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3. November 2023, 09:00 Uhr

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Freispruch für Vergewaltiger aus Norden

Angeklagter litt zur Tatzeit unter paranoider Schizophrenie – Erfolgreiche psychiatrische Behandlung

Lesedauer: ca. 2min 46sec
Das Landgericht Aurich hat einen 30-jährigen Norder freigesprochen, da er zum Tatzeitpunkt unter paranoider Schizophrenie litt.

Das Landgericht Aurich hat einen 30-jährigen Norder freigesprochen, da er zum Tatzeitpunkt unter paranoider Schizophrenie litt. © Bruns ubr

Norden Mit einem Freispruch endete vor dem Landgericht Aurich der Prozess gegen einen 30-jährigen Norder, der in der Nacht des 6. April auf offener Straße in Norden eine junge Frau verletzt und vergewaltigt hat. Der Freispruch basierte aber nicht auf erwiesener Unschuld oder schwacher Beweislage, sondern auf der Tatsache, dass der Beschuldigte zur Tatzeit akut unter einer paranoiden Schizophrenie litt. Seine Einsichtsfähigkeit war aufgehoben, er damit schuldunfähig und strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen. Das Gericht ordnete deshalb die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an, setzte diese Maßregel unter strengen Auflagen allerdings zur Bewährung aus.

In ihrer Urteilsbegründung wandte sich Richterin Iris Schmagt direkt an Angehörige und Freunde des Opfers, die das Urteil im Zuschauerraum mitverfolgten. „Es ist für Angehörige vielleicht schwer verständlich“, sagte die Vorsitzende, „aber man kann einen Angeklagten nur strafrechtlich verfolgen, wenn er schuldfähig ist.“

Die Tat muss für das 21-jährige Opfer ein wahrer Albtraum gewesen sein, der bis heute nachwirkt. Sie traf zufällig auf den Beschuldigten, der sie ansprach. Man wollte gemeinsam eine Zigarette rauchen. Doch schnell hatte er ein anderes Ziel. Seine Frage nach Sex lehnte die Frau ab. Daraufhin wurde er gewalttätig, schlug, kratzte und vergewaltigte die junge Frau. Sie konnte mit ihrem Handy noch ein SOS an ihren Freund senden, der gleich zur Stelle eilte und den Angeklagten von seiner Freundin herunterzog. Auch der Freund hat die Geschehnisse bis heute noch nicht überwunden.

Nach der Festnahme war den Polizeibeamten klar, dass mit dem Norder etwas nicht stimmte. Er redete völlig wirres Zeug über Gott und den Teufel. Als dieser Zustand auch in der Untersuchungshaft anhielt, wurde er in eine forensische Klinik überstellt. Die dortige Behandlung schlug an. Eine psychische Erkrankung, an der er schon seit vielen Jahren leidet, ist dem Norder momentan nicht anzumerken. Vor der Tat hatte er seine Medikamente eigenmächtig abgesetzt. Deshalb tat sich die Kammer schwer damit, die Unterbringung in der Psychiatrie zur Bewährung auszusetzen. Das Gericht wollte sicherstellen, dass der 30-Jährige eine Depotspritze erhalten hat, bevor das Urteil verkündet wird.

Zu den Auflagen gehört, dass diese Depotspritze alle vier Wochen erneuert wird. Zudem muss der Angeklagte oral Medikamente einnehmen. Dass er dieser Weisung auch folgt, wird fortan durch regelmäßige Blutuntersuchungen kontrolliert. Einmal in der Woche muss sich der 30-Jährige zur Therapie in der Norder Klinik einfinden.

Eine weitere Weisung erfolgte, nachdem die Anwältin des Opfers darauf aufmerksam machte, dass der Arbeitsplatz der Frau und der Wohnort des Angeklagten dicht beieinanderliegen. Deshalb ordnete die Kammer an, dass der Beschuldigte keinen Kontakt zu der Frau aufnehmen darf. Bei zufälliger Begegnung muss er unverzüglich 100 Meter Distanz zwischen sich und die Frau legen.

All dies sind nicht nur Weisungen und Auflagen zur Bewährung, sondern gehören auch zur Führungsaufsicht. „Jeder Verstoß gegen eine Weisung der Führungsaufsicht stellt eine eigene Straftat dar, die mit Haft bis zu drei Jahren bestraft wird“, machte Richterin Schmagt dem Angeklagten klar. „Und wenn Sie nur einmal nicht zur Depotspritze erscheinen oder die Blutkontrolle ergibt, dass Sie Medikamente nicht genommen haben, wird die Bewährung widerrufen. Und das geht sehr schnell“, betonte die Vorsitzende. „Es gibt für Sie in den nächsten fünf Jahren nichts Wichtigeres, als sich an die Auflagen zu halten. Ausreden gelten nicht“, machte Richterin Schmagt sehr deutlich.

Der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil bereits an.

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