„Ich sage immer, die Region hier ist der Ruhrpott von morgen, nur in Sauber“
Stefan Dohler stand für den Heimatcheck Rede und Antwort. Das hält der EWE-Vorstandsvorsitzende von Ostfriesland.
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Stefan Dohler ist Vorstandsvorsitzender der EWE AG. Energie ist sein Steckenpferd. Der Nordwesten könne sich bundesweit besser verkaufen, erklärt er. © EWE
Oldenburg/Ostfriesland Stefan Dohler ist Vorstandsvorsitzender der EWE AG. Energie ist sein Steckenpferd. Der Nordwesten könne sich bundesweit besser verkaufen, erklärt er. Der Süden habe „Mia san mia“, im Norden tue man sich schwer mit einer einheitlichen Identifikation. Als Medienpartner begleiten die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse und die EWE den „Heimatcheck Ostfriesland“. Auch deshalb ist Dohler gespannt auf die Ergebnisse und wie die Ostfriesinnen und Ostfriesen ihre Heimat bewerten. Im Interview erklärt er seine Sicht auf Ostfriesland.
Herr Dohler, ist der Nordwesten eine selbstbewusste Region und eine Region, die sich auch durch Heimat definiert, oder wie haben Sie das wahrgenommen?
Stefan Dohler: Ich finde, die Region hat eine hohe Identität für den Norden. Der Norden ist aber unbestimmt. So eine richtige Identität in Summe gibt es, glaube ich, nicht, die ist sehr verteilt.
Als Konzernchef müssen Sie aber wissen, wo Friesland endet und Ostfriesland beginnt…
Ich versuche, mich da fehlerfrei durchzunavigieren. Wir sind ja als EWE von Hamburg bis Holland unterwegs. Da gibt es natürlich viele regionale Unterschiede. Wir haben zum Glück viele Kolleginnen und Kollegen in der Fläche, die genau wissen, wie die Feinheiten funktionieren.
Ostfriesland hat Sonne und Wind. Sind wir eigentlich ein guter Standort für ein Energieunternehmen?
Absolut. Ich sage immer, die Region hier ist der Ruhrpott von morgen, nur in Sauber. Wir sitzen heute auf der grünen Energie, wie das Ruhrgebiet auf der Kohle saß. Da kam am Ende auch die Wertschöpfung her. Heute ist das hier gefühlt noch nicht der Fall. Wir haben ganz viele Windmühlen, wir haben große Leitungsbauprojekte, wir haben große Terminals und exportieren grüne Elektronen.
Und was hat Ostfriesland davon?
Genau das ist die Frage. Wir müssen deutlich machen, dass die Region auch davon profitiert. Dafür werbe ich auch im Bundesverband Energie und Wasserwirtschaft und auch auf den verschiedenen politischen Bühnen in Hannover, Berlin und Brüssel. Wir müssen deutlich machen: Leute, wenn wir hier den Ausbau von zukunftsfähiger Infrastruktur weiter vorantreiben wollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass Akzeptanz vor Ort passiert.
Das lässt sich leicht sagen…
Deshalb haben wir mit vielen anderen Organisationen in der Region die Initiative ‚Powerhouse Nord‘ ins Leben gerufen und damit eine Marke kreiert. Wir wollen als Region das Kraftzentrum für Deutschland werden und wir liefern schon jetzt einen großen Beitrag dafür. Natürlich schaut am Ende jede Gemeinde, jede Region genau darauf, was für sie am Ende dabei herausspringt. Das ist legitim. Aber erst einmal sollten wir die Klammer für diese Region definieren.
Und trotzdem gibt es etwa bei Windrädern oder Konverteransiedlungen immer Gegenwind, etwa von Bürgerinitiativen oder der Politik…
Wir müssen die Bürger und die Kommunen am Erfolg beteiligen. Da gibt es doch tolle Beispiele, bei denen die Betroffenen direkt spüren, dass sich eine Teilnahme für sie lohnt.
Klima klingt für viele Menschen erst einmal nach Bevormundung…
Richtig ist, dass es in den vergangenen Jahren durch den sehr, sehr hohen Fokus auf Klimaschutz das Gefühl entstanden ist: Klima gleich teuer. Wir befinden uns da sogar in einem Trilemma: Ich muss nachhaltig wirtschaften, also klimafreundlich; zweitens muss es bezahlbar sein für Menschen und drittens muss Energie auch sicher jederzeit verfügbar sein. Das sind ja die gefühlten Zielkonflikte. Ich kann es entweder teuer oder günstig machen, aber dann ist es vielleicht nicht so klimaneutral oder die Versorgungssicherheit wackelt. Wir müssen die Balance halten zwischen diesen drei Aspekten. Wenn das Dreieck aus der Balance gerät, wenn ich nur noch Klimaschutz vorantreibe, egal was es kostet oder egal wie unsicher dann die Versorgung wird, dann ist die Akzeptanz weg.
Sie haben einmal gesagt, in Deutschland wird auf Kosten der Experimentierfreudigkeit viel diskutiert…
Bei uns, so scheint es, gibt es immer nur die eine Lösung für alles. Lasst uns doch erst einmal Dinge probieren, ganz pragmatisch. Lasst uns da einmal ein Stück weit Mut beweisen. Wenn wir dann merken, es war eine dumme Idee, kann man das ja noch korrigieren oder verbessern. Da sind andere Länder, wie etwa die Niederlande, anders unterwegs.
Nennen Sie doch einmal ein Beispiel…
Wir wollen, dass die Menge an Treibhausgasemissionen reduziert wird, möglichst schnell. Aber wir planen heute schon so, als ob wir exakt wissen, was 2045 passieren muss, um die letzten fünf Prozent auch noch zu eliminieren. Das macht alles unendlich langsam. Was ist mit der 80:20-Regel? Um die letzten Prozentpunkte kann ich mich noch in zehn Jahren kümmern, weil ich dann immer noch zehn Jahre Zeit habe. Da habe ich einen anderen technologischen Fortschritt. Wir konzentrieren uns immer schon auf das perfekte Langfristende, statt im Hier und Jetzt mit minimalem Aufwand maximalen Nutzen zu heben.
Apropos Ende. Sagen Sie doch noch etwas Nettes über Ostfriesland.
Ich lebe jetzt seit 2018 im Nordwesten. Ich fühle mich hier sehr wohl. Das ist einfach eine tolle Gegend, mit tollen Menschen, die sehr offen sind. Ich lebte vorher in Hamburg, Berlin und Stockholm. In der Großstadt ist man eine Nummer. Das ist hier anders. Hier trifft man sich immer zweimal, dreimal, viermal und man redet miteinander. Hier zu leben ist ein tolles Lebensgefühl!