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24. Oktober 2024, 09:00 Uhr

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Ein Szenario, das Deutschland ins Wanken bringen könnte

Bei einer Übung am Standort des Windenergiekonzerns Ørsted musste die Feuerwehr nicht nur Brände löschen, sondern auch komplexe technische Hilfe leisten – an einem Ort, der eine zentrale Rolle für die Energieversorgung spielt.

Lesedauer: ca. 3min 21sec
Übung

Hand in Hand: Feuerwehr und DRK (l.) retten und bergen gemeinsam im Lager des Energiekonzerns – Einsatzkräfte unter Atemschutz auch bei der Menschenrettung vor der Tür. © Johannes Müller

Norden Bei den etwa 80 Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Norden sah man bei der diesjährigen Herbstübung am Dienstagabend einige müde Gesichter: Erst in der Nacht zuvor musste im Keller eines Mehrparteienhauses am Jan-ten-Doornkaat-Koolman-Platz ein Brand bekämpft werden, der etwa 50 Feuerwehrleute mit sechs Fahrzeugen bis 4 Uhr morgens in Schach hielt.

Bei der Herbstübung am Gebäude des Windenergiekonzerns Ørsted am Standort Norden-Norddeich sahen sich die Einsatzkräfte mit einer besonderen Lage konfrontiert: Der Standort Ørsted am Norddeicher Hafen beherbergt eine kritische Infrastruktur, die im Ernstfall die Gefahr eines Blackout-Effekts in Deutschland – vielleicht sogar in ganz Europa birgt, wie Betriebsleiter Thijs Schless am Dienstagabend berichtet.

Ørsted generiert als größter Betreiber durch vier große Windparks in der Nordsee den Strom von zwei mittelgroßen Atomkraftwerken: Mit 1344 Megawatt können damit umgerechnet etwa 1,4 Millionen deutsche Haushalte mit grünem Strom versorgt werden. Die schützenswerten Anlagen im Gebäude sind die Serverräume sowie die Leitstelle im Obergeschoss – das Herzstück in der Kommunikation mit den Windparks. Hier werden nicht nur die Funktion der Windenergieanlagen, sondern auch rund um die Uhr die Seeraumüberwachung, Personal-, Helikopter- und Schiffseinsätze sowie die Notfallkoordinierung für die Offshore-Anlagen arrangiert.

„Da das besondere Areal in Norddeich ohnehin über gute Brandschutzvorrichtungen wie doppelte Brandschutztüren, dicke Betonwände oder als einzige Firma in Norden in den Serverräumen über eine Argon-Feuerlöschanlage verfügt, hat es Kreativität erfordert, ein realistisches Übungsszenario zu entwerfen“, so Stadtbrandmeister Thomas Kettler.

Logistische Herausforderungen bei der Einsatzplanung

Die Ausgangslage war folgende: Das Ladegerät eines Gabelstaplers im großen Lager geriet in Brand. Der Lagerist fuhr ihn zwar aus dem Gefahrenbereich, übersah dabei jedoch einen Kollegen, überrollte diesen und wurde selbst unter herunterfallenden Regalteilen eingeklemmt.

Im ersten Obergeschoss waren Mitarbeiter hilferufend am offenen Fenster zu sehen – mittlerweile hatte sich Rauch in den Lagern, im Eingangsbereich sowie in der Kantine des Gebäudes ausgebreitet. In der Küche war es zu einem weiteren Feuer aufgrund von angebranntem Essen gekommen, welches ein Mitarbeiter in Panik über die ausgelöste Brandmeldeanlage vergessen hatte.

Als der stellvertretende Stadtbrandmeister Thomas Weege vor Ort eintraf, wurde schnell klar: Brandbekämpfung im Gebäude auf der einen Seite, technische Hilfeleistung auf der anderen sind hier die Aufgabenstellungen. Als sich der Einsatz auf die Kantine ausweitet und sich das Lager zudem als Gefahrstofflager mit 60 Litern Öl entpuppt, wird die Einsatzstufe erhöht.

Ein Team des Roten Kreuzes ist zudem zur psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) zur Stelle, auf speziellen Wunsch von Ørsted. Die PSNV sollte im gestellten Szenario einen Angehörigen betreuen, der von dem Unfall in der Lagerhalle gehört hat und nun in Panik verfällt. Ørsted möchte so in Zukunft die Möglichkeit entwickeln, Angehörige aufzufangen, wenn es wider Erwarten zu einem Zwischenfall in einem der Offshore-Windparks kommen sollte.

Übung

Alle Mitarbeiter auf dem Gelände versammelten sich zunächst an der Sammelstelle vor dem Gebäude und aufgrund der Großflächigkeit des Geländes bildete Thomas Weege Einsatzabschnitte und ernannte Ansprechpartner im Team. „Eine besondere Herausforderung war, den Überblick zu behalten bei 30 Einsatzkräften auf dem Hof, die einem alle Informationen zuspielen wollen“, so Weege. Zudem musste ermittelt werden, wie viele und welche Personen sich im Gebäude aufhielten.

Die Löschwasserversorgung barg bei der Übung einige Tücken: „Hydranten, die man aus der Stadt kennt, haben am Hafen nur sehr wenig Druck. Wasser aus dem Hafenbecken gehört aufgrund des Schiffsbetriebes, der Abhängigkeit von der Tide und der Sedimenthaltigkeit nicht unbedingt fest zum Repertoire der Löschwasserversorgung.“ Objektnah gab es jedoch nutzbare Feuerlöschbrunnen sowie Hydranten, die es galt in Betrieb zu nehmen.

Letztendlich wusste jeder Einzelne der Einsatzkräfte, was zu tun war, und alle erforderlichen Maßnahmen wurden ordnungsgemäß ausgeführt. Der verletzte Staplerfahrer konnte somit geborgen und die Brände gelöscht werden.

Koordination zwischen Feuerwehr und externen Kräften

Im Einsatzleitwagen hatte sich gegen Ende ein Krisenstab versammelt, um die Lage, das weitere Vorgehen sowie eventuelle Auswirkungen auf den Schiffsverkehr zu besprechen. Anwesend waren wie im Ernstfall Polizei, Wasserschutzpolizei, Nordens Bürgermeister Florian Eiben, Niedersachsen Ports sowie Vertreter des NLWKN und der benachbarten Schiffswerft.

Am Ende des Abends gab es wie bei jeder Übung ein Fazit seitens des Feuerwehrkommandos: Bis auf wenige Punkte wie die Ordnung des Raumes, Menge des bereitgestellten Lichts und der Position der Fahrzeuge habe es kaum Grund zur Beanstandung gegeben. Auch Betriebsleiter Thijs Schless war zufrieden und dankte dem Team für den Einsatz. Auch er habe zugelernt und noch einige kleine „Hausaufgaben“ zu machen. Zum Ende des Tages gegen 22 Uhr stellte Ørsted für die versammelte Mannschaft Kaltgetränke bereit.

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