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12. Januar 2024, 15:35 Uhr

Werder-Trainer Werner drückt den Alarmknopf

Vor dem ersten Spiel des neuen Jahres herrscht an der Weser Personalnot. Der Ruf nach Verstärkungen wird lauter. Bremer starten Sonntag in Bochum.

Lesedauer: ca. 5min 01sec
Ungemütliche Zeiten an der Weser. Auf Trainer Ole Werner und den SV Werder Bremen wartet eine harte Rückrunde. Zum Start ins neue Jahr geht es Sonntag zum VfL Bochum. Fotos (2). Imago

Ungemütliche Zeiten an der Weser. Auf Trainer Ole Werner und den SV Werder Bremen wartet eine harte Rückrunde. Zum Start ins neue Jahr geht es Sonntag zum VfL Bochum. Fotos (2). Imago © IMAGO/eu-images

Ole Werner nahm sich viel Zeit. Mehr als eine halbe Stunde sprach Werders Cheftrainer nach dem 1:1 gegen RB Leipzig in den Katakomben des Weser-Stadions in einer kleinen Runde mit den schreibenden Journalisten. Das letzte Spiel des Jahres war ein guter Anlass, um auf ebenjenes zurückzublicken. Dabei beschönigte Werner nichts. Nur 0,86 Punkte haben die Bremer im Durchschnitt im Kalenderjahr 2023 pro Bundesliga-Partie geholt. Auf eine gesamte Bundesliga-Saison gerechnet wären dies lediglich 29 Zähler. Ein Wert, der in den vergangenen fünf Jahren, nämlich 2018/19, nur ein einziges Mal zum Klassenerhalt gereicht hat.

„Von der Punkteausbeute war es insgesamt kein berauschendes Kalenderjahr, sondern eher ein schlechtes“, räumte Werner ein. Auch mit den Leistungen zu Beginn der aktuellen Saison war er nicht zufrieden. Als „viel zu inkonstant“ und „teilweise auch richtig schlecht“ bezeichnete der 35-Jährige diese und meinte damit vor allem die beiden 2:4-Niederlagen gegen die Aufsteiger Darmstadt 98 und 1. FC Heidenheim. Gleichwohl fiel Werners Fazit nicht nur negativ aus. Vielmehr stellte er drei Punkte heraus, die 2023 gut gewesen seien. Zunächst führte er an, dass Werder im Sommer mit dem Klassenerhalt das Saisonziel erreicht hat. Zudem verwies er darauf, dass das Team auch nun wieder über dem Strich steht und den Bundesliga-Verbleib in der eigenen Hand hat. Und als Drittes nannte er die Entwicklung in den vorherigen Wochen, in denen Werder sich sportlich konsolidierte und aus den drei Partien vor Weihnachten fünf Punkte mitnahm.

Ein Aufwärtstrend war auch vorher schon erkennbar, nachdem der Start in die Saison mit nur sechs Punkten aus den ersten sieben Partien schiefging. Maßgeblich für den Aufschwung war ein sehr offenes Gespräch zwischen Mannschaftsrat und der Trainer Mitte Oktober während der Länderspielpause. Dessen Quintessenz: Die Spieler wünschten sich mehr Stabilität, um schlichtweg weniger Gegentore zu kassieren.

In der Folge baute Werner um und stellte Jens Stage als Korsettstange auf die Sechs. Leonardo Bittencourt erhielt zudem seinen Stammplatz zurück. Auch im Tor gab es einen Wechsel. Jiri Pavlenka hatte Pech, weil er sich bei der Nationalmannschaft eine muskuläre Verletzung zuzog. Michael Zetterer nutzte seine Chance und zog am Tschechen vorbei. Zuvor schloss Werner einen dauerhaften Torwartwechsel mehrmals klipp und klar aus. Letztlich kam Werner aber nicht mehr an Zetterer vorbei. Für diesen sprach insbesondere, dass er der bessere Fußballer und somit passender für das eigene Aufbauspiel ist.

Wenngleich der sportliche Trend im Dezember positiv war, hat es vor dem Jahresauftakt am Sonntag beim VfL Bochum in den vergangenen Tagen bei den Bremern ordentlich gekracht. Das 1:3 im Testspiel bei Eintracht Braunschweig war ein Warnschuss, den Werner einmal mehr nutzte, um auf die fehlende Qualität in der Kaderbreite hinzuweisen. Vor allem mit Blick darauf, dass in den Tagen zuvor partiell nur mit 13 Spielern auf dem Platz trainiert werden konnte. „So wird es nicht reichen“, stellte Werner klar und drückte damit auf den Alarmknopf. „Wir brauchen eine andere Konkurrenzsituation.“

Es ist nicht das erste Mal, dass der Trainer Verstärkungen fordert. Dies tat er auch in der vergangenen Saison bereits im Januar-Trainingslager in Murcia und nach dem 1:2 bei RB Leipzig im Mai. Klar ist, dass Werners Vertrauen in seine zweite Reihe nicht allzu groß ist. Derzeit drückt der Schuh besonders in der Innenverteidigung, nachdem Amos Pieper sich den Knöchel gebrochen hat. Stürmer Rafael Borré liebäugelt zudem mit einem sofortigen Wechsel nach Brasilien zu Internacional Porto Alegre. Damit der Deal mit den Brasilianern klappt, müsste dieser aber nicht nur für Borré und die Frankfurter, sondern auch für Werder lukrativ sein. Dies bedeutet, dass am Osterdeich so viel Geld ankommen müsste, dass die Bremer einen gleichwertigen Ersatz verpflichten könnten.

Besonders ist, dass derzeit selbst die Spieler den Wunsch nach sofortigen Neuverpflichtungen äußern. „Es wäre gut, wenn wir da den ein oder anderen noch dazubekommen. Natürlich auch in der Dreierkette, aber auch auf anderen Positionen“, sagte Niklas Stark in einer Medienrunde. Noch deutlicher wurde in dieser Woche Bittencourt, der ohnehin nie ein Blatt vor den Mund nimmt. „Ich würde mir schon wünschen, dass wir Jungs dazugewinnen, die uns sofort helfen können“, betonte der 30-Jährige. „Das war in den letzten Jahren nicht wirklich der Fall. Da haben wir Jungs dazubekommen, die auch ein Stück weit Zeit brauchen, um die Liga kennenzulernen.“

Werders Problem ist, dass zu viele Transfers aus dem Sommer nicht gezündet haben. Einzig Olivier Deman auf der defensiven linken Außenbahn und der bereits wieder abwanderungswillige Borré konnten sich Stammplätze erobern. Viel Aufsehen erregte im Sommer die Verpflichtung von Naby Keita. Klar war schon seinerzeit, dass diese aufgrund der Verletzungsanfälligkeit des Spielers auch mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Nach dem ersten halben Jahr muss konstatiert werden, dass es schlechter nicht hätte laufen können. Der zentrale Mittelfeldspieler stand bisher ein einziges Mal in der Startelf. Nun weilt Keita mit der guineischen Nationalmannschaft beim Afrika-Cup. Senne Lynen, der eigentlich die jahrelangen Probleme auf der Sechs lösen sollte, musste für Stage weichen, weil er zu selten überzeugte. Stürmer David Kownacki, der im Sommer eine starke Vorbereitung gespielt hat, ist bisher noch kein Saisontor gelungen.

Der Shootingstar in der Offensive heißt stattdessen Justin Njinmah. Nach seiner Rückkehr von der U 23 von Borussia Dortmund hatte ihn im Sommer kaum einer auf dem Zettel. Njinmah bringt jedoch eine Qualität mit, die vielen seiner Mitspieler fehlt: enormes Tempo. Der pfeilschnelle Angreifer ist deshalb in der Schlussphase eines Spiels immer eine Waffe. Gegen die Leipziger durfte er von Beginn an ran und traf zum 1:1. Oftmals wird gefordert, dass der 23-Jährige nun häufiger von Beginn an spielen soll. Auch er selbst wünscht sich das. Daraus macht er keinen Hehl. Noch nicht alle Attribute besitzen bei ihm jedoch bereits taugliches Bundesliga-Niveau. Vor allem an der Entscheidungsfindung hapert es noch.

Bittencourts Worte am Mittwoch waren derweil auch ein Angriff auf die sportliche Führung, also auf Sportchef Frank Baumann und den Sportlichen Leiter Clemens Fritz, die ihn auch prompt für ein Gespräch einbestellten. Bereits am 1. November vermeldete Werder, dass Baumann seinen Vertrag nach acht Jahren nicht erneut verlängern und den Klub nach der Saison verlassen wird. Vakant ist bisher seine Nachfolge, wenngleich Aufsichtsratschef Hubertus Hess-Grunewald in Werders Pressemitteilung zum Baumann-Abgang direkt einmal Fritz in die Pole Position bugsierte. Nicht alle im Umfeld sind jedoch davon überzeugt, dass Fritz tatsächlich der richtige Mann ist, um Werder wieder in erfolgreichere Zeiten zu führen.

Ein spannendes Thema brachte Hess-Grunewald zudem auf der Mitgliederversammlung am 19. November auf das Tableau, indem er ganz bewusst den Einstieg eines strategischen Partners bei Werder ansprach. Ein solcher könnte bei den klammen Bremern die finanzielle Lage natürlich erheblich verbessern. Einen „Scheich vom Osterdeich“ soll es indes nicht geben. Vielmehr verwies Hess-Grunewald darauf, dass ebenjener Partner aus der Region stammen soll. Indes: Die organisierte Fanszene spricht sich klar gegen den Verkauf von Anteilen am Klub aus. Auch die regionale Komponente überzeugt mit dem Verweis auf die Turbulenzen um Martin Kind bei Hannover 96 und Klaus-Michael Kühne beim Hamburger SV nur bedingt. „Hier werden Stars gemacht und nicht gekauft? Gegen Investoren“ schrieben Teile der in der Ostkurve beheimateten Fans in Anlehnung an eine Zeile im Song „Wir sind Werder Bremen“ der Band Afterburner Ende November beim Heimspiel gegen Bayer Leverkusen auf ein Banner. Schon vor viereinhalb Jahren gab es ordentlich Trubel, als die Namensrechte am Weserstadion an Wohninvest verkauft wurden. Sollte es sich in den kommenden Monaten konkretisieren, dass nun gar Anteile an Werder verkauft werden, dürften die Proteste der aktiven Fanszene wohl noch deutlich intensiver ausfallen.

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