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18. März 2024, 12:00 Uhr

Zwei Räder, die die Welt bedeuten

Sie sind zwei Seelenverwandte: Ein Rheinländer fährt auf einem 100 Jahre alten Fahrrad zum Ostfriesischen Zweiradmuseum nach Emden. In dem Kleinod im Larrelter Polder leuchten die Augen der beiden Enthusiasten.

Lesedauer: ca. 2min 56sec
Denkwürdiges Treffen im Ostfriesischen Zweiradmuseum im Larrelter Polder: Der Rad-Verrückte Klaus Lüttgen aus dem Rheinland (r.) ist mit einem Damenrad aus den 20er-Jahren nach Ostfriesland geradelt. „Den will ich kennenlernen“, sagte sich Dinus Voß vom Museum. Und lud den Rheinländer aus Grevenbroich zu sich ein. Am Freitag traf man sich.Fotos: Stefan Bergmann

Denkwürdiges Treffen im Ostfriesischen Zweiradmuseum im Larrelter Polder: Der Rad-Verrückte Klaus Lüttgen aus dem Rheinland (r.) ist mit einem Damenrad aus den 20er-Jahren nach Ostfriesland geradelt. „Den will ich kennenlernen“, sagte sich Dinus Voß vom Museum. Und lud den Rheinländer aus Grevenbroich zu sich ein. Am Freitag traf man sich.Fotos: Stefan Bergmann ©

Emden Wenn jemand die Karnevalsordensammlung seines Vaters auf einem Fahrrad fahrend in Alaska an die Einheimischen verteilt – dann stimmt etwas nicht.

Klaus Lüttgen lächelt, wenn er die Geschichte erzählt und in die fragenden Augen seines Gegenübers blickt. Er kennt das schon. Der wichtigste Teil an dieser Geschichte ist: das Fahrrad.

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Es ist schon irre genug, mit einem Damenrad aus dem 20er-Jahren (ohne Gangschaltung, ohne Vorderbremse!) von Grevenbroich bis nach Ostfriesland zu fahren. Am Donnerstag kam er in Leybuchtpolder an. Da wundert man sich nur wenig, wenn er mit dem Rad auch andere verrückte Dinge anstellt. Die Sache mit den Karnevalsorden aus Köln war ein persönliches Ding. Kurzfassung: Vater und Sohn mochten sich zu Lebzeiten nicht, Sohn musste trotzdem die

Auch Motorräder haben zwei Räder, weshalb sie einen festen Platz im Museum haben.

Auch Motorräder haben zwei Räder, weshalb sie einen festen Platz im Museum haben. ©

Karnevalsordensammlung erben, Sohn wollte sie unter Qualen Menschen schenken. „Dabei bin ich wieder zu mir gekommen“, sagt Lüttgen.

Die Tour nach Ostfriesland auf dem alten Rad hat dagegen einen anderen Hintergrund: „Ich möchte zeigen, dass es auch mit alten Sachen geht. Es muss nicht immer neu sein.“

Der Traum vom Museum mitten in der Stadt

Das Ostfriesische Zweiradmuseum liegt irgendwo im Nirgendwo im Larrelter Polder bei Emden. Längst wollte Dinus Voß seine Hunderte von alten Rädern mitten in der Emder Innenstadt zeigen, dazu eine Gastronomie betreiben. Er

Wer wollte es nicht haben, damals? Ein original Bonanza-Rad. Für die meisten Eltern war es unerschwinglich.

Wer wollte es nicht haben, damals? Ein original Bonanza-Rad. Für die meisten Eltern war es unerschwinglich. ©

wollte das alte Apollo-Kino kaufen, hat darauf geboten. Doch den Zuschlag bekam ein Großinvestor, „der, der alles kriegt in Emden“, wie Voß sagt. Seitdem beharkt dieser sich mit dem Denkmalschutz. Gebaut wird nichts. So schildert es Voß.

Wenn er die Tür zu seiner Halle öffnet, betritt der Besucher eine neue Welt. Hier ist eine Straßenzeile nachgebaut, dort ein Fahrrad-Laden, ein Raum weiter findet man sich in einer Holzhütte wieder. Ein Ofen bollert, wärmt ein bisschen.

Überall stehen Fahrräder und Motorräder. Klaus Lüttgen geht durch, und seine Augen leuchten. Die meisten Exponate kennt er vom Hörensagen. Jetzt sieht er sie zum ersten Mal in echt.

Herzlicher Empfang im Rheinland: Voß, seine Frau Franziska und Lüttgen. Sie sind allesamt fahrradverrückt.

Herzlicher Empfang im Rheinland: Voß, seine Frau Franziska und Lüttgen. Sie sind allesamt fahrradverrückt. ©

Hier ein altes NSU-Motorrad. Dort die ersten Fahrräder mit Motoren, „die konnte man ab 1948 nachrüsten“, sagt Voß. Den Zweitakter Benziner-Motor kann man per Handgriff an den Reifen drücken. Später wurden die Motoren größer, die Fahrräder verwandelten sich langsam in Mopeds.

Ganz oben hängt ein wunderschönes Rad, pastellfarben, es könnte von heute sein. „Das ein Mifa aus Sangerhausen“, erläutert Voß, „unbenutzt, original.“ Lüttgen staunt wissend, der Journalist lernt, dass Sangerhausen auch Fahrradstadt genannt wird und voller Tradition steckt.

Ein Kabinett der Fahrradgeschichte

Ein paar Schritte weiter öffnet sich ein exzellent gestaltetes Kabinett mit den wirklichen Raritäten: Ein Laufrad von 1817 hängt an der Wand. Es sollte eine Alternative zum Pferd sein. Darunter steht die nächste Generation Fahrrad; das Vorderrad wurde mit Tretkurbeln ausgestattet, es ist ein Tretkurbelveloziped aus 1869. Dann sollten die Fahrräder schneller werden, also wurden die Räder größer. Heraus kamen die typischen Hochräder (die es übrigens auch in klein gab für Kinder). Voß kann sie fahren, natürlich. Die ersten waren nicht bequem. Die Reifen hatten einen Eisenring, „man nannte sie auch ,Knochenschüttler“, sagt Voß und es ist völlig klar, was er meint – auch angesichts der ostfriesischen Straßen, die früher auch nicht besser waren.

So ging es los im 19. Jahrhundert: Ein Laufrad; eines der ersten „Fahrräder“ der Welt.

So ging es los im 19. Jahrhundert: Ein Laufrad; eines der ersten „Fahrräder“ der Welt. ©

So rasant sich die Fahrräder im 19. Jahrhundert entwickelt hatten, so langsam ging es dann im 20. Jahrhundert voran. Das Fahrrad hatte seine grundlegende Form gefunden und seine Technik. Deswegen unterscheidet sich Lüttgens Fahrrad von vor 100 Jahren nur bei genauem Hinsehen von heutigen Damenrad-Modellen.

Das Zweiradmuseum kann jeder besichtigen, nur einen Termin sollte man vorher ausmachen.

Klaus Lüttgen ist inzwischen zurück in Grevenbroich und plant die nächste verrückte Reise: Mit dem Fahrrad von Neufundland durch Amerika und dann bis, man ahnt es, Alaska.

Kontakt zum Museum und zu Klaus Lüttgen:

www.ostfriesisches-zweiradmuseum.de

www.rocktheroads.de

pedalwerk.alaska2011@gmail.com

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