann eine 20-jährige Frau im März dieses Jahres in seiner Wohnung vergewaltigt haben soll. Diesen Tatvorwurf wertete das Schöffengericht in seiner Urteilsverkündigung als zutreffend und schickte den Mann für zwei Jahre und acht Monate hinter Gitter.

Zuvor standen zum Teil aufwendige und zeitraubende Vernehmungen des Opfers, der Pflegemutter sowie der geladenen Zeugen an. Bei der Aussage des Opfers war besondere Geduld gefragt – die Frau mit kognitiven Einschränkungen musste in Kindes- und Jugendsprache befragt werden. Sie war aufgrund ihrer geistigen Entwicklung nicht als normale 20-Jährige zu befragen. „So eine Situation habe ich in meiner Dienstzeit noch nicht erlebt“, bewertete der Staatsanwalt bei seinem Plädoyer die Vernehmung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war.

Welche Details dabei wie ans Tageslicht kamen und wo sich die junge Frau möglicherweise in Widersprüche verstrickte, bleibt ein Geheimnis der Prozessbeteiligten. Die Ausführungen beim gestrigen Fortsetzungstermin ließen jedoch einige Mutmaßungen zu. „Einzelne Widersprüche stellen nicht die Glaubhaftigkeit der Zeugin infrage“, so der Staatsanwalt. „Das Kerngeschehen ist erwiesen“, denn dieses stimmte von der ersten Offenlegung gegenüber ihrer Pflegemutter gleich nach der Tat, der Aussage bei der Polizei und später vor Gericht überein. „Ich sehe kein Motiv für eine Falschaussage.“

Der Pflichtverteidiger sah das naturgemäß etwas anders. Er stellte die Aussage der Frau in Gänze infrage, hielt ihr unwilliges und stockendes Verhalten vor. „So etwas habe ich in über 20 Jahren als Rechtsanwalt nicht erlebt.“ Zudem ließ er die Anmerkung des Anklagevertreters nicht unkommentiert im Raum stehen, dass die Nichtaussage seines Mandaten den Verdacht der Tatausführung eher untermauere, als ihn zu entlasten.

Um den Vorwurf der Vergewaltigung zu entkräften, hatte der Verteidiger sogar auf der Vernehmung eines Zeugen bestanden, der beim ursprünglichen Termin vor zwei Wochen unentschuldigt der Verhandlung fern geblieben war. Auch die angeordnete polizeiliche Vorführung war gestern zunächst erfolglos – er war nicht zu Hause anzutreffen. Auf Bitten des Vorsitzenden Richters Frank Meyer wurde die Arbeitsstelle aufgesucht. Unter Begleitung zweier Beamter erschien der 24-Jährige aus Berumbur schließlich vor Gericht – um sich dann in Widersprüche zu verwickeln und auf die lange Zeit zwischen der Tat und heute zu verweisen, sodass ihm zahlreiche Details nicht mehr bekannt seien.

Das, was der Mann sagte, half der Wahrheitsfindung wenig. Die Antworten waren konfus und außerdem wollte der Mann sowieso „mit der ganzen Sache nichts zu tun haben“. Auf das Opfer angesprochen erzählte er, dass die Frau „mit mehreren Männern gleichzeitig was hatte“, um gleich danach von einer Art Beziehung zwischen ihm selbst und der 20-Jährigen zu berichten. Ob dieses Verhältnis vor oder nach dem Tatzeitpunkt bestand, darauf gab es verschiedene Antworten, sodass das Gericht den Mann ohne neue Erkenntnisse die Anklage betreffend wieder entließ.

In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt unter Berücksichtigung von vier Vorstrafen des Angeklagten, darunter sexuelle Belästigung, eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Dem Angeklagten bescheinigte er „eine nicht unerhebliche kriminelle Energie“. Dem entgegnete der Verteidiger, dass keiner der Vorwürfe haltbar seien und sein Mandant daher freizusprechen und aus der Untersuchungshaft zu entlassen sei.

Doch aus dem Rückgewinn der Freiheit wurde nichts. Mit zwei Jahren und acht Monaten blieb das Gericht zwar unterhalb der Forderung der Staatsanwaltschaft, machte aber deutlich, dass die Vergewaltigung als Kern der Tat festgestellt werden konnte. Das Opfer hatte den Vorfall derart detailliert geschildert, dass es für das Schöffengericht keinen Grund gab, weshalb die Frau die Unwahrheit gesagt haben sollte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, allerdings bleibt der Untersuchungshaftbefehl in Kraft.

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