Im Notfall kann man auch zur Privatarztpraxis gehen
Immer wieder entscheiden sich Ärzte in Ostfriesland, nicht mehr „auf Kasse“ zu arbeiten, sondern nur Privatpatienten zu behandeln. Die müssen dann aus eigener Tasche zahlen. Warum machen die Ärzte das?
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Arztpraxis: Immer häufiger sollen Patienten selbst bezahlen. © dpa
Ostfriesland Immer mehr Ärzte eröffnen in Ostfriesland Privatpraxen, in denen es „auf Kasse“ keine Leistung gibt. Die Organisationen Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung (KVN) sind dagegen machtlos.
Gerade erst hatte in Brookmerland ein Kinderarzt eine Praxis eröffnet, in der Kassenpatienten nur behandelt werden, wenn sie die Rechnung privat bezahlen – und sich dann eventuell einen Teilbetrag von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. Auch einige Kardiologen in Norden haben sich aus dem Kassensystem verabschiedet.
Jeder Arzt darf selbst entscheiden
Die Kassenärztliche Vereinigung betont das freie Wahlrecht jeden Arztes, ob er sich dem Kassensystem anschließt oder nicht. Doch ihr Sprecher Detlef Haffke sagt auch: „Die KVN wünscht sich natürlich, dass es eher in Richtung eines Kassenarztsitzes geht.“ Dies auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Ärztemangels und weil 90 Prozent aller Patienten Kassenpatienten seien.
Wie viele privatärztliche Praxen es im Landkreis Aurich und umzu tatsächlich gibt, vermag diese KVN nicht zu sagen. Denn Ärzte, die kein Geld von den Krankenkassen haben wollen, müssen sich nirgendwo anmelden. Doch gerade im Bereich der Kinder- und Jugendärzte gibt beispielsweise die Krankenkasse AOK Entwarnung. Ihr zufolge seien im Landkreis 17 Ärzte gemeldet, das entspreche einer Versorgungsquote von 120 Prozent. Neue Kassenarztsitze würden damit nicht genehmigt. Private Praxen jedoch unterliegen nicht der Genehmigungspflicht.
Sieben Minuten Zeit für einen Patienten
Die Rückgabe der Kassenzulassung oder der Verzicht auf einen Antrag zur Zulassung zum Kassenarzt werde meist mit den „unzureichenden Rahmenbedingungen“ einer Kassenarztpraxis begründet. Kassenärzte hätten mittlerweile durch eine immer älter werdende Patientenschaft einen enormen Versorgungsdruck, sagt Haffke. Sieben Minuten Zeit habe ein Kassenarzt durchschnittlich für einen Patienten. Das frustriere so, dass sie die Kassenzulassung dann zurückgäben.
Doch Haffke sagt auch, dass an dieser Überbelastung nicht nur das System schuld sei. Der typische Deutsche gehe im Jahr 19 Mal zum Arzt. In Skandinavien liege der Durchschnitt bei acht Besuchen. Haffke: „Aber die Skandinavier sind nicht kränker als wir!“
Auf eines legt die Ärztekammer Wert: Im Notfall ist es egal, zu welchem Arzt man geht. Die Kasse bezahlt. Und wann liegt ein Notfall vor: „Wenn gesundheitliche Schäden zu erwarten sind“, sagt Ärztekammersprecher Niko Gerdau.
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