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8. Oktober 2023, 09:30 Uhr

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„Ich habe meine Chance nicht genutzt“ Norder kommt wegen mehrfachen Diebstahls ins Gefängnis

15 Diebstähle und zwei Angeklagte – Ein Fall stellt für das Amtsgericht eine besondere Herausforderung dar

Lesedauer: ca. 3min 48sec
Am Donnerstag mussten sich zwei Angeklagte für insgesamt 15 Diebstähle vor dem Amtsgericht Norden verantworten. Dabei konnte der Tathergang nicht in allen Fällen eindeutig geklärt werden.Foto: Archivfoto

Am Donnerstag mussten sich zwei Angeklagte für insgesamt 15 Diebstähle vor dem Amtsgericht Norden verantworten. Dabei konnte der Tathergang nicht in allen Fällen eindeutig geklärt werden.Foto: Archivfoto © van Uden tau

Norden Ein Prozess, 15 Anklagen und rund fünf Stunden Verhandlungsdauer: Das Amtsgericht Norden machte sich die Entscheidung über das Strafmaß der zwei Angeklagten am Donnerstag nicht leicht.

Verhandelt wurden 15 Diebstähle, die zwischen Januar und Oktober 2022 in Norden stattfanden. Vier haben die beiden Angeklagten, die zu dem Zeitpunkt der Taten ein Paar waren, gemeinsam begangen. Die restlichen elf betrafen nur den 25-jährigen Angeklagten.

Wiederholungstäter

Dieser stand am Donnerstag nicht zum ersten Mal vor Gericht. Zu Beginn der Verhandlung wurde er, begleitet von zwei Justizwachtmeistern, in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Momentan verbüßt er eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Vechta, denn in der Vergangenheit wurde er bereits in zehn weiteren Fällen – Diebstahl, Betrug und Fahren ohne Fahrerlaubnis – verurteilt. Auch die 24-jährige Angeklagte war vor Gericht keine Unbekannte, denn sie war im letzten Jahr aufgrund mehrerer Diebstähle und Hausfriedensbruch ebenfalls schon einmal in Haft.

Die Fälle, um die es an diesem Tag ging, stapelten sich in den roten Akten vor der Staatsanwaltschaft. Geklaut hat das ehemalige Paar Alkoholflaschen aus verschiedenen Lebensmittelläden, Elektrogeräte, Fahrräder und mehrere Schlagbohrmaschinen aus diversen Baumärkten.

Die Verlesung der Anklageschrift dauerte fast eine halbe Stunde, die beiden Angeklagten hörten mit ausdruckslosen Gesichtern zu. Die meisten Fälle konnten schnell abgehandelt werden, denn die Angeklagten waren von Anfang an geständig. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern, aber es wird so gewesen sein. Ich war es “, wiederholte der 25-Jährige immer wieder.

Nur zwei Fälle, die beide in der Tat schwerer wogen als die anderen Diebstähle, warfen einige Fragen auf und konnten nicht von Anfang an eindeutig geklärt werden.

Die erste Tat betraf nur den Angeklagten, der mit einer weiteren Person im Januar 2022 in ein Einfamilienhaus eingebrochen war und dort zahlreiche Gegenstände – Fernseher, Tablet, Smartphone, Geldbörse, Autoschlüssel, Goldmedaillen, Zigaretten und auch ein Konfirmationsbesteck – im Wert von fast 6000 Euro gestohlen hatte. Wer die zweite beteiligte Person war und wie die beiden Täter in das Haus gelangt waren, fand das Gericht auch nach einigen Nachfragen nicht heraus. Diese Details waren letztlich aber auch nur nebensächlich. Entscheidend für das Strafmaß war, dass es sich hierbei nicht um einen einfachen Diebstahl, sondern um einen Wohnungseinbruchdiebstahl handelt.

Räuberischer Diebstahl?

Noch komplizierter wurde es bei einem weiteren Diebstahl, den das damalige Paar im Februar 2022 beging. Die zentrale Frage, die der Staatsanwalt immer wieder aufbrachte : Handelte es sich bei der Tat um einen räuberischen Diebstahl? Dieser wird nämlich, da dabei gegen eine Person Gewalt verübt oder angedroht wird, mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und somit härter als ein einfacher Diebstahl bestraft.

Die Angeklagten hatten damals zwei Wodka-Flaschen und zwei Energydrinks aus einem Supermarkt geklaut, wurden dabei jedoch von der Kassiererin erwischt. Diese griff die 24-Jährige an der Jacke, um sie festzuhalten. Die Angeklagte begann sich gegen den Griff zu wehren und schlug der Kassiererin dabei eine der Flaschen gegen den Kiefer. Zwar gab es von der Tat Videoaufnahmen, doch auch diese gaben keinen Aufschluss darüber, ob der Schlag absichtlich ausgeführt wurde oder nicht. Die Kassiererin erlitt eine Prellung und wurde zwei Wochen krankgeschrieben. Der Schlag führte aber zu keinen langfristigen Schäden.

„Ich habe damals um mich geschlagen, aber ich wollte niemanden verletzen“, äußerte sich die Angeklagte zu dem Vorfall und wandte sich dann an die Kassiererin, die als Zeugin geladen war: „Ich möchte mich bei Ihnen dafür entschuldigen.“

Urteilsabwägung

Am Ende wägte das Gericht ab. Für beide Angeklagten sprach, dass sie größtenteils geständig waren. Auch ihre Handlungsabsicht war klar: Sie hatten aus Suchtdruck gehandelt. Das Diebesgut hatten die Angeklagten in allen Fällen auf dem Schwarzmarkt verkauft, um an Geld zu kommen. Das psychologische Gutachten eines Arztes und die Erzählungen beider Angeklagten gaben darüber Aufschluss, dass sie über längere Zeit kokain- und heroinabhängig waren. Es sei davon auszugehen, dass die Diebstähle unter Intoxikation stattgefunden hätten, schilderte der Gutachter. Dies habe zu einer Enthemmung der Angeklagten geführt.

In die Entscheidung über das Strafmaß müsse aber auch mit einbezogen werden, dass beide Angeklagte erheblich vorbestraft seien und selbst aus den Haftstrafen der Vergangenheit nicht gelernt hätten, gab der Staatsanwalt zu bedenken.

„Mir tut es wirklich leid, dass ich hier wieder vor Gericht sitze. Ich habe meine Chance nicht genutzt“, sagte der Angeklagte. Mittlerweile sei er aber clean und wolle eine Therapie machen, um wieder Fuß fassen zu können. Auch die Angeklagte legte mehrere Nachweise von negativen Drogenscreenings vor. Mittlerweile sei sie aus Norden weggezogen, um von ihrem schlechten Umfeld wegzukommen und habe an ihrem neuen Wohnort bereits einen Job gefunden.

Dies zogen der Richter und die zwei Schöffinnen in ihrem Urteil mit in Betracht. „Wir glauben, dass Sie auf einem guten Weg sind“, wandte sich der Richter an die Angeklagte. Die 24-Jährige wurde, da das Gericht letztlich zu dem Schluss kam, dass es sich bei der Tat nicht um einen räuberischen Diebstahl handelte, zu einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.

Auch dem 25-Jährigen gab das Gericht noch eine weitere Chance. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zwei Jahre dieser Zeit wird er in Therapie verbringen. „Damit haben Sie die Chance, wirklich aus den Drogen rauszukommen. Nutzen Sie diese“, sagte der Richter in seinen abschließenden Worten zu dem Angeklagten.

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