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8. März 2025, 10:06 Uhr

Die Frauen sind im Norder Straßenbild unsichtbar

Es ist nicht nur in Norden so, aber in Norden ganz extrem: Männliche Politiker benennen Straßen lieber nach angeblich großen Männern. Große Frauen in Norder Geschichte scheint es nicht gegeben zu haben. Das muss sich ändern.

Lesedauer: ca. 2min 15sec
Recha Freier

Ein Hinterhof für eine Lebensretterin: Die Norderin Recha Freier bewahrte unzählige Juden vor den Gaskammern. Doch der Stadtrat hatte für sie nur einen zugigen Hinterhof übrig, in dem niemand wohnt. © Stefan Bergmann

Norden Zum Weltfrauentag macht Norden keine gute Figur: Verdiente Frauen werden kaum gewürdigt. Während es in der Stadt 53 Straßen und Plätze gibt, die nach Männern benannt sind, gibt es nur vier Orte mit Frauennamen: die Theda-Straße, die Schumannstraße, den Fräuleinshof und den Recha-Freier-Platz. Norden ist kein Einzelfall, aber ein Extrembeispiel: Nur 0,5 Prozent aller Straßen sind Frauen gewidmet. In Osnabrück sind es elf Prozent, in Hannover 16.

War man ein Mann, reichte es, wenn man Bilder gemalt, plattdeutsch gedichtet hat, ein paar Jahre Bürgermeister war oder ein steter Partei-Genosse: Eine Straße in Norden war einem sicher.

Es gibt wichtige Frauen, aber sie werden ignoriert

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Nordens erste Bürgermeisterin Barbara Schlag? Fehlanzeige. Stadtdirektorin Marie Poppinga? Die Ratsfrau der ersten Stunde, Joanne Carow? Die Künstlerin Hildegard Peters? Sie alle waren der – männlich dominierten – Politik bisher keine Straße wert. Die Theda-Straße muss da wohl genügen. Die Regentin Theda Ukena ist zwar schon seit 545 Jahren tot. Aber der Name „Ukena“ geht in Ostfriesland natürlich immer.

Gestern Vormittag, das Navigationsgerät führt zum Recha-Freier-Platz. Ankunft auf einem krautigen Parkplatz. Man muss etwas suchen, ehe man als Nicht-Norder den schnöden Hinterhof findet, der der Widerstandskämpferin gewidmet ist. Sie wurde in Norden geboren, starb in Jerusalem und hat im „Dritten Reich“ wohl Hunderte Juden vor dem Tod gerettet. Man könnte sie das Gegenstück des berühmten Oskar Schindler nennen – doch eine echte Straße mit realen Haus-Adressen war sie dem Stadtrat nicht wert.

„Wir leben in einer patriarchalischen Gesellschaft“

Susanne Roth ist Stadtführerin in Norden, sie kennt jede Straße. Sie sagt: „Wir sind noch immer eine patriarchalische Gesellschaft. Die Frauen arbeiten, oben drüber sitzen die Männer und streichen den Ruhm ein.“ Viele wichtige Frauen seien unbekannt, weil niemand ihre Geschichte aufgeschrieben habe. „Wir sind noch sehr rückständig. Es dauert bestimmt noch 400 Jahre, bis Frauen und Männer gleichgestellt sind“, so Roth.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Elke Kirsten, hat das Thema schon lange auf dem Tisch, doch bisher gab es noch kein Konzept, wie man Politik und Verwaltung zum Umdenken bringt. „Wir gehen ins Gespräch“, sagte sie gestern.

Hinweis: In der Print-Version dieses Berichtes hatte wir nur von drei Straßen mit Bezug zu Frauen geschrieben. Tatsächlich sind es aber vier: Die Schumannstraße ehrt die Komponistin Clara Schumann - und nicht, wie irrtümlich angenommen den Komponisten Robert Schumann. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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