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29. September 2023, 09:00 Uhr

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„Ich habe meine Strafe schon bekommen, denn ich habe meinen Sohn verloren“

Ehemaliger Norder sorgt dafür, dass die eigene Mutter vor Gericht landet - wegen Geldwäscherei:

Lesedauer: ca. 3min 01sec
Am Mittwochvormittag tagte das Amtsgericht Norden. Der Vorwurf: Geldwäsche.

Am Mittwochvormittag tagte das Amtsgericht Norden. Der Vorwurf: Geldwäsche. © pixarbay

Norden Im Verhandlungssaal des Amtsgerichts Norden herrschte am Mittwochvormittag eine bedrückte Stimmung. Die 65-jährige Angeklagte war den Tränen nahe, als sie die Geschnisse der vergangenen anderthalb Jahre noch einmal aus ihrer Sicht schilderte. Auch Richter und Staatsanwältin ließen die bewegte Erzählung sichtlich nicht kalt.

Eigentlich wollte die Angeklagte nur ihrem Sohn helfen, der im April 2022 10000 Euro auf ihr Konto überwiesen hatte und sie darum bat, das Geld abzuheben und an einen Freund weiterzugeben. Angeklagt war sie nun wegen leichtfertiger Geldwäsche – es stand also der Vorwurf im Raum, dass sie um die illegale Herkunft des Geldes hätte wissen müssen, es aber dennoch aus Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit weitergegeben hatte.

Doch so eindeutig waren die Geschehnisse allem Anschein nach nicht. „Mein Sohn ist schon in seiner Jugend auf die schiefe Bahn geraten und hatte eine schwere Pubertät“, sagte die Angeklagte. Nachdem ihr Sohn dann den Freund, dem sie letztlich auch das Geld übergab, kennenlernte, schien sich seine Situation schlagartig zu verbessern.

2018 ging ihr Sohn mit seinem Freund nach Bulgarien, um dort selbstständig im Landschaftsbau zu arbeiten. Seiner Mutter erzählte er immer wieder von neuen Aufträgen und schickte Bilder der getanen Arbeit. An Weihnachten im Jahr 2019 besuchte die Angeklagte ihren Sohn schließlich auch in Bulgarien und versicherte sich mit eigenen Augen davon, dass es ihm gut ging und er vor Ort integriert war. „Ich war einfach nur froh, dass er wieder auf die richtige Bahn gerät“, erklärte die Angeklagte.

Im April 2022 berichtete ihr Sohn dann von einem neuen großen Auftrag: Er solle einen Garten neu anlegen und habe, da für die Arbeit spezielle Geräte notwendig wären, einen Vorschuss von 10000 Euro erhalten. Diese Geräte seien in Bulgarien jedoch nicht erhältlich. Daher überwies er den Betrag an seine Mutter, die das Geld in Deutschland an seinen Freund übergeben solle. Dieser würde sich dann um alles Weitere kümmern.

Dieses Vorhaben stellte die Angeklagte nicht weiter infrage, hob das Geld von ihrem Konto ab und traf sich schließlich zur Übergabe am Norder Bahnhof mit dem Freund des Sohnes. In den darauffolgenden Monaten fragte sie bei ihrem Sohn immer wieder nach, ob die Geräte mittlerweile angekommen seien und wie die Arbeit voranginge. Dieser antwortete jedoch nur ausweichend und berichtete von Lieferschwierigkeiten.

Im Juli 2022 kam dann jedoch die Wahrheit ans Licht, denn weder der erfolgreiche Auftrag noch die angeblich bestellten Geräte entsprachen der Wahrheit. Die Angeklagte fiel aus allen Wolken, als ihr jüngerer Sohn berichtete, dass sein Bruder mit dem gleichen Anliegen auf ihn zukam. Doch er habe herausgefunden, was in Wirklichkeit hinter den 10000 Euro stecke: „Lovescamming“, eine Form des Liebesbetrugs im Internet. Dabei nehmen Personen mittels Fake-Profilen Kontakt zu Menschen auf, die eine Beziehung suchen und schenken ihnen Aufmerksamkeit. Haben die Opfer Vertrauen gefasst, geht es jedoch nur um eines: Geld. Letztlich bitten die sogenannten Love-Scammer ihre Opfer mit fadenscheinigen Begründungen um Geld, nur um dann damit unterzutauchen.

Diese Masche wendete auch der Sohn der Angeklagten mehrfach an: „Ich habe die Chats selbst gesehen. Mein Sohn hat erzählt, dass ich gestorben bin, um Mitleid von den Opfern zu bekommen“, sagte die Angeklagte mit erstickter Stimme. Im Nachhinein sehe sie, dass sie naiv gewesen sei und ihm einfach glauben wollte.

Die Staatsanwältin plädierte letzten Endes für Freispruch. Es gebe nichts, was der Angeklagten vorgeworfen werden könne, denn sie habe das Geld nicht leichtfertig weitergegeben, sondern aus Vertrauen zu ihrem Sohn heraus gehandelt. „Man kann es nicht anders sagen, Ihnen ist wirklich etwas Tragisches widerfahren“, bestätigte der Richter den Eindruck der Staatsanwältin. Daher lautete das finale Urteil: Freispruch.

Der Angeklagten war die Erleichterung darüber deutlich anzusehen. Aber das Gerichtsurteil kann die tragischen Umstände nicht vollends mildern: „Ich habe meine Strafe schon bekommen, denn ich habe meinen Sohn verloren.“

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