Gerichtsurteil aus Hessen setzt Volkswagen unter Druck
Auch in Emden wurde Jubilaren die Zugehörigkeitsprämie gekürzt. Forderungen, zu viel gezahltes Geld zurückzuerstatten, war allerdings nicht rechtens
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Dieses Formschreiben haben die aktuellen Jubilare noch im Januar dieses Jahres in ihren Briefkästen gefunden.Foto: privat ©
Der Streit um gekürzte Jubiläumsprämien bei Volkswagen betrifft auch das Werk Emden. Dem KURIER liegt ein Foto eines Schreibens aus der Wolfsburger Konzernzentrale vor, in dem Rückforderungen angekündigt werden. Ein Emder Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, berichtet, ihm sei „ohne Zustimmung“ ein Betrag direkt vom Lohn einbehalten worden.
Jubiläumsprämien sind seit 2025 gedeckelt
Nach dem Tarifabschluss Ende 2024 wurden die bisherigen Jubiläumszuwendungen, bislang drei Bruttomonatsgehälter, durch feste Einmalbeträge ersetzt: 6000 Euro brutto bei 25 Jahren und 12000 Euro brutto bei 35 Jahren Betriebszugehörigkeit. Im Emder Fall heißt es, wegen eines bereits gelaufenen Abrechnungslaufs seien Zahlungen noch nach alter Regel auf das Dezember-Gehalt 2024 geflossen. Diese würden „nunmehr korrigiert“ und auf der Januar-Abrechnung 2025 ausgewiesen, die Differenz werde zurückgefordert. Beträge bis 1500 Euro brutto sollten mit der nächsten Entgeltabrechnung verrechnet werden, bei höheren Summen folge eine gesonderte Zahlungsinformation, so der Wortlaut des Schreibens.
Wie viele Beschäftigte in Emden betroffen sind, ist offen. Auch, welche Summen von Volkswagen zurückgefordert wurden. Aus anderen Werken ist bekannt, dass es je nach Entgeltgruppe mehrere Tausend bis hin zu fünfstelligen Euro-Beträge sein konnten.
Urteil gibt Rückenwind, doch VW wehrt sich
Rückenwind erhalten Betroffene durch ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Kassel: In einem vergleichbaren Fall muss Volkswagen eine bereits einbehaltene Differenzzahlung (2089 Euro brutto) an einen Beschäftigten zurückerstatten. Die Richter argumentieren, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Anspruchs habe der Beschäftigte nicht damit rechnen müssen, dass eine spätere Tarifänderung rückwirkend in bereits entstandene Rechte eingreift.
Allerdings hat Volkswagen Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt. Der Konzern akzeptiert das Urteil damit vorerst also nicht. Welche Folgen das für andere Betroffene hat, bleibt bis zur Entscheidung in der nächsten Instanz unklar.
Für die Küstenregion ist der Fall mehr als eine Randnotiz. Emden zählt zu den zentralen Standorten der E-Produktion von VW. Rückforderungen und strittige Auslegungen des Tarifabschlusses treffen hier langjährige Mitarbeiter mitten in einer Phase der Transformation. Aus Gewerkschafts- und Betriebsratskreisen heißt es, man prüfe Fälle und unterstütze betroffene Kollegen. Offizielle Zahlen für Ostfriesland lagen bis Redaktionsschluss nicht vor.
Mit der Berufung ist eine grundsätzliche Klärung in der nächsten Instanz absehbar. Bis dahin dürften die Einbehalte und Rückforderungsbescheide weiter für Unruhe sorgen, auch in Ostfriesland.
Kommentar
Loyalität anstatt Luxus
Volkswagen lässt verdiente Mitarbeiter wegen vergleichsweise kleiner Beträge zittern. Rückforderungen nach der Tarifumstellung, teils ohne Einwilligung, verunsichern Jubilare, die dem Unternehmen seit Jahrzehnten die Treue halten. Zur gleichen Zeit leistet sich der Konzern mit den Fußballbundesliga-Herren des VfL Wolfsburg ein Luxusprojekt, das trotz aller Marketingformeln sein Image einer Retortenmannschaft nicht loswird. Würde VW die Zuwendungen für den VfL von rund 80 Millionen Euro pro Jahr auf übliche Sponsoringsummen, etwa vier Millionen, normalisieren, wäre einiges gespart. Die Jubilare jedenfalls haben echte Bindungen zu Volkswagen und leisten sicherlich mehr für das Unternehmen als Fußballprofis. Wer Vertrauen in der Belegschaft will, spart nicht bei denen, die die Autos bauen. Das richtige Signal aus Wolfsburg wäre: Loyalität honorieren, Luxusausgaben kürzen. tob