Zoll für jede Werkzeugkiste
Windparkbetreiber werden immer wieder zur Kasse gebeten für die Ausfuhr auf die Nordsee
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Die Windparks in der Nordsee befinden sich so weit abseits der Küste, dass für die Ein- und Ausfuhr von Material der Zoll mit zuständig ist. Archivfoto: Holger Bloem © Bloem hom
Norden Von der Küste aus nicht zu sehen, stehen hinter dem Horizont Windräder in der Nordsee und versorgen Deutschland mit umweltfreundlicher, grüner Energie. Über zwölf Seemeilen von der Küste entfernt. Womit sie außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland und auch außerhalb der Europäischen Union stehen. Für den Gesetzgeber also eine ganz klare Sache: Der Zoll wird fällig. Aber ist das wirklich erforderlich?
Forderung nach Befreiung
„Die beste Lösung wäre, die Offshore-Windenergie von den Zollanmeldungen komplett zu befreien“, schlägt Mohamed Kotta vor. Er ist Customs and Export Control Officer – Spezialist für Zollfragen – bei North-land Power Europe und auch für den Windpark Nordsee One zuständig. Denn zurzeit werden der Wind- und Energiebranche seiner Ansicht nach Steine in den Weg gelegt, die die geforderte Energiewende für Deutschland unnötig verzögern. Denn laut aktuellem EU-Recht werden Werkzeuge und Anlagen für Windparks aus der EU ausgeführt. In Deutschland sei es besonders schwer, Ausnahmegenehmigungen zu bekommen. Dies sei zum Beispiel in den Niederlanden deutlich entspannter.
Im besten Falle solle die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), in der sich die Windparks befinden, zumindest wirtschaftlich als innerhalb Deutschlands deklariert werden. Zumindest für die Branche wünsche er sich eine vergünstigte Tariflösung, wenn keine Befreiung möglich wäre.
Zwölf-Seemeilen-Zone
Die Grenzen in der Nordsee sind komplexer, als es der erste Blick vermuten lässt. Während, die Zwölf-Seemeilen-Zone zum Zollgebiet Deutschlands gehört – ein Wert, auf den sich in der UN-Seerechtskonvention geeinigt wurde – wird die darüber hinausgehende AWZ als Drittland behandelt. Bis 24 Seemeilen – in etwa die Distanz vom Festland bis Helgoland – gelten noch vereinzelte Polizeibefugnisse und alles bis zu 200 Seemeilen gehört zur AWZ mit ausschließlich wirtschaftlichem Mitbestimmungsrecht für den Küsten besitzenden Staat. Das stellt insbesondere Unternehmen, die Offshore-Anlagen in der AWZ betreiben, vor bürokratische Herausforderungen.
„Unser Windpark liegt in der AWZ, daher gelten für uns alle Zollbestimmungen, die auch beim Warenverkehr mit Drittländern anfallen“, erklärt Kotta. Dies hat zur Folge, dass selbst innerhalb des deutschen Staatsgebietes Zollformalitäten beachtet werden müssen. Allein im vergangenen Jahr wurden für Nordsee One 1400 Warenbewegungen angemeldet, obwohl kein einziger Gegenstand aus Deutschland in ein anderes Land gebracht wurde. Insgesamt werden rund 5000 verschiedene Waren von dem Offshore-Unternehmen beim Zollamt in Emden geführt. Darunter auch Kombinationen von mehreren Einzelteilen, wie große Werkzeugkisten, die immer gleich befüllt bleiben. Ansonsten müsse jedes Objekt neu bewertet werden.
Wunsch nach Flexibilität
„Die Kosten sind für uns weniger das Problem“, sagt Managing Director – Geschäftsführer – vom Windpark Nordsee One, Till Frohloff. Ihm geht es mehr um die Flexibilität, die bei Reparaturen an den Anlagen benötigt wird. „Denn jedes Kilowatt, das produziert wird, ist ein Plus für Deutschland.“ Wenn derzeit etwas repariert oder ausgetauscht werden muss, plant das Unternehmen zwei bis fünf Tage ein, nur um den bürokratischen Prozess beim Zoll zu durchlaufen. Auch gegen die Kontrollen des Zolls sei nichts einzuwenden, auch wenn die Windparks seiner Ansicht nach zu weit entfernt von Drittländern und ihm keine Schmuggelfälle bekannt seien.

Wer über die Nordsee einreisen will, wird in der Regel bei der Ankunft kontrolliert. Foto: Ute Bruns © Bruns ubr
Für die regelmäßigen Wartungen soll in Zukunft ein alternatives Verfahren angewendet werden. Die Zollvorschriften bieten eine Vereinfachung in Form des „Anschreibeverfahrens“, jedoch, wie Kotta betont, bindet der Beantragungsprozess Ressourcen und ist kostenintensiv. „Es nimmt uns nicht die Arbeit ab, es spart uns nur Zeit“, ergänzt er. Dies würde jedoch ermöglichen, dass „eine automatisierte Überlassung der Warensendung 24/7, also auch außerhalb der Öffnungszeiten der Zollstelle möglich“ wird, wie der Zollpressesprecher AndréLenz mitteilt. Eine weitere individuelle Lösung, die jedes Unternehmen einzeln mit dem Zoll aushandeln muss.
Unionsware
Waren, die in die EU importiert werden, unterliegen Zollformalitäten. Für Waren mit einem Wert von nicht mehr als 150 Euro fallen zwar keine Zölle an, jedoch sind andere Abgaben, wie die Einfuhrumsatzsteuer, zu entrichten. Während die Zollabwicklung für Waren aus Drittländern klar erscheint, sind gerade im Offshore-Bereich, der in der AWZ Deutschlands angesiedelt ist, die Vorschriften weniger eindeutig. Hier ist der Status der „Unionsware“ relevant. Diesen haben Waren, die innerhalb der Europäischen Union gehandelt und nicht ausgeführt werden. Während Werkzeuge als „Rückware“ vergleichsweise wenig Aufwand erzeugen, sieht es bei Ersatzteilen und ausgetauschten Anlagen bereits komplizierter aus. Denn diese werden auf die hohe See in die AWZ ausgeführt und erst wieder eingeführt, wenn sie nicht mehr funktionstüchtig sind. Ohne je ein Drittland zu sehen. Gebühren werden aber fällig, als wäre dies der Fall, wie auch Lenz bestätigt. „Seit vier Jahren haben wir kein Produkt mehr exportiert“, sagt Frohloff. Alle Waren, die regelmäßig in die AWZ exportiert werden, können daher aus seiner Sicht als Unionsware anerkannt werden.
Kotta hebt jedoch die freundliche und unterstützende Haltung des zuständigen Hauptzollamtes Oldenburg und des Zollamtes Emden hervor. So könne im Notfall Material zum Zollamt in Emden gebracht werden und werde dort vor Ort abgenommen. Das würde aber durch Transport, Extragebühren und Personalaufwand „jedes Mal gut 1000 Euro kosten“, so der Zollexperte. Trotz dieser Unterstützung sind jedoch regelmäßig Verzögerungen bei Bau- und Wartungsaufgaben zu verzeichnen.