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Erstellt:
8. April 2025, 06:00 Uhr

Romandebüt einer Wahl-Norderin

Sanna Konda veröffentlicht mit „Insel der Verwandlung“ eine nicht alltägliche Geschichte. Die Autorin nimmt die Leser mit in die Einsamkeit.

Lesedauer: ca. 3min 05sec
Lesung

Sanna Konda (2. v. r.) las in Walldorf (Baden-Württemberg) aus ihrem Buch „Insel der Verwandlung“. Der Musiker Dr. Timo Jouko Herrmann (l.), SKN-Verlagsleiterin Gabriele Basse und Bürgermeister Matthias Renschler lauschten ebenso gern wie das Publikum. © Foto: privat

Norden Man stellt es sich gern so romantisch vor. Mal auf einer einsamen Insel sein eine Zeit lang, weg von allem, nur für sich. Den Himmel sehen, die Sonne am Strand auf- und untergehend beobachten. Ein Traum? Aber wie ist es, ein halbes Jahr mehr oder weniger abgeschnitten zu sein von der Zivilisation, keinen Strom zu haben, also auch keinen Kühlschrank, keinen Elektroherd, kein Smartphone, keinen Fernseher, nichts, das ablenkt? Und niemanden, der hilft, wenn der Sturm kommt und die kleine Hütte, die man bewohnt, mit Meerwasser ausspült?

„Insel der Verwandlung“ heißt das Buch, mit dem sich Sanna Konda zum ersten Mal an einen Roman gewagt hat. Und das Wagnis war nicht klein. „Was ist die Handlung, wenn ein Mensch allein auf einer Insel ist?“ habe sie sich selbst gefragt, gestand die gebürtige Münsteranerin, die heute auch ein Zuhause in Norden hat, im Rahmen einer ersten Lesung vor einigen Wochen. Da war dieser erste Roman erst im Rohbau fertig, jetzt liegt er gedruckt vor. 124 Seiten, 24 Kapitel, garniert mit Vogelzeichnungen. Jeffrey Benjamin Sussman, Kondas Ehemann, hat über 20 Vogelarten ein Antlitz gegeben. Stelzenläufer und Sanderling, Küstenseeschwalbe, Sumpfohreule, Goldregenpfeifer, Austernfischer, Kornweihe und etlichen mehr. Ganz zart – als habe er sich genauso vorsichtig den scheuen Tieren gewidmet wie seine Frau ihrem Text.

Eine junge Frau auf der Insel, sechs Monate nur eine Aufgabe: Vögel zu zählen. Täglich ein Gang über die Insel. Beobachten, nicht eingreifen – das ist die Vorgabe. Alle zwei Wochen kommt ein kleines Boot, zwei Männer bringen Lebensmittel, Post, alles, was ein Mensch so braucht.

Chance für den Leser

Was aber braucht ein Mensch? „Ich war Natur geworden. Die Frage, wer ich war, die mir zu Hause so schmerzhaft geworden war, hatte mich auf die Insel fliehen lassen, ohne durch diese Flucht eine Antwort zu erhoffen. Dass ich aber aufgehört hatte zu suchen, brachte mich mir selbst näher. Je verwilderter ich wurde und je weniger ich nachdachte, desto näher kam ich mir.“ Vielleicht sind das die zentralen Sätze in diesem Buch. Das man nicht verschlingt wie einen Krimi, einen Abenteuer- oder Liebesroman. Das es erlaubt, ja beinahe gebietet, langsam(er) zu werden. So wie es die Ich-Erzählerin lernt, deren Namen man erst nach über 100 Seiten erfährt und der sicher nicht ganz zufällig mit dem der Autorin übereinstimmt. Die sich selbst begegnet – und sich Seite für Seite, dem Titel des Buches folgend, verwandelt. Verinnerlicht, was wesentlich ist – für sie selbst. Und was ist wesentlich für uns? Ein Gedanke, der unweigerlich in einem wächst. Mit anderen Worten: Auch als Leser bekommt man die Chance zur Verwandlung...

Buch

Das Cover © Foto: privat

Sanna Konda schmückt nicht aus, ihre Sprache ist klar, direkt, nüchtern fast. Aber gehaltvoll. Es kommt die Zeit auf der Insel, da beobachtet sie längst nicht mehr nur die Vögel, die Gezeiten, den Himmel, die Wolken und die Sterne, sondern eben vor allem sich selbst. Setzt sich der zwar beschränkten, aber doch allumfassenden Inselwelt aus, erlebt Angst, durchlebt das Alleinsein, wird hemmungslos, lebt aus, was geht, überschreitet Grenzen, die es nicht (mehr) gibt.

Die „Insel der Verwandlung“ ist nichts für Menschen, die im Buch die Spannung lieben, nicht aufhören können, bis der Höhepunkt gelesen ist, die ein Kribbeln im Bauch spüren wollen bei der Lektüre. Die „Insel der Verwandlung“ ist etwas für alle, die Seite für Seite genießen möchten. Nur mal ein Kapitel lesen zum Beispiel. Die nachspüren wollen, sich selbst beobachten – wie ginge es mir nach Wochen und Monaten Einsamkeit, „drei Schritte zwischen Bett und Pult“? Insofern ist das Buch eben kein Roman im engeren Sinn, es hat auch etwas von einem Auszeitbuch, einem Nachschlagewerk für die eigene innere Balance. Und erlaubt immer zu träumen beim Blick auf die Bilder, bewusst so angelegt, dass man meinen könne, die Rotschenkel und Bachstelzen flüchteten ganz schnell von der Seite. Huschen vorbei. Und sind doch immer da.

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